Mit dem Zukauf der Fluggesellschaft Air Europa wollte die International Airlines Group in Spanien stark wachsen, jedoch stand der Deal von Anfang an unter keinem guten Stern. Erst sank das Transaktionsvolumen aufgrund der Corona-Pandemie beträchtlich und dann zeigte die EU-Kommission ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Bewilligung.
Die International Airlines Group bestätigte nun offiziell, dass man sich mit Globalia in Verhandlungen über die Auflösung des am 4. November 2019 geschlossenen Kaufvertrags befindet. Mit anderen Worten: Die IAG will Air Europa nicht mehr kaufen. Der Eigentümer der spanischen Fluggesellschaft, Globalia, bestätigte ebenfalls, dass man über den Vertragsrücktritt der IAG verhandelt.
Es gab bereits in den letzten Wochen immer wieder Gerüchte, dass die Übernahme der Air Europa durch die Iberia-Mutter IAG platzen könnte. Dass an diesen mehr dran war als damals offiziell zugegeben zeigen auch ein paar wenige Worte in der kurzen, gemeinsamen Erklärung: Die Gespräche sollen sich in einem „fortgeschrittenen Status“ befinden. Nach Abschluss der Verhandlungen sollen weitere Informationen verkündet werden.
Ursprünglich hätte die International Airlines Group den Mitbewerber Air Europa für rund eine Milliarde Euro gekauft. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Kaufpreis neu verhandelt und auf etwa 500 Millionen Euro gesenkt. Es gab bereits von Anfang an ernsthafte Bedenken, dass die EU-Wettbewerbshüter einen Strich durch die Rechnung machen könnten, denn Iberia, Air Europa und Vueling hätten gemeinsam eine fast monopolartige Stellung auf dem spanischen Markt, insbesondere auf der Langstrecke.
EU-Kommission hatte Bedenken angemeldet
Es kam wie es kommen musste: Im Juni 2021 teilte die EU-Kommission den Vertragspartnern Globalia und IAG mit, dass man ernsthafte wettbewerbsrechtliche Bedenken hat und eine vertiefte Prüfung einleiten wird. Freiwillige Slotabgaben an Konkurrenten wie Volotea waren der Behörde nicht genug. Die Zugeständnisse, die die International Airlines Group machen müsste, um grünes Licht für den Deal zu bekommen, sind dermaßen umfangreich, dass durch die Übernahme der Air Europa kein Vorteil für die Firmengruppe entstehen würde.
Während die International Airlines Group das Platzen des Deals wohl leicht verkraften kann, denn im Falle des Scheiterns müssten maximal 40 Millionen Euro Vertragsstrafe an Globalia bezahlt werden, dürfte es für Air Europe komplizierter werden. Die Verhandlungen zwischen den beiden Vertragsparteien dürften sich in erster Linie über die Höhe der Entschädigung belaufen, denn es liegt in der Natur der Sache, dass die IAG so wenig wie möglich bezahlen will und Globalia so viel wie möglich bekommen möchte.
Air Europa gilt zwar nicht als akut gefährdet, aber im Detail gibt es dann doch zahlreiche Fragen, die viele Fragezeichen über der Zukunft des spanischen Carriers erscheinen lassen. Die seitens der Regierung direkt und über den Sepi-Fonds gewährten Staatshilfen waren auch explizit an die Übernahme durch die IAG und den anschließenden Zusammenschluss mit Iberia geknüpft. Es ist völlig offen, ob die spanische Regierung aufgrund des Platzens des Deals das Geld zurückfordert oder aber Globalia bzw. Air Europa weiter unterstützt und damit standalone in der Luft hält.
Theoretisch könnte Lufthansa ein Schnäppchen machen
Es gilt als wahrscheinlich, dass der spanische Carrier zunächst alleine weiterfliegen wird, jedoch Eigentümer Globalia sehr bald auf die Suche nach einem neuen Käufer oder zumindest nach einem Partner gehen wird. Wer hierfür in Frage kommt? Schwer einzuschätzen, denn auch wenn es viele Vorzeichen gab, dass die Übernahme durch die IAG nie erfolgen wird, gingen viele in der Branche davon aus, dass die International Airlines Group bzw. die spanische Regierung den Deal schon irgendwie in Brüssel durchbringen werden. Rein theoretisch könnte nun Lufthansa zuschlagen, denn durch die Umschuldung der Staatshilfe auf normale Kapitalmarkt-Anleihen ist man auch das von der EU-Kommission auferlegte Zukaufsverbot wieder los geworden. Ob der Kranich überhaupt Interesse an Air Europa hat, steht auf einem anderen Blatt. In Zeiten wie diesen sind seriöse und finanziell potente Käufer Mangelware und deswegen wird es für Globalia schwierig einen Partner oder Käufer mit dem notwendigen Kleingeld zu finden. In der Theorie könnte zum Beispiel Lufthansa ein Schnäppchen machen, denn billiger als die 500 Millionen Euro, die die IAG bezahlt hätte, wird es in jedem Fall werden. Wer will schon mehr bezahlen als ein abgesprungener Käufer geboten hatte?