Streiks in Deutschland: Die Ursachen sind schwere Fehler aus der Vergangenheit

Flugbegleiter-Streik (Foto: UFO).
Flugbegleiter-Streik (Foto: UFO).

Streiks in Deutschland: Die Ursachen sind schwere Fehler aus der Vergangenheit

Flugbegleiter-Streik (Foto: UFO).
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Derzeit ist es durchaus mit dem Risiko, dass die gebuchte Verbindung auf dem Luft- und/oder Schienenweg ausfällt verbunden, wenn man von, nach oder innerhalb Deutschlands reisen möchte. Die Art und Weise wie verschiedene Verkehrsträger, neuerdings vermehrt auch gleichzeitig, lahmgelegt werden, stößt immer mehr auf Kritik und Unverständnis.

Es ist wohl so, dass Gewerkschaften und ihre Mitglieder das gesetzlich verankerte Recht haben in den Arbeitskampf zu treten. Allerdings scheint die Kompromissbereitschaft beispielsweise bei den Lokführern sehr gering zu sein, so dass man versucht die Maximalforderungen durchzusetzen. Hierbei sollte aber auch bedacht werden, dass die verschiedenen Bahnