Flug verspätet oder gestrichen: Das steht Ihnen zu und so holen Sie sich Ihr Geld!

Anzeigetafel im Terminal 1 am Flughafen Frankfurt am Main (Foto: Jan Gruber).
Anzeigetafel im Terminal 1 am Flughafen Frankfurt am Main (Foto: Jan Gruber).

Flug verspätet oder gestrichen: Das steht Ihnen zu und so holen Sie sich Ihr Geld!

Anzeigetafel im Terminal 1 am Flughafen Frankfurt am Main (Foto: Jan Gruber).
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Verspätungen und Streichungen sorgen immer wieder für Ärger, denn Geschäftsreisende verpassen möglicherweise wichtige Termine und private Trips können vermiest werden. Passagiere haben aber in den meisten Fällen das Recht auf Betreuungsleistungen, Ersatzbeförderung und gegebenenfalls sogar auf Geld. In diesem Leitfaden stellt Aviation.Direct die wichtigsten Passagierrechte vor und gibt Ihnen wertvolle Tipps.

Das wohl allerwichtigste vorab: Die Rechtsgrundlage für die Passagierrechte nach EU-VO 261/04 können Sie unter diesem Link im PDF-Format in deutscher Sprache herunterladen.

Anspruch auf Betreuungsleistungen (beispielsweise Mahlzeiten) besteht ab nachstehenden Verspätungen:

  • Flüge bis 1.500km Entfernung: ab zwei Stunden oder mehr
  • Flüge ab 1.500km innerhalb der EU: ab drei Stunden oder mehr
  • Flüge zwischen 1.500km und 3.500km (nicht innerhalb der EU): ab drei Stunden oder mehr
  • Flüge über 3.500km (nicht innerhalb der EU): ab vier Stunden oder mehr

Die Fluggesellschaft hat die Betreuungsleistungen, zu denen Mahlzeiten, Getränke, Telefonate und E-Mails zählen, kostenfrei zu Verfügung zu stellen. Je nach Einzelfall und Dauer der Verspätung müssen auch eine Hotelunterkunft und ein Transfer zwischen Airport und Hotel und zurück gestellt werden. Sollte die Airline das nicht tun, so sollten unbedingt alle Belege aufgehoben werden, so dass diese nachträglich eingefordert werden können.

Wichtig: Der Anspruch auf Betreuungsleistungen besteht, wenn der Flug am Tag des Abflugs gestrichen wurde oder aber nach obenstehender Staffelung verspätet ist. Ausgelöst wird die Betreuungspflicht zu jenem Zeitpunkt, zu dem für die Airline die Verspätung absehbar ist. Das bedeutet, dass die Abflugsverspätung maßgeblich ist.

Wann kommt man in den „Genuss“ von Ausgleichszahlungen?

Ein wenig anders verhält es sich bei den Ausgleichsleistungen, denn für diese ist auch die 14-tägige Frist von Bedeutung. Kündigt der Carrier die verspätete Ankunft oder aber die Streichung länger als 14 Tage vor dem Flugtag an, so besteht kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung aufgrund der EU-VO 261/2004. Allerdings sind davon weitere Rechte unberührt: Beispielsweise kann bei einer Ankunftsverspätung von drei Stunden oder mehr eine Umbuchung auf eine andere Flugverbindung – auch mit einer anderen Airline – oder eine alternative Beförderung, beispielsweise mit der Bahn oder dem Fernbus eingefordert werden. Auch der Rücktritt vom Beförderungsvertrag ist möglich. In diesem Fall muss die Airline den bezahlten Ticketpreis innerhalb von sieben Tagen erstatten.

Befindet man sich innerhalb der 14-tägigen Frist dann stehen die Chancen auf eine Ausgleichszahlung durchaus gut, sofern kein außerordentlicher Umstand (zum Beispiel akutes Schlechtwetter, behördlich angeordnete Flugverbote udgl.) vorliegt. Nicht der Passagier, sondern die Airline ist in der Beweispflicht, dass ein außerordentlicher Umstand vorliegt. Der Europäische Gerichtshof urteilte jedoch zumeist äußerst konsumentenfreundlich.

Die genannte Verordnung sieht folgende Sätze vor:

  • 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger
  • 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km
  • 600 EUR bei allen Flügen über 3.500km Entfernung.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

Wichtig: Maßgeblich für einen möglichen Anspruch ist die tatsächliche Ankunft am Zielort. Der EuGH definierte diesen in einem Urteil ziemlich genau. Es ist nicht die Landung, sondern der Moment, in dem die erste Tür geöffnet wird und der erste Passagier aussteigen kann. Es ist äußerst wichtig, dass Sie sich die Verspätung von der Fluglinie schriftlich bestätigen lassen und am Airport auch durchaus hartnäckig bleiben, denn genau dieses Formular wird häufig verweigert und später eingefordert. Falls Sie eine Reiserversicherung haben: Möglicherweise – prüfen Sie aber bitte Ihre Polizze – können Sie auch von dieser Leistungen erhalten. Versicherungen verlangen so gut wie immer eine Bestätigung über die Flugverspätung. Bucht Sie die Airline auf einen anderen Carrier um und Sie kommen nicht verspätet am Zielort an, so kann die Ausgleichsleistung entfallen. Ist die Verspätung weniger als drei Stunden, so kann die Leistung – im Falle einer Ersatzbeförderung – um 50 Prozent gekürzt werden.

Was ist, wenn außerhalb der 14-Tage-Frist gestrichen wird oder sich die Flugzeiten massiv ändern?

Die Airline ist nicht von der Beförderungspflicht entbunden. Sie müssen den Änderungen nicht zustimmen und können eine Ersatzbeförderung mit einer anderen Airline oder mit einem anderen Verkehrsmittel einfordern. In der Praxis stellen sich viele Airlines sehr bockig bei der Umbuchung auf Mitbewerber und tätigen die nur auf erheblichen Druck des Kunden. Lassen Sie sich nicht abwimmeln. Falls Sie auf eigene Kosten ein Ersatzticket gebucht haben, weil Ihnen die Airline dieses nicht gestellt hat: Teilen Sie dies unbedingt dem Carrier mit und fordern Sie das Geld ein – am besten per Einschreiben oder wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, scheuen Sie nicht vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe.

Sollten Sie sich entscheiden, dass Sie angesichts der Änderungen nicht reisen wollen, so können Sie zum Vertrag zurücktreten und Ihre Airline muss Ihnen innerhalb von sieben Tagen den vollständigen Ticketpreis erstatten. Das gilt dann, wenn sich die Ankunft am Zielort gegenüber der ursprünglichen Buchung um mehr als drei Stunden verspäten wird oder aber die Verbindung komplett gestrichen wurde.

Achtung Falle: Wenn Sie über ein Reisebüro oder eine Ticketplattform (also nicht direkt bei der Fluggesellschaft) gebucht haben, so müssen Sie sich für Umbuchungen und/oder Erstattungen an dieses wenden. Es kommt häufig vor, dass sich die Airline und die Plattform dann gegenseitig die Verantwortung in die Schuhe schieben. Nicht entmutigen, hartnäckig bleiben. Im Worstcase können sowohl ein Rechtsanwalt als auch kostenfreie Stellen helfen.

Die Airline zahlt nicht! Wo bekommt man Hilfe?

Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, reichen Sie eine Schadenmeldung an diese ein. Wenn Sie eine positive Deckungszusage haben, wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. Sollten Sie das Risiko (in der Regel im allgemeinen Vertragsrechtsschutz enthalten) nicht versichert haben, so gibt es kostenfreie Stellen, die Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche helfen können.

In Österreich wenden Sie sich dann am besten an die Agentur für Passagier- oder Fahrgastrechte (AFP) oder ihre regional zuständige Arbeiterkammer. Bei beiden Stellen erhalten Sie kostenfreie Beratung und Hilfe bei der Durchsetzung.

In Deutschland stehen Ihnen beispielsweise die Verbraucherzentralen und die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. zur Verfügung. Manche Gewerkschaften bieten ebenfalls kostenlose Beratungen und Unterstützung an, sofern Sie Mitglied sind.

Alternativ können Sie sich auch ein spezialisiertes Inkassobüro wenden, das für Sie die Einforderung übernimmt. Der Vorteil ist, dass Ihnen keine Kosten entstehen, wenn die Airline am Ende nicht bezahlt. Der Nachteil ist natürlich, dass im Erfolgsfall eine zum Teil saftige Provision anfallen kann. Manche Anbieter kaufen Ihnen den Anspruch auch ab, was zu einem erheblichen Abzug führt, aber Sie bekommen Ihr Geld sehr schnell, innerhalb weniger Tage, meist schon am nächsten Tag, auf Ihr Bankkonto.

Für welchen Weg Sie sich entscheiden, ist Ihnen überlassen. Empfohlen werden kann lediglich, dass Sie zunächst versuchen sollten Ihren Anspruch auf eigene Faust durchzusetzen. Ist dies nicht erfolgreich, so lassen Sie sich nicht entmutigen, so nehmen Sie Hilfe in Anspruch, denn es geht darum Ihr Recht und Ihren Anspruch durchzusetzen.

Gibt es Musterbriefe, die man an die Airline schicken kann?

Selbstverständlich und zwar sehr viele. Aviation.Direct empfiehlt die Nutzung der Musterbriefe von offiziellen Stellen. Eine Auswahl ist nachstehend verlinkt. Übrigens: Auch Musterbriefe zur Rückforderung von Ticketgeldern sind dabei.

Tipps:

  • Dokumentieren: Machen Sie zum Beispiel mit Ihrem Smartphone Fotos von Anzeigetafeln und gegebenenfalls auch Screens am Gate, auf denen die Verspätung oder Streichung zu sehen ist. Tauschen Sie Kontaktdaten mit anderen Passagieren aus, um im Falle des Falles Zeugen zu haben. Machen Sie von allen Dokumenten, Gutscheinen und Rechnungen Fotos mit Ihrem Handy, um später Kosten nachweisen zu können. Notieren Sie sich nach Möglichkeit den Namen des Mitarbeiters, mit dem Sie gesprochen haben. Gegebenenfalls macht es Sinn mit einem ebenfalls betroffenen Passagier gemeinsam zum Schalter zu gehen, die Kontaktdaten austauschen, um im Falle eines Verfahrens zumindest einen Zeugen für die Abläufe zu haben.
  • Einfordern: Verlangen Sie eine schriftliche Bestätigung über die Verspätung oder Streichung. Bleiben Sie hartnäckig, denn manche Airlines sind sehr dreist und geben diese nur sehr ungern heraus, wollen jedoch genau dieses Dokument dann bei der Geltendmachung des Anspruchs vorgelegt haben. Weiters lassen Sie sich eine schriftliche Belehrung über Ihre Passagierrechte aushändigen. Fordern Sie Mahlzeiten und Getränke (oder Gutscheine dafür), Zugang zu Telefonaten, Faxen oder E-Mails, gegebenenfalls eine Hotelunterbringung oder Umbuchung auf eine andere Fluggesellschaft aktiv ein. Gehen Sie nach Möglichkeit nicht in Vorleistung für die Airline, sondern bestehen darauf, dass die Fluglinie die Kosten zu übernehmen hat. Ist das aufgrund der Umstände vor Ort nicht möglich, heben Sie bitte alle Belege auf.
  • Nicht abwimmeln lassen: Machen Sie deutlich auf Ihre Rechte aufmerksam und verlangen Sie von der Fluggesellschaft auch eine Ersatzbeförderung mit einer anderen Fluggesellschaft oder mit einem anderen Verkehrsträger. Auf Kurzstrecken kann ein Fahrschein für den Fernbus oder die Bahn eine Möglichkeit sein, um zumindest am gleichen Tag noch ans Reiseziel zu kommen. Sollte Ihnen das verweigert werden und Sie kaufen selbst ein Ticket für eine andere Fluglinie oder einen anderen Verkehrsträger: Bitte dokumentieren Sie genau alle Auslagen, heben Sie alle Belege auf und insbesondere ist es sehr ratsam für die Verweigerung der Ersatzbeförderung (Umbuchung) zumindest einen Zeugen zu haben.
  • Am Zielort oder daheim: Fordern Sie nun Ihre Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft ein. Zusätzlich zu den Online-Formularen empfiehlt es sich ausdrücklich diese auch mittels eingeschriebenem Brief an den Sitz der Airline (die Adresse finden Sie im Impressum der Homepage der Fluggesellschaft) einzufordern. Falls Sie nach der Online-Einreichung eine Bearbeitungsnummer erhalten, ist es nützlich diese in Ihrem Brief anzugeben. Fügen Sie Ihrem „Einschreiber“ Kopien der Belege Ihrer Auslagen sowie die Bestätigung über die Verspätung oder Streichung (als Kopie) bei. Geben Sie Ihrer Original-Dokumente nicht aus der Hand. Setzen Sie dem Carrier eine Frist, beispielsweise 14 Tage. Nach Ablauf dieser befindet sich das Unternehmen im Zahlungsverzug und Sie können gegebenenfalls sogar vor Gericht klagen.

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