Made in Austria: Aircraft-Upcycling im Steigflug

Ralph, tagsüber Kapitän auf A320 in ganz Europa unterwegs, nachts mit schwerem Atemschutz und Trennschleifer am Zerlegen von Flugzeugen.  (Foto: Aircrafttag).
Ralph, tagsüber Kapitän auf A320 in ganz Europa unterwegs, nachts mit schwerem Atemschutz und Trennschleifer am Zerlegen von Flugzeugen. (Foto: Aircrafttag).

Made in Austria: Aircraft-Upcycling im Steigflug

Ralph, tagsüber Kapitän auf A320 in ganz Europa unterwegs, nachts mit schwerem Atemschutz und Trennschleifer am Zerlegen von Flugzeugen. (Foto: Aircrafttag).
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Noch vor einigen Jahren hat sich kaum jemand Gedanken darüber gemacht was man aus einem ausgemusterten Produkt noch machen könnte. Ob Kleidungsstück, das nicht mehr gefällt oder ein in die Jahre gekommenes Flugzeug, Vieles wurde nicht wiederverwertet. Mittlerweile ist „Upcycling“ zu einem regelrechten Modetrend, der auch vor der Luftfahrt nicht Halt macht, geworden.

Die japanische Fluggesellschaft ANA löste einen Hype um simple Pantoffeln, die aus Sitzbezügen hergestellt wurden, aus. Trotz eines nicht gerade preiswerten Kaufpreises war die Nachfrage so groß, dass man erst in einem Gewinnspiel die Kaufrechte gewinnen musste. Gratis gab es die „Patschen“ nicht, denn man musste ausgelost werden, um diese überhaupt kaufen zu dürfen. Sicherlich ist dies ein extremes Beispiel, jedoch erfreuen sich Upcycling-Produkte aus der Luftfahrt generell immer größerer Beliebtheit.

Da in Verkehrsflugzeugen äußerst viele verschiedene Materialien verbaut sind, ist das Spektrum der Möglichkeiten, diesen ein zweites Leben einzuhauchen, äußerst groß. Es gibt nur wenige Dinge, die man nicht machen kann. Kreativität und natürlich ein bisschen Gespür, was Sammler und andere potentielle Käufer so schätzen, sind gefragt. Im Luftfahrt-Upcycling-Business ist auch ein österreichisches Startup, das von Piloten ins Leben gerufen wurde, aktiv. Beispielsweise hat man aus Komponenten der OE-LAW, einer ehemaligen Boeing 767-300ER von Lauda Air bzw. Austrian Airlines einige interessante Produkte generiert. Eigentlich klingt es ganz simpel aus einem Stück Rumpf eines Langstreckenflugzeuges zum Beispiel einen Schlüsselanhänger zu machen, aber auch nur in der Theorie.

Die Herausforderung für das Team des österreichischen Startups Aicrafttag beginnt nämlich bereits bei der Suche nach geeignetem „Rohmaterial“. Ausgemusterte Verkehrsflugzeuge wechseln nämlich bis zur Verschrottung häufig den Eigentümer und das hat seinen guten Grund: Auch wenn die Maschine noch flugfähig ist, ist es oftmals so, dass die in Einzelteilen, primär zur Ersatzteilgewinnung, wertvoller sind. Zertifizierte Gebrauchtteile sind am Markt heiß begehrt, denn diese sind manchmal schneller zu bekommen als neu ab Werk, besonders dann, wenn es sich um ein in die Jahre gekommenes Muster handelt. Was nach dem „Ausschlachten“ noch übrig ist, wird recycelt, entsorgt oder aber wird dem so genannten Upcycling zugeführt. Genau darin liegt die Herausforderung: Man weiß nie so genau welche Teile der Außenhaut man wann bekommt und in welchem Zustand sie eigentlich sind. Bekanntermaßen geht es bei der Verschrottung nicht gerade zimperlich zu, denn auf Kratzer und Dellen kommt es definitiv nicht mehr an – zumindest nicht für das Verschrottungs- und Verwertungsunternehmen.

Die österreichische Firma Aircrafttag hat beispielsweise Rumpfteile der ehemaligen OE-LAW bei einem Verwerter in England erworben. Diese wurden dann wieder nach Österreich gebracht und bekamen dort die Chance auf ein zweites Leben bei Luftfahrtliebhabern. Beispielsweise fertigte man aus den Original-Rumpfteilen personalisierte Schlüsselanhänger und Tischuntersetzer. Aluminium, Lack und etwaige Gebrauchsspuren aus dem Liniendienst – alles Original. Gerade der Lack macht es aber besonders herausfordernd, denn beim Gravieren muss man sehr langsam und behutsam vorgehen, denn ansonsten glimmt dieser vor sich hin. Geschicklichkeit, Geduld und gute Technik sind also gefragt.

Ralph Wansch und sein Piloten-Kollege Stranz, die Aircrafttag ins Leben gerufen haben, fliegen hauptberuflich im Cockpit der Lufthansa Group. Beide sind Vollblut-Luftfahrtbeschäftigte und können sich wohl kaum vorstellen einen anderen Beruf auszuüben. Während bei Stranz das organisatorische Talent angesiedelt ist und er schon allerhand interessante Teile von ausgemusterten Flugzeugen nach Österreich bringen konnte, ist es Wansch, der in der Werkstatt zum Beispiel aus Aluminium-Rumpfteilen Untersetzer und Schlüsselanhänger samt Gravur fertigt. Scherzhaft meint er über seinen Pilotenkollegen Stranz: „Patrik, tagsüber Kapitän auf A330, versucht er alles, um sein Flugzeug und seine Gäste unversehrt zum Beispiel von Frankfurt nach Mauritius zu bringen, nachts sucht er nach Möglichkeiten, pensionierte Flugzeuge möglichst effizient zu zerlegen“.

