Gründe fürs Reisen gibt es viele: Urlaub, Geschäfte, Kuren, Pilgerfahrten, Familienbesuche und natürlich auch Geburtstage. Und genauso so ein Reiseanlass, zumindest für einige, ist heute am 28. August 2024: Goethes 275. Geburtstag (geboren 1749).

Der wird gleich an mehreren Orten gefeiert: In Frankfurt wird im Geburtshaus des Dichters eine Party mit Musik, Lesungen und Small Talk veranstaltet. In Weimar, seinem langjährigen Aufenthaltsort im heutigen Thüringen und natürlich auch in der Casa di Goethe in Rom, dem Hauptziel seiner Italienreise von September 1786 bis Mai 1788, wird ebenfalls gefeiert.

Zwei Jahre Italien mit Jobgarantie

Das Haus in der Via del Corso, in dem Goethe während seines Rom – Aufenthaltes gewohnt hat, ist heute ein Museum. Auch dort wird der „compleanno di Goethe“ mit einer Lesung aus „Die Leiden des jungen Werthers“, erschienen vor 250 Jahren, und natürlich mit einigen Gläsern Prosecco gebührend begangen.

Um diese Italienreise beneiden viele Menschen Goethe auch heute noch: Ab September 1786 auf Kultururlaub ganz Italien bereisen, davor noch in Karlsbad kuren, also fast zwei Jahre weg sein, und das mit fortlaufenden Bezügen und Jobgarantie von seinem Chef, dem Herzog von Sachsen-Weimar, das wäre doch was!

Leider kam die Eisenbahn erst ungefähr 90 Jahre später nach Rom, dann wäre die Anreise etwas bequemer gewesen.

Auch in Weimar gibt’s eine große Party, die schon um 12 Uhr (die Geburtsstunde) beginnt und jede Menge Musik, Vorträge und Workshops in der ganzen Stadt bietet.

Der junge Superstar

Der traditionsreichste Ort der Feiern ist jedoch Frankfurt, der Geburtsort des Dichters. Ausnahmsweise stehen jetzt nicht die Banken und Versicherungen mit ihren protzigen Türmen im Mittelpunkt, sondern das sehenswerte, original wiederaufgebaute Goethe – Haus am Großen Hirschgraben, mit vielen Möbelstücken, die den Krieg dank umsichtiger geschützter Lagerung gut überstanden haben.

Heute um 19 Uhr trifft sich die Goethe Gemeinde aus Deutschland und halb Europa in dem schönen Fachwerkhaus, hört Werke von Mozart, Schubert und Mendelssohn-Bartholdy und wird im angrenzenden Romantik Museum durch die aktuelle Ausstellung anlässlich des 250. Jahrestages der Publikation von „Die Leiden des jungen Werthers“ geführt. Das Werk machte den jungen Goethe seinerzeit zum europäischen Superstar. Auch an Landschaftsmaler Caspar David Friedrich wird gedacht, er wäre heute stolze 250 Jahre. Goethe hatte ihn einst gefördert, sich später aber abwertend über seine Werke geäußert.

Haus und Garten sind wie einst von Kerzen beleuchtet, Harfenklänge versetzen die elegant gekleideten Gäste meist gesetzteren Alters in eine vergangene Zeit. Man trifft sich, parliert, trinkt Rheinwein, lässt den alten Herrn „hochleben“ und vergisst, dass draußen in der Welt nicht alles so ganz glatt läuft. Die Veranstaltung ist nur mit Einladung zugänglich.

Wie feierte Goethe im Jahr 1824?

Goethe selber hatte vor zweihundert Jahren absolut keine Lust, groß zu feiern. Der extrem peinliche Heiratsantrag des damals vierundsiebzigjährigen Witwers an die Neunzehnjährige Ulrike von Levetzow ein Jahr zuvor in Marienbad sorgte immer noch für Kopfschütteln. Zuhause in Weimar lief es bei der Ehe seines Sohnes August mit Ottilie (beide wohnten beim Vater) ziemlich unrund, was sich in ganz Weimar herumsprach. Goethe wurde vermutlich auch klar, dass seine Zeit sehr begrenzt sein würde. Er stürzte sich in Bearbeitung seiner Werke und interessierte sich für den gerade aufkommenden Eisenbahnbau, wohl nicht ahnend, was für eine enorme Revolution der Mobilität da gerade anstand.   

Auch ein Reiseanlass

Eine Reise zu einem 275. Geburtstag. Die Sache klingt irgendwie skurril, vor allem für Menschen, die nicht unbedingt ein Nahverhältnis zu Johann Wolfgang von Goethe haben. Mag schon sein, aber abgesehen von der kulturellen Bedeutung des Schriftstellers steckt da wie auch bei anderen Ereignissen schon ein gewisser Wirtschaftsimpuls dahinter. Natürlich ist das nicht zu vergleichen mit Messen oder Kongressen, aber immerhin: Die Geburtstage des wohl berühmtesten Frankfurters werden seit Jahrzehnten mit tausenden Gästen und Events an mehreren Orten in und um die Stadt begangen. Eine kleine Auswahl: Im Palmengarten wird Goethes Rolle als Botaniker beleuchtet, Kammermusik und Lesungen gibt´s im Willemerhäuschen, Restaurants bieten spezielle „Geburtstags-Menüs“, usw.

Auch im Goethe Museum im Schloss Jägerhof in Düsseldorf lädt man zu einem Gartenfest. Goethe war zwar nie dort, aber egal, das Schloss beherbergt die größte Goethe-Privatsammlung der Welt.

Wer weiß, vielleicht sitzen heute im ICE oder in den Fliegern nach Frankfurt neben den üblichen Geschäftsreisenden oder Umsteigern auch einige Literaturfreaks, die statt auf den Laptop in ein Werk Goethes schauen und in Frankfurt nicht nur das Flugzeug wechseln, sondern dortbleiben.

Dieser Beitrag wurde verfasst von: Mag. Wolfgang Ludwig.