Seit Jahrzehnten war die Kooperation zwischen Lufthansa und Condor ein unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Luftverkehrsmarktes. Nun jedoch droht ein bedeutsames Kapitel dieser Zusammenarbeit zu enden: Die Lufthansa plant, das sogenannte „Special Pro-Rate Agreement“ (SPA) mit Condor zum 27. Oktober 2024 auslaufen zu lassen.
Dies könnte weitreichende Konsequenzen für die Ferienfluggesellschaft Condor haben und wirft Fragen zur zukünftigen Wettbewerbslandschaft auf. Im Zentrum des Geschehens stehen wirtschaftliche und rechtliche Konflikte, in die auch das Bundeskartellamt sowie politische Akteure verwickelt sind.
Hintergrund des „Special Pro-Rate Agreement“ (SPA)
Das SPA ist eine spezielle Vereinbarung, die Condor über viele Jahre hinweg besondere Konditionen im Zubringerverkehr mit der Lufthansa gesichert hat. Konkret bedeutete dies, daß Passagiere, die beispielsweise mit Lufthansa zu einem größeren Drehkreuz wie Frankfurt flogen, von dort mit einem durchgängigen Ticket ihre Reise mit Condor fortsetzen konnten.
Diese Zusammenarbeit ermöglichte Condor, auf das umfassende Zubringernetz der Lufthansa zuzugreifen und profitierte dabei von günstigeren Tarifen für die Weiterbeförderung ihrer Passagiere. Solche Kooperationen sind in der Luftfahrtbranche gängig, um Reisenden eine nahtlose Verbindung zwischen verschiedenen Fluggesellschaften zu bieten. Mit der anstehenden Aufkündigung des Abkommens stehen nun jedoch erhebliche Veränderungen bevor.
Ein tiefgehender Konflikt zwischen Wettbewerbern
Schon 2021 kündigte Lufthansa das SPA einseitig, was zu einer ersten Eskalation zwischen den beiden Fluggesellschaften führte. Hintergrund war die Einführung der Lufthansa-eigenen Ferienfluggesellschaft Discover Airlines, die in direkter Konkurrenz zu Condor trat. Beide Airlines bieten Flüge von Frankfurt zu beliebten Urlaubsdestinationen an, weshalb sich der Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen verschärfte. Durch die Beendigung des SPAs könnte Lufthansa Condor nun bewusst schwächen, indem es die Zubringerkosten für Condor-Passagiere erhöht, was Condor einen erheblichen Wettbewerbsnachteil verschaffen würde.
Um diese Entwicklung zu verhindern, schaltete Condor das Bundeskartellamt ein, das schließlich Lufthansa zur Fortsetzung des Abkommens verpflichtete. Doch der Rechtsstreit fand mit einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im Mai 2024 eine Wende.
Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf: Ein Rückschlag für das Bundeskartellamt
Das OLG Düsseldorf setzte den Bescheid des Bundeskartellamts, der Lufthansa zur Fortführung des SPAs verpflichtete, außer Kraft. Die Richter äußerten „ernstliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Kartellbehörde. In ihrer Begründung wiesen sie auf eine mögliche Befangenheit des Bundeskartellamts hin. Laut dem Urteil sei das Verfahren „nicht unbeeinflußt von politischen Interessen“ gewesen, wobei offenbar das Bundeswirtschaftsministerium im Hintergrund eine Rolle spielte. Dieser Vorwurf der politischen Einflußnahme stellt einen schweren Schlag für das Ansehen des Bundeskartellamts dar.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt des Gerichts betraf die Abgrenzung der relevanten Märkte durch das Kartellamt. Während das Bundeskartellamt den Markt flugnetzbezogen abgrenzte, betonte das OLG, daß eine streckenbezogene Abgrenzung angebracht sei. Insbesondere auf innerdeutschen Strecken seien Bus und Bahn als alternative Verkehrsmittel ebenfalls in Betracht zu ziehen. Diese Sichtweise legt nahe, daß Condor nicht auf die Zubringerflüge der Lufthansa angewiesen sei, da es alternative Reisemöglichkeiten gebe, um Fluggäste an die größeren Drehkreuze zu bringen.
Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Verbraucher
Für Condor könnte das Ende des SPAs erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Ohne die Sonderkonditionen im Zubringerverkehr könnte es für Condor schwieriger werden, wettbewerbsfähige Preise anzubieten. Besonders auf Langstrecken, bei denen Reisende zunächst einen Zubringerflug benötigen, könnte Condor Marktanteile verlieren. Diese Entwicklung könnte dazu führen, daß Condor sich stärker auf Abflughäfen außerhalb von Frankfurt konzentrieren muß, um ihre Position im Markt zu halten.
Für die Lufthansa bietet das Ende des Abkommens hingegen eine Möglichkeit, die eigene Ferienfluggesellschaft Discover Airlines weiter zu stärken. Indem Condor von den Zubringern ausgeschlossen wird oder höhere Preise zahlen muß, könnte Discover Airlines Marktanteile gewinnen. Dies könnte auch Auswirkungen auf die Preisgestaltung für den Verbraucher haben, da weniger Konkurrenz in bestimmten Segmenten zu höheren Ticketpreisen führen könnte.
Offene Fragen und laufende Verhandlungen
Trotz der juristischen Auseinandersetzungen und der klaren Absicht der Lufthansa, das SPA auslaufen zu lassen, gibt es weiterhin Gespräche zwischen den beiden Fluggesellschaften. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, laufen derzeit Verhandlungen über eine mögliche außergerichtliche Einigung. Inwieweit diese Verhandlungen erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch klar, daß sowohl wirtschaftliche als auch rechtliche und politische Faktoren bei dieser Entscheidung eine Rolle spielen.
Ein Machtkampf im deutschen Luftverkehr
Das drohende Ende des SPAs zwischen Lufthansa und Condor ist weit mehr als ein interner Disput zwischen zwei Fluggesellschaften. Es ist ein Symbol für die zunehmende Konkurrenz auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt und den wachsenden Einfluß wirtschaftlicher Interessen. Während Lufthansa durch das Auslaufen des Abkommens ihre Marktposition stärken könnte, steht für Condor viel auf dem Spiel. Die juristischen Auseinandersetzungen und politischen Verstrickungen, die diesen Fall begleiten, werfen zudem Fragen zur Rolle des Bundeskartellamts und der Einflussnahme der Politik auf.
Für die Passagiere bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung auf Flugpreise und Verbindungen auswirkt. Klar ist jedoch, daß sich die Wettbewerbslandschaft im deutschen Luftverkehr in den kommenden Monaten erheblich verändern könnte.