Und wie beschreibt er seinen Kollegen Wansch? „Ralph, tagsüber Kapitän auf A320 in ganz Europa unterwegs, nachts mit schwerem Atemschutz und Trennschleifer am Zerlegen von Flugzeugen“. Jedes Upcycling-Produkt von Aircrafttag ist also ein Einzelstück, das von Ralph Wansch persönlich gefertigt wurde, denn ein großes Produktionsteam hat man als kleines Startup natürlich noch nicht. Genau darauf ist der Kapitän aber stolz, denn seine hohen Qualitätsansprüche, die er im Cockpit hat, gelten auch für die Upcycling-Produkte. Nichts verlässt seine Werkstatt, wenn er nicht vollständig zufrieden ist und den Gegencheck von Kollege Stranz bestanden hat.

Bei der Produktion gibt es laut den beiden Upcyclern einige Herausforderungen. Beispielsweise sind Rumpfteile so gut wie nie vollständig gerade, denn Flugzeuge sind eben rundlich gebaut und keine viereckigen Kästen. Daraus folgt, dass bei bereits die Gewinnung des „Rohmaterials“ viel Geschick erfordert, denn nichts, aus dem man noch etwas fertigen könnte, soll unnötig im Schrott landen. Sind mal die „Rohlinge“ bereit, so geht es ans Gravieren. Wie bereits angedeutet: Verkehrsflugzeuge tragen auf der „Außenhaut“ im Regelfall Lack, um das darunterliegende Aluminium zu schützen. Je älter die Maschine, desto dicker kann die Schicht sein. Darin liegt eine Herausforderung, denn wenn man die Lasergravur zu schnell herstellen will, so wird es nichts. Der Lack beginnt zu schmoren und am Ende wäre es eine Mischung aus Gestank und einem „Etwas“, das einfach nicht schön aussieht.

Wansch erklärte gegenüber Aviation.Direct, dass er schon einige Versuche gebraucht hat, bis er selbst das ideale Verfahren entwickelt hat, um hochqualitative Produkte herstellen zu können. Dabei gab es sicherlich den einen oder anderen Rückschlag, aber Hartnäckigkeit, Geduld und die Bereitschaft neue Verfahren auszuprobieren, haben sich ausgezahlt. Die Genauigkeit kann sich sehen lassen, denn selbst die kleinen Fenster auf den eingravierten Flugzeugen, sind komplett fehlerfrei und exakt. Darauf ist man nicht nur stolz, sondern gerade Sammler schätzen dies sehr.

Das erste Projekt, das man angepackt hat, war übrigens das Upcycling einer ehemaligen Boeing 747 der Wamos-Air. Mittlerweile hat man schon rund ein Dutzend verschiedene ehemalige „Verkehrsflugzeuge“ in Tags, Untersetzer und vieles mehr verarbeitet. Erfahrung hat man bisher mit Maschinen der Hersteller Airbus, Boeing und ATR. Momentan arbeitet man an einer Besonderheit: Den beiden Piloten ist es gelungen, Rumpfteile einer Boeing 747, die zuletzt für British Airways unterwegs war, zu ergattern. Daraus werden einige Produkte entstehen, wobei auch hier jedes Upcycling-Produkt individuell sein wird, denn jedes Stück „Blech“ ist einzigartig und daraus wird dann wieder ein einzigartiges Produkt. Nur woraus Stranz und Wansch nichts mehr herstellen können, weil beispielsweise das Rohmaterial zu klein dimensioniert ist, bekommt dann der örtliche Altmetallhändler zum regulären Recycling übergeben.

Mittlerweile sind auch einige Airlines auf das Talent der beiden Piloten aufmerksam geworden und gehen einen „anderen Weg“. Zum Beispiel hat Miles & More, die den Worldshop betreibt, Rumpfteile von ausgemusterten Flugzeugen an Wansch und Stranz übersandt und gleich eine ganze Reihe Produkten für die Lufthansa Upcycling Collection bestellt. Diese wurden auf worldshop.eu an Miles & More Teilnehmer:innen und Aviationfans verkauft und waren so beliebt, dass sie nach ganz kurzer Zeit restlos vergriffen waren. Dieses Phänomen wiederholte sich und auch andere Carrier haben sich das „Upcycling made in Austria aus Pilotenhand“ schon für ihre Mitarbeiter und Kunden nützlich gemacht. In Zukunft wird man bei Airlines wie Lufthansa auch an Bord Tags und Co der beiden Piloten kaufen können. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Damit sollen ganz neue Kundengruppen angesprochen werden, denn gerade bei Sammlern, Liebhabern und Menschen, die einfach ein einzigartiges Stück haben wollen, spielt auch die Spontanität eine entscheidende Rolle.

In den nächsten Monaten wollen die beiden Piloten noch zahlreiche weitere Upcycling-Produkte anbieten. Auch ist es möglich nach individuellen Wünschen gefertigte Gegenstände zu bestellen. Der Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt.

Das Duo rund um Aircrafttag hatte auch schon das Privileg, gemeinsam einen Austrian Airbus A320 zu steuern. (Foto: Aircrafttag).

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