Der Landesflughafen aus der Vogelperspektive (Foto: Flughafen Stuttgart).
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Deutschland: Steigende Kosten und sinkende Wettbewerbsfähigkeit bedrohen den Flugverkehr

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Die deutsche Luftfahrtbranche befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Aufgrund stetig steigender Infrastrukturkosten, höherer Steuern und verschärfter klimapolitischer Vorgaben brechen tausende Flugverbindungen weg.

Besonders betroffen sind die Billigfluglinien Eurowings und Ryanair, die einen erheblichen Rückzug aus Deutschland planen. Während in anderen EU-Ländern das Fliegen deutlich günstiger bleibt, droht der deutsche Flugmarkt in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Gleichzeitig fordert die Opposition rasche Entlastungsmaßnahmen, während das Verkehrsministerium lediglich prüft, die künftigen Kostensteigerungen zumindest teilweise abzufedern. Diese Entwicklungen werfen Fragen nach der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der Zukunft des nationalen Luftverkehrs auf.

Starker Rückzug internationaler Fluglinien

Bereits im Jahr 2022 hat Easyjet ihr Flugangebot am Berliner Flughafen BER drastisch reduziert. In einer ersten Reaktion sah Eurowings darin eine Chance und kündigte eine massive Erweiterung ihres Angebots um fast 130 Prozent an. Diese Offensive, die im März 2023 begann, sollte die Lücke füllen, die Easyjet hinterlassen hatte. Doch nur ein Jahr später scheint auch Eurowings die zunehmenden Schwierigkeiten auf dem deutschen Markt zu spüren.

Ryanair, die führende Billigfluggesellschaft Europas, gab im September 2023 bekannt, zwei Flugzeuge vom Berliner Flughafen BER abzuziehen und ihr Deutschland-Netz um 1,8 Millionen Sitze zu verringern. Dies entspricht einer Reduktion von 12 Prozent des Angebots an deutschen Flughäfen. Insbesondere der Flughafen Hamburg ist stark betroffen, wo die Billigfluglinie Ryanair regelmäßig eine große Anzahl von Passagieren befördert hat. Doch auch Eurowings, die 2023 noch die Marktchancen in Deutschland suchte, verkündete nun, im Jahr 2025 rund 1.000 Flüge ab Hamburg zu streichen.

Die Ursachen der Krise

Die Ursachen für den Rückzug der Fluggesellschaften aus Deutschland sind vielschichtig. Ein zentraler Faktor sind die stetig steigenden Infrastruktur- und Standortkosten. Eurowings betont, daß die „Box Steuern und Entgelte“ auf bestimmten innerdeutschen Strecken bereits über 50 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Dies bedeutet, daß die Ticketpreise, die den Marktbedingungen entsprechen, kaum noch kostendeckend sind. Insbesondere bei innereuropäischen Verbindungen sehen die Airlines, daß sie außerhalb Deutschlands mit deutlich günstigeren Kostenstrukturen operieren können. Dies führt dazu, daß Fluggesellschaften wie Eurowings zunehmend ihr Angebot im Ausland ausbauen und Deutschland zugunsten anderer EU-Länder vernachlässigen.

Ein weiteres Problem sind die „einseitigen klimapolitischen Vorgaben“, wie sie von Lufthansa-Chef Carsten Spohr kritisiert werden. Während Klimaschutz im gesamten EU-Raum eine zentrale Rolle spielt, ist die deutsche Luftfahrtindustrie besonders stark durch steuerliche Maßnahmen belastet. Die Anhebung der Ticketsteuer im Jahr 2023, die nur mit wenigen Wochen Vorlauf beschlossen wurde, hat die ohnehin angespannte Situation weiter verschärft. Die Luftfahrtbranche sieht sich daher nicht nur mit steigenden Betriebskosten konfrontiert, sondern auch mit einer massiven Steuerlast, die den Wettbewerb mit anderen Ländern erschwert.

Einbruch des innerdeutschen Flugmarktes

Besonders dramatisch wirkt sich diese Entwicklung auf den innerdeutschen Flugverkehr aus. Laut Carsten Spohr ist das Inlandsflugnetz außerhalb der großen Drehkreuze Frankfurt und München auf nur noch 25 Prozent des Vorkrisenniveaus geschrumpft. Dies ist ein erheblicher Rückgang, der die Erreichbarkeit von Städten und Regionen in Deutschland massiv beeinträchtigt. Flugverbindungen zwischen mittelgroßen Städten, wie die Strecke Hamburg-Köln/Bonn, die Eurowings 2025 einstellen will, werden immer seltener. Diese Wüstenbildung im innerdeutschen Flugnetz führt nicht nur zu einem Rückgang des Angebots, sondern auch zu höheren Ticketpreisen, da das verbleibende Angebot nicht mehr ausreicht, um die Nachfrage zu decken.

Auch die traditionsreiche Strecke Düsseldorf-Berlin wird während der Weihnachtszeit 2023/2024 brachliegen. Eurowings erklärte, daß sie aufgrund eines zu geringen Geschäftsreiseaufkommens keine Flüge auf dieser wichtigen Strecke anbieten werde. Für Selbstzahler, die während der Feiertage fliegen möchten, seien zudem temporäre Preisaufschläge kaum durchsetzbar. Diese Entwicklungen sind symptomatisch für den allgemeinen Rückgang des innerdeutschen Flugverkehrs, der von Jahr zu Jahr dramatischer wird.

Politische Reaktionen und Lösungsansätze

Angesichts der prekären Lage der deutschen Luftfahrtindustrie werden die Forderungen nach politischen Entlastungsmaßnahmen immer lauter. Der CDU-Verkehrspolitiker Christoph Ploß warnt vor dem Verlust tausender Arbeitsplätze, sollte die Anhebung der Ticketsteuer nicht korrigiert werden. Seiner Meinung nach sei Deutschland unter der Führung der Ampelkoalition international nicht mehr wettbewerbsfähig. Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit, dringend politische Maßnahmen zu ergreifen, um den deutschen Flugmarkt vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren.

Das FDP-geführte Verkehrsministerium unter Volker Wissing gibt jedoch nur verhaltene Antworten auf diese Forderungen. Zwar erkennt es die Kostensteigerungen an, verweist jedoch darauf, daß ähnliche Entwicklungen auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten seien. Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit werde zumindest geprüft, ob die turnusmäßige Erhöhung der Flugsicherheitsgebühren im Jahr 2025 abgemildert werden könne. Diese Gebühren sollen um 50 Prozent steigen, was die ohnehin angespannte Lage der Fluggesellschaften weiter verschärfen könnte.

Ein Blick in die Zukunft: Quo vadis, deutscher Luftverkehr?

Die derzeitige Krise des deutschen Luftverkehrs wirft grundlegende Fragen zur Zukunft der Branche auf. Lufthansa-Chef Spohr kündigte bereits an, daß der Konzern seine Abhängigkeit vom deutschen Markt verringern wolle. Von den rund 800 Flugzeugen, die Lufthansa betreibt, fliegt heute bereits fast die Hälfte außerhalb Deutschlands, Tendenz steigend. Diese Verschiebung des Flugangebots in Richtung europäisches Ausland könnte zu einer weiteren Erosion des innerdeutschen Flugverkehrs führen.

Die Luftfahrt ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Wirtschaft und Mobilitätsinfrastruktur. Doch die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, daß der deutsche Flugmarkt ohne politische und wirtschaftliche Entlastungen kaum überlebensfähig ist. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Bundesregierung die drängenden Probleme der Branche erkennt und entsprechende Maßnahmen ergreift, um den Niedergang des innerdeutschen Flugverkehrs zu stoppen.

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