Die Ryanair Group kassierte in Spanien eine heftige „Watschn“ vom Nationalen Gerichtshof: Der Carrier hat laut Urteil das auf Gran Canaria, Lanzarote und Teneriffa stationierte Personal unrechtmäßig gekündigt und spanisches Arbeitsrecht missachtet. Das hat zur Folge, dass nun eine für den Konzern äußerst kostspielige finanzielle Entschädigung der Mitarbeiter angeordnet wurde.
Über viele Jahre hinweg flog Ryanair mit dem „One-Company-Konzept“ sehr gut. Das heißt, dass alle FR-Flüge auch tatsächlich von der irischen Ryanair durchgeführt wurden. Davon ausgenommen waren seltene Wetleases, bei denen externe Airlines temporär angeheuert wurden. Das kam aber nur selten vor und überbrückte zumeist den Ausfall von Maschinen oder aber Lieferverzögerungen von Boeing.
Die von Michael O’Leary geleitete Firmengruppe bekam in den letzten Jahren zunehmend zu spüren, dass der Kurs die Gewerkschaften komplett zu ignorieren nicht mehr haltbar ist. Man kann durchaus davon sprechen, dass sich die Hartnäckigkeit der Arbeitnehmervertreter ausgezahlt hat, denn auch O’Leary musste sich eingestehen, dass der bisherige Weg nicht mehr haltbar ist.
Aus „One Company“ wurden mehrere Airlines
Also wurde ein „Plan B“ gewählt. Polen diente als eine Art „Versuchsträger“, denn Ryanair Sun (heute als Buzz bekannt) wurde explizit als Charterableger gegründet. Gebetsmühlenartig betonte das Management des irischen Lowcosters, dass man nur den polnischen Chartermarkt abgrasen wolle. Brancheninsider hatten daran von Anfang an Zweifel und die Skepsis war angebracht: Schon bald wurde das polnische Ryanair-Personal vor die Wahl gestellt: Entweder zu schlechteren Konditionen zu Buzz wechseln oder keinen Arbeitsplatz mehr haben. Die Anstellung erfolgt übrigens in den meisten Fällen über die Leiharbeitsfirma Warsaw Aviation. Doch was passierte zuvor? Ryanair einigte sich in Polen mit den Gewerkschaften auf Tarifverträge, die natürlich dann bei Buzz, weil andere Airline, keine Gültigkeit mehr haben.
Malta Air wurde unter dem Deckmantel „Steuern in der Heimat zahlen“ ins Leben gerufen und übernahm beispielsweise in Deutschland, Frankreich und Italien die bislang von Ryanair selbst durchgeführten Flüge. In der Bundesrepublik konnten unter anderem die Vereinigung Cockpit und Verdi durchsetzen, dass die Tarifverträge weitgehend übernommen wurden. In anderen Ländern war das nicht der Fall, so dass es laut Betroffenen angeblich zu niedrigeren Löhnen gekommen sein soll.
Die Tochtergesellschaft Lauda Europe stellt einen Sonderfall dar. Im Gegensatz zu den Schwestern Buzz und Malta Air wurde diese zugekauft und brachte eigene Streckenrechte, die aus dem Niki-Erbe stammen, mit. Auch hat man Laudamotion zunächst unter eigenen Flugnummern und eigener Marke fliegen lassen. Sogar Ryanair-Maschinen flogen im Wetlease unter dem Lauda-Brand. Die österreichische Laudamotion wurde als Fluggesellschaft dicht gemacht und der maltesische Nachfolger Lauda Europe fliegt nun unter FR-Flugnummern im Auftrag der Ryanair DAC. Ein weiterer Sonderfall ist Ryanair UK, denn diese Tochter ist aufgrund des Brexit notwendig.
Umstellung auf Töchter spart Ryanair viel Geld
Die Frage nach dem „wozu braucht Ryanair so viele Töchter, die unter FR-Flugnummern fliegen“ ist einfach beantwortet: Wegen den Gewerkschaften. Blickt man beispielsweise auf Prag, Budapest und Bratislava, aber auch Wien, so ist sehr eindeutig wozu die Tochter-Airlines dienen. Mit jedem Operator-Wechsel werden die Arbeitnehmervertreter zurück an den Start geschickt und Airline 1 kündigt, Airline 2 stellt ein, was die Möglichkeit für Vertragsänderungen eröffnet. Beispielsweise in Budapest soll es laut Flugbegleitern und Piloten zu niedrigeren Löhnen gekommen sein. Mangels Alternativen wechselten fast alle von Ryanair zu Buzz.
In Wien gab es diese „Spielchen“ auch schon. Druck auf das Laudamotion-Personal über eine Ryanair-DAC-Basis. Nachdem deren Beschäftigte quasi ausgepresst waren, wurde die FR-Basis Wien per Ende 2020 geschlossen, doch die polnische Buzz war als Ersatz sofort parat. Derzeit hat der Konzern in Wien Maschinen des Typs A320, die von Lauda Europe betrieben werden, sowie Boeing 737 von Buzz stationiert. Von anderen Bases aus fliegen auch Malta Air und Ryanair DAC herein. Zumindest in der Theorie, da aufgrund der Corona-Pandemie fast alle Strecken ruhen.
Die „Multi-Brand-Strategie“ ist also zusammenfassend damit zu beschreiben, dass die Umstellung auf jeweils andere Konzerncarrier, die dann Wetlease-Partner für die Ryanair DAC fliegen, gewisse Kostenvorteile für die Firmengruppe bringt. Das Personal hat keinerlei Vorteile. In vorliegenden Schreiben, die beispielsweise in Wien und Palma verschickt wurden, drohte man mit der Umstellung auf andere Airlines der Firmengruppe, falls den Verschlechterungen nicht zugestimmt werde.
Spanisches Gericht wirft „bösartiges Handeln“ vor
Auf den Kanaren wurde als Begründung der Schließung per 8. Jänner 2020 damit argumentiert, dass die Lieferverzögerungen des Musters Boeing 737 Max den Ausschlag gegeben haben. Betroffen waren 134 Flugbegleiter und 70 Piloten. Zu diesem Zeitpunkt war Corona übrigens noch kein Thema. Doch welche Überraschung: Teilweise wurden die Flugdienste von anderen Konzerncarriern wie Buzz übernommen.
Die Gewerkschaften USO und Sepla zogen gegen die Kündigungen vor Gericht und bekamen nun fast ein Jahr später auch Recht. Das Nationale Gericht Spaniens ist der Ansicht, dass die Massenkündigungen nach spanischem Recht unzulässig waren. Diese würden jeglicher Rechtsgrundlage entbehren und noch dazu wäre die Kündigungsfrist von nur 15 Tagen nicht eingehalten worden. In der Begründung ist sogar die Rede davon, dass das Gericht der Ansicht ist, dass das Management „bösartig“ gehandelt habe.
Daraus folgt nun, dass Ryanair gerichtlich dazu verdonnert wurde die Gehälter von Lohnnebenkosten für den Zeitraum von Jänner 2020 bis März 2021 nachzuzahlen. Obendrauf legte das Gericht, dass pro Arbeitsjahr eine Entschädigung in der Höhe von 15 Arbeitstagen geleistet werden muss. Für 2020 müssen zusätzlich 45 Tage pro Arbeitsjahr draufgelegt werden und für 2021 immerhin 33 Tage. Unterm Strich eine äußerst kostspielige Angelegenheit, weshalb damit zu rechnen ist, dass der irische Konzern versuchen wird das Urteil juristisch anzufechten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese bis zum europäischen Höchstgericht kommen könnte.