In Brandenburg sorgen Biber seit Jahren für Spannungen zwischen Natur- und Wirtschaftsschutz. Insbesondere am Hauptstadtflughafen BER (Berlin Brandenburg Airport) hat der europäische Biber sich als Problemtier herausgestellt. Durch seine Tunnelsysteme und Dämme beeinträchtigt der Nager die Drainagesysteme, die zur Ableitung von Regenwasser dringend benötigt werden.
Nun hat der Landkreis Dahme-Spreewald eine Allgemeinverfügung erlassen, die es dem Wasser- und Bodenverband „Dahme-Notte“ erlaubt, die Biber am sogenannten Selchower Flutgraben abzuschiessen oder zu vertreiben. Diese Verfügung, gültig bis März nächsten Jahres, könnte ein bedeutendes Kapitel im Konflikt zwischen Tier- und Wirtschaftsschutz in der Region Brandenburg einläuten.
Der Konflikt am BER und die wirtschaftlichen Interessen
Der Selchower Flutgraben ist eine zentrale Komponente im Wassermanagement des BER, da er das anfallende Niederschlagswasser abführt. Der Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen schreibt sogar vor, daß mindestens zwei Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch diesen Graben abgeleitet werden müssen. Diese Maßnahme ist nötig, um den Flugbetrieb am BER auch bei schweren Regenfällen oder anderen Niederschlagsereignissen sicherzustellen. Biber, die die Wasserläufe durch ihre Bauten verändern, beeinträchtigen jedoch diesen Abfluß, was zu erheblichen Rückstauungen führen kann und das wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Funktionieren des Flughafens gefährdet.
Laut Sprecherin des Landkreises Dahme-Spreewald könnte dies schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben. Um den Flugbetrieb zu sichern und mögliche Schäden an Infrastruktur und Verkehrsflächen zu verhindern, wurde daher die Entscheidung getroffen, die Tiere in dem relevanten Bereich zu „entnehmen“, sprich zu vergrämen oder zu töten.
Schutzstatus des Bibers und die Brandenburgische Biberverordnung
Der europäische Biber steht in Deutschland grundsätzlich unter Artenschutz und gilt laut Bundesnaturschutzgesetz als besonders geschützt. Er wurde in den letzten Jahrzehnten erfolgreich wiederangesiedelt und zählt heute in Brandenburg zu einer stabilen Population. Dank gezielter Artenschutzmaßnahmen hat sich die Anzahl der Biber in der Region Brandenburg stark erhöht. Laut den Landesbehörden lebt ein Großteil der Population entlang der Flüsse Oder und Spree. Doch obwohl der Biber als geschützte Art gilt, räumt die sogenannte Biberverordnung des Landes Brandenburg im Ausnahmefall auch den Abschuß ein, wenn gravierende Schäden an wichtigen Bauwerken oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit drohen. Zuletzt kam diese Regelung beim Oder-Hochwasser zur Anwendung, als Biberbauten die Stabilität der Deiche gefährdeten.
Die Entscheidung am BER, die Biber zu entfernen, basiert auf dieser Verordnung und ist durch eine Allgemeinverfügung abgesichert. Kritiker befürchten jedoch, daß diese Ausnahmegenehmigung allzu leichtfertig angewendet wird, wodurch der Schutzstatus des Bibers ad absurdum geführt werde. Der NABU Brandenburg weist darauf hin, daß Konflikte zwischen Biberpopulationen und Infrastrukturprojekten nicht nur am BER, sondern auch in anderen Teilen des Landes auftreten und stellt die Frage, ob der Abschuß immer die einzige Lösung sein muß.
Stimmen und Perspektiven: Die Umweltverbände und der Landkreis
Der Landkreis Dahme-Spreewald und Vertreter des BER betonen, daß die Entscheidung, Biber zu entnehmen, nicht leichtfertig getroffen wurde. Die naturschutzrechtlichen Auflagen für den Flughafen Berlin Brandenburg wurden genauestens geprüft. Es seien alle Maßnahmen in Erwägung gezogen worden, um die wirtschaftlichen Interessen des Flughafens und die naturschutzrechtlichen Anforderungen miteinander zu vereinbaren. Da der Selchower Flutgraben eine Schlüsselrolle bei der Regenwasserbewältigung spielt, sahen die Behörden letztlich keine Alternative zur geplanten „Entnahme“.
Gegensätzliche Stimmen kommen aus den Reihen der Umwelt- und Tierschutzorganisationen, die den Fall als Beweis für die Schwächen im aktuellen Umgang mit bedrohten Arten sehen. Umweltverbände wie der NABU Brandenburg und der WWF Deutschland sprechen sich gegen den Abschuß der Biber aus und fordern stattdessen eine verstärkte Umsetzung naturschonender Alternativen, etwa durch Umbaumaßnahmen an Wasserableitungen, um Überschwemmungen zu verhindern. „Wir sehen eine zunehmende Neigung, ökonomische Interessen vor den Artenschutz zu stellen“, so ein Sprecher des NABU. Zudem verweist der Verband darauf, daß Biberlebensräume nicht ohne weiteres künstlich ersetzt werden können und eine nachhaltige Koexistenz von Tier und Mensch angestrebt werden sollte.
Ein Dilemma zwischen Naturschutz und Infrastruktur
Dieser Fall am BER wirft ein Schlaglicht auf das Dilemma, das der Naturschutz in einer zunehmend urbanisierten und infrastrukturell erschlossenen Welt darstellt. Die Konfrontation zwischen einem Tier, das durch seine Lebensweise Wasserläufe beeinflußt, und einem Flughafen, der auf stabile Wasserregulierung angewiesen ist, steht exemplarisch für die Konflikte, die in der modernen Umweltpolitik häufiger auftreten. In den nächsten Jahren ist zu erwarten, daß Fälle wie dieser häufiger werden, besonders in Brandenburg, das durch seine weitreichenden Flussläufe und Auenlandschaften als idealer Lebensraum für Biber gilt.
Die Kontroverse um die Abschüsse am BER zeigt, wie notwendig es ist, innovative Lösungen für die harmonische Koexistenz von Mensch und Natur zu entwickeln. Die Frage bleibt, ob die Abschußverordnung des Landes Brandenburg in Zukunft strenger ausgelegt wird oder ob alternative Ansätze, wie etwa naturnahe Renaturierungsmaßnahmen und der gezielte Einsatz von Vergrämungsmaßnahmen, vermehrt Einzug in die Regelungen finden werden.
Ein Konflikt, der Brandenburg spaltet
Das Vorgehen gegen den Biber am BER ist mehr als nur eine Frage des Tier- oder Artenschutzes. Es verdeutlicht die vielschichtigen Herausforderungen, die mit der zunehmenden Industrialisierung von Naturlandschaften einhergehen.
Die Einigung zwischen Tier- und Umweltschutz auf der einen Seite und den wirtschaftlichen Interessen auf der anderen bleibt auch in Brandenburg eine heikle Aufgabe. Wie der Fall am BER zeigt, wird der Schutzstatus des Bibers dann zum Problem, wenn das Tier die menschlichen Interessen empfindlich stört. Solange keine alternativen und umweltschonenden Lösungen gefunden werden, dürfte der Konflikt zwischen Mensch und Biber weiterhin bestehen bleiben.