Die deutsche Luftverkehrsbranche sieht sich weiterhin mit erheblichen strukturellen Herausforderungen konfrontiert und richtet daher einen dringlichen Appell an die neue Bundesregierung, bestehend aus Union und SPD. Joachim Lang, der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), äußerte in Nürnberg die Erwartung, daß politische Maßnahmen ergriffen werden, um den Standort Deutschland im internationalen Vergleich wieder attraktiver zu gestalten.
Insbesondere im europäischen Kontext hinkt der deutsche Luftverkehr dem Erholungsniveau anderer Länder hinterher. Die Branche fordert daher substanzielle finanzielle Entlastungen, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und einer weiteren Abwanderung von Kapazitäten entgegenzuwirken.
Kernforderungen des BDL: Abschaffung der Luftverkehrssteuer und Kostensenkungen
Im Zentrum der Forderungen des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft an die Bundesregierung steht die vollständige Abschaffung der Luftverkehrssteuer. Diese Steuer, die im Jahre 2011 eingeführt wurde, belastet jeden Abflug von einem deutschen Flughafen mit einem zusätzlichen Entgelt, dessen Höhe von der Entfernung des Zielortes abhängt. Ursprünglich als Beitrag zur Konsolidierung des Staatshaushaltes und zur Finanzierung anderer politischer Ziele gedacht, wird sie von der Luftverkehrsbranche seit langem als wettbewerbsverzerrendes Element kritisiert. Alternativ zur vollständigen Abschaffung fordert der BDL eine deutliche Reduzierung dieser Steuerlast. Darüber hinaus verlangt der Verband geringere Kosten für Luftsicherheit und Flugsicherung, da diese Gebühren in Deutschland im europäischen Vergleich als überdurchschnittlich hoch angesehen werden. Die Luftsicherheitskosten werden beispielsweise durch behördliche Auflagen und die Finanzierung des Sicherheitspersonals bestimmt, während die Flugsicherungsgebühren von der Deutschen Flugsicherung (DFS) für die Dienstleistungen im deutschen Luftraum erhoben werden. Eine Senkung dieser Posten würde die Betriebskosten der Fluggesellschaften an deutschen Standorten spürbar reduzieren und diese wieder attraktiver machen.
Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich: Ein besorgniserregender Rückstand und die Gründe dafür
Die Daten zur Entwicklung des Luftverkehrs zeichnen ein klares Bild des deutschen Rückstandes. Während der gesamteuropäische Luftverkehr das Niveau von 2019, dem letzten Jahr vor der globalen Pandemie, bereits wieder knapp übertroffen hat, werden bei Flügen von und nach Deutschland derzeit lediglich 86 Prozent der Sitzplatzkapazitäten des Vorkrisenniveaus angeboten. Dieser deutliche Unterschied ist für die Branche ein Alarmsignal. Der BDL beobachtet mit Sorge, daß Fluggesellschaften angesichts der hohen Betriebskosten in Deutschland vermehrt dazu übergehen, Flugzeuge und damit Kapazitäten an günstigere Standorte innerhalb Europas zu verlagern. Dies betrifft nicht nur die etablierten großen Drehkreuze, sondern auch regionale Flugverbindungen, die für die Anbindung der deutschen Wirtschaft an internationale Märkte von Bedeutung sind.
Ursächlich für diese Entwicklung sind neben der Luftverkehrssteuer auch weitere Faktoren wie höhere Personal- und Energiekosten, spezifische deutsche Arbeitsmarktbedingungen sowie vergleichsweise hohe Flughafen- und Handling-Gebühren. Andere europäische Länder, etwa in Südeuropa oder teilweise in Osteuropa, bieten oft günstigere Rahmenbedingungen, was zu einer Abwanderung von Strecken und damit von Wertschöpfung führt. Fluggesellschaften sind gezwungen, ihre Flotten und Routen dort einzusetzen, wo sie am profitabelsten sind. Wenn Deutschland hier nicht wettbewerbsfähig ist, verlieren nicht nur die Flughäfen, sondern auch Tourismus, Wirtschaft und Arbeitsplätze. Dieser Trend macht sich auch an regionalen Flughäfen bemerkbar, wie Michael Hupe, Geschäftsführer des Albrecht Dürer Airports in Nürnberg, betonte.
Regionale Auswirkungen und die Rolle des Flughafens Nürnberg: Lokale Erholung im Schatten nationaler Probleme
Der Albrecht Dürer Airport in Nürnberg verzeichnete im Jahr 2024 zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder mehr als 4 Millionen Passagiere. Mit dem anhaltend starken Reiseverkehr, insbesondere zu klassischen Urlaubsdestinationen, erwartet der Flughafen bis zum Jahresende sogar über 4,3 Millionen Passagiere. Diese positive Entwicklung auf regionaler Ebene ist zwar erfreulich und zeigt die Resilienz des Reisebedürfnisses, steht jedoch im Kontrast zur schleppenden Erholung des Gesamtmarktes in Deutschland. Die lokalen Erfolge regionaler Flughäfen können die systemischen Herausforderungen des deutschen Luftverkehrsstandortes nicht aufwiegen.
Regionale Flughäfen wie Nürnberg sind von entscheidender Bedeutung für die Konnektivität der jeweiligen Regionen, sowohl für Geschäftsreisende als auch für den Tourismus. Sie tragen maßgeblich zur regionalen Wirtschaft bei. Sollten Fluggesellschaften aufgrund der hohen Kosten in Deutschland weiterhin Kapazitäten abziehen, würde dies nicht nur die großen Drehkreuze, sondern auch die regionalen Anbindungen schwächen. Dies könnte langfristig zu einer Reduzierung des Flugangebotes, einer Verschlechterung der Erreichbarkeit und somit zu einem Wettbewerbsnachteil für die betroffenen Regionen führen. Die politische Debatte um die Zukunft des deutschen Luftverkehrs wird daher mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, da die Entscheidungen der neuen Bundesregierung weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaftslandschaft haben werden.