Was haben die deutschen Flughäfen in Nürnberg, Münster-Osnabrück, Erfurt und Rostock-Laage gemeinsam? Im vergangenen Jahrzehnt musste äußerst schmerzhaft zunächst der Wegfall von Air Berlin und keine 1,5 Jahre später von Germania verkraftet werden, beide zu ihrer Zeit der lokale “Big Player”. Nach den Insolvenzen waren die Filetstücke schnell verteilt, während insbesondere die Flughäfen aus der zweiten Reihe dringend nach Ersatz suchen mussten. Inzwischen haben die oben genannten Flughäfen im laufenden Winterflugplan wieder eines gemeinsam: eine maltesische Charterairline – die „Corendon Airlines Europe“.
Diese ist Ableger der türkischen Corendon Airlines und an allen vier Flughäfen entweder stark vertreten oder sogar Monopolist. Doch wer ist dieser (derzeit) reine Boeing-737 Betreiber, welcher mit dem Slogan “Your Holiday Airline” in den auffälligen Farben blau, weiß und gelb wirbt? 2017 wurde die zu diesem Zeitpunkt zweite Tochterfirma der Corendon Airlines, nach der Gründung der niederländischen Chartertochter, mit offiziellem Firmensitz auf der bezaubernden Mittelmeerinsel Malta aus der Taufe gehoben. Nach eigener Aussage betreibt die Corendon Airlines aktuell auf drei AOC’s 27 Flugzeuge vom Typ 737, davon 26 vom Typ 737-800 und eine 737-Max8. Vier weitere 737-Max warten in den USA auf Ihre Auslieferung, wovon auch eine Maschine als „9H-MAX“ die maltesische Corendon erweitern soll. Zeit die Airline, welche im kommenden Sommer 2022 ab 26 Flughäfen aus Deutschland , Österreich und der Schweiz in den Süden fliegen will, ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.
Anreise
Der Flughafen Hannover ist einer der wenigen deutschen Flughäfen, welcher einen genehmigten 24-Stunden-Flugbetrieb durchführt. Im DACH-Gebiet ist er direkt an die Drehkreuze Frankfurt und München angeschlossen, Wien und Zürich sind ebenfalls Non-Stop erreichbar. Auf dem Landweg ist eine Anbindung per Schiene an die S-Bahn-Linie S5 gegeben, welche 24 Stunden täglich die Endstation Flughafen mit dem Hannoveraner Hauptbahnhof und der City in lediglich rund 15 Minuten Fahrzeit verbindet und daher auch meine erste Wahl zur Anreise war.
Check-In
Für mein gebuchtes Ticket im Flex-Tarif hatte ich sowohl die Möglichkeit des vorherigen Online- als auch des Flughafen-Check-Ins. Ich entschied mich für eine gute Stunde Schlaf mehr, also die entspannte Variante am Vorabend von zu Hause aus. Meine Wahl fiel auf einen Sitz im vorderen Drittel der Maschine und ich konnte bereits der Seatmap entnehmen, dass nur wenige Sitze zu diesem Zeitpunkt reserviert oder bereits vergeben waren. Daher erwartete ich keinen ausgebuchten Flug. Ein anschließender Blick in die Buchungsmaske bestätigte diesen Eindruck, da ich weniger als 24 Stunden vor Abflug für gerade einmal 50 Euro eine Neubuchungen hätte vornehmen können. Der Online Check-In verlief schnell und reibungslos.
Nach der Eingabe der Passdaten wurde bereits die Bordkarte erstellt, ein vorheriges Hochladen von einem Testergebnis oder einer Corona Impfungen war nicht möglich und wurde erst am Flughafen in Hannover beim Boarding kontrolliert. Als ich am Abreisetag knapp eine Stunde vor Abflug am Check-In-Schalter im Bereich „C“ des Flughafens Hannover-Langenhagen erschien, um mein Gepäck aufzugeben, war nur ein Schalter geöffnet. Da lediglich 3 mitreisende vor mir in der „Warteschlange“ standen, war die Gepäckaufgabe dennoch binnen weniger als 5 Minuten zügig und freundlich erledigt.
Boarding
Das Boarding an diesem Tag verlief über ein (Bus-) Gate im Untergeschoss. Auf dem Vorfeld wartete bereits mit der Boeing 737-800 9H-TJF der derzeit aktuellste Flottenzugang, eine knapp 13 Jahre junge Maschine. Die „Juliette-Fox“, welche ab Werk 2008 an die indische „Jet Airways“ ausgeliefert worden war und nach deren Insolvenz zur direkten Konkurrenz „SpiceJet“ wechselte, fand erst Ende September 2021 ihren Weg ins maltesische Register und damit zu Corendon Europe.
Für den Non-Stop-Flug nach Fuerteventura befanden sich an diesem kalten Wintertag lediglich 58 Fluggäste an Bord, womit der 189-sitzige Jet lediglich zu rund einem Drittel belegt war und ausreichend Platz zur Verfügung stand. Die Crew begrüßte freundlich und mehrsprachig die Gäste an der vorderen Flugzeugtür, Desinfektionsmittel oder ähnliches wurde hierbei nicht ausgegeben.
Da sämtliche Passagiere in einem vollbesetzten Bus zum Flugzeug gebracht worden waren und lediglich eine Treppe an die vordere Tür herangefahren war, sollte der gesamte Boarding-Prozess keine 5 Minuten dauern. Überpünktlich wurde auch die letzte Flugzeugtür geschlossen, als sich der Kapitän mit einer deutschsprachigen Ansage meldete und eine Flugzeit von rund 4 Stunden und 20 Minuten an diesem Tag verkündete.
Sitz
Die Kategorien „Sitz“ sowie „Entertainment“ lassen sich ein wenig schwieriger beurteilen, da Corendon durch den Zukauf von Maschinen ganz offenbar verschiedene Sitzmodelle im Programm hat. Da lediglich eine Momentaufnahme möglich ist, sei erwähnt, dass die „TJF“ in Ihrer All-Economy-Bestuhlung hellblaue, sehr dünne Ledersitze erhalten hat. Alle Armlehnen, auch am Gang sowie am Fenster, lassen sich hierbei nach oben stellen, auch eine kleine Recline-Funktion war gegeben. Elektro/USB-Anschlüsse sucht man allerdings vergeblich.
Flug (inkl. Verpflegung)
Der Flug verlief ruhig, unspektakulär und pünktlich. Da die an diesem Tag eingesetzte Boeing 737 über keinerlei AirShow oder Monitore verfügte, erfolgten vom deutschsprachigen Cockpit im Laufe des Fluges 3 Ansagen mit Details zum tagesaktuellen Flugverlauf. Der mehrfach durchgeführte Bordservice (größtenteils in englischer Sprache) erfolgte freundlich und aufmerksam, aber nicht aufdringlich. Auf Anfrage hatte die Crew eine gedruckte Menükarte dabei, da diese coronabedingt, wie bei den meisten Airlines derzeit, nicht ausgesteckt ist. Das Corendon „FlyBistro“ (siehe Slideshow) beinhaltet eine Reihe warmer und kalter Snacks. Auf einigen Flügen wird hierbei auch zum Preis von 7€ Döner angeboten, dieser war auf dem Flug von Hannover nach Fuerteventura allerdings, wie die meisten aufgeführten Essen, nicht verfügbar.
Die Preise für Softgetränke liegen bei 2-3€. So wird ein „Capri-Sun“-Trinkpäckchen ab 2€ angeboten, Wasser ist ab 2,50€ erhältlich, Kaffee, schwarzer Tee oder weitere Softgetränke wie Cola, Fanta etc. sind für 3€ an Bord erhältlich. Daneben ist eine Auswahl an süßen und salzigen Snacks sowie alkoholischer Getränke auf den Flügen verfügbar. Als Besonderheit sei noch zu erwähnen, dass Corendon ausschließlich Barzahlungen auf dem Flug akzeptierte.
Entertainment (inkl. Wifi)
Auf der am Testtag eingesetzten Maschine war keinerlei Entertainment vorhanden. Dieses sollte besser vorab auf dem eigenen elektronischen Endgerät mitgenommen werden oder man nutzt die Flugzeit einfach für ein wenig „Detox“-Zeit und ganz klassisch zum Lesen eines guten Buches oder Reiseführers. Da auch keinerlei Tageszeitungen / Magazine oder ähnliches zur Verfügung standen, weder digital noch gedruckt, liegt die Vorbereitung auch hier persönlich bei jedem Einzelnen vor dem Flug.
Tarife / Preis(e):
Corendon bietet regulär drei verschiedene Tarife an, die sich somit an das derzeit gängige (Light / Classic / Flex) – System anlehnen. Im Zuge einer Promotion vor einigen Wochen, in welcher zum Teil Tickets zum Netto-Flugpreis von nur einem Euro (plus Steuern und Gebühren) angeboten worden waren, wurden die drei Basistarife um einen vierten mit dem Namen „Promo“ ergänzt. Dieser beinhaltet nichts, außer einer kleinen Handtasche und einem maximalen Gewicht von 3 Kilo. Dieser Tarif wird allerdings, wie erwähnt, standardmäßig nicht angeboten. Hierbei stehen lediglich die drei im folgenden aufgeführten Tarife zur Wahl.
Der „Economy-Tarif“ beinhaltet ein großes Handgepäck von maximal 8 Kilo sowie einen zusätzlichen persönlichen Gegenstand, wie eine Hand- oder Laptoptasche zu maximal 3 Kilo. Neben dem nicht inkludierten Aufgabegepäck ist auch der Check-In am Flughafen bei einer Buchung über die Corendon Homepage in diesem Tarif nicht inklusive und der vorherige Online Check-In verpflichtend. Die Sitzplatzreservierung ist ebenfalls kostenpflichtig.
Das bei Corendon als „Flex-Tarif“ bezeichnete Produkt entspricht den gängigen „Classic“ Tarifen und enthält neben einer kostenfreien Sitzplatzreservierung für Standard-Sitze (die Sitzreihen 18-33 hinter dem Notausgang) auch ein Aufgabegepäck von 23 Kilogramm sowie den kostenfreien Check-In am Flughafen. Sowohl das größere als auch das kleinere Handgepäcksstück sind ebenfalls inkludiert.
Im als „Premium-Tarif“ bezeichneten Produkt erhöht sich das Freigepäck auf 32 Kilo. Weiterhin inkludiert der Carrier in diesen Tarif zahlreiche Leistungen, wobei diese abhängig von der Verfügbarkeit angeboten werden. So sind beispielsweise ein „Priority-Package“ mit Priority Boarding inklusive sowie ausgewähltes Catering an Bord. Eine Sitzplatzreservierung kann im gesamten Flieger kostenfrei vorgenommen werden, mit Ausnahme der ersten Reihe sowie der Overwing-Reihen. Für diese Sitzreihen muss in ALLEN Tarifen extra und kostenpflichtig reserviert werden. Für meinen Flug entschied ich mich für den mittleren Tarif „Flex“, welcher mich zum Zeitpunkt meiner Buchung knapp 70 Euro One-Way kostete.
Fazit des Autors:
Corendon Airlines Europe hat meiner Ansicht nach eine nicht zu unterschätzende Baustelle im DACH-Gebiet: die weitgehend unscheinbare Marke. Abseits des Türkeigeschäftes sowie der stark verwurzelten niederländischen Tochter ist die Marke der breiten Masse hierzulande weiterhin recht unbekannt. Mit ständig neuen Rabatt-Aktionen auf der Homepage versucht die Airline in diesem Winter offenbar zumindest die Auslastung zu erhöhen und im schwachen Winterhalbjahr ein wenig zusätzliches Geld einzusammeln.
Verstecken braucht sich Corendon mit dem angebotenen, branchenüblichen europäischen Mittelstrecken-Produkt keinesfalls. Dieses ist als absolut solide zu beschreiben, weist allerdings auch keinerlei Alleinstellungsmerkmal auf. Der mit Abstand größte Pluspunkt ist die breite Masse an Abflughäfen im DACH-Gebiet, so dass quasi immer ein Abflughafen in nächster Nähe erreichbar ist. Die Preise des F&B-Angebotes sind konkurrenzfähig und relativ vielfältig und an Bord fand auch keinerlei übertriebene “Verkaufsshow” statt.
Sollte die Airline in Zukunft konsequent an ihrer Markenbekanntheit arbeiten und dabei auch auf zeitgemäße Services wie eine Applikation / App setzen, sehe ich hier durchaus Potenzial, sich eine eigene „Fan-Base“ aufzubauen. Dies sollte auch in den weniger umkämpften Regionalmärkten möglich sein, wo immer noch die „Mund-zu-Mund-Propaganda“ nicht zu unterschätzen ist.
Für eine Vielzahl an Flughäfen aus der 2ten oder 3ten Reihe ist Corendon aber vor allem eines: der weiß-rote Heilsbringer, welcher einen sehr stabilen und auch verlässlichen Flugplan an Nonstop-Flügen “von der Haustür aus” anbietet. Auch bei saisonbedingten niedrigeren Loads derzeit fliegt Corendon das angebotene Programm sauber und verlässlich. Wie viele andere Carrier auch, wurde dass Programm für die schwachen Monate Januar/Februar allerdings wurde wenigen Wochen angepasst und reduziert, was auch durchaus legitim ist. Wer abseits der großen Drehkreuze einen Carrier für den nächsten Flug ans Mittelmeer sucht, findet in Corendon eine durchaus buchbare Alternative.
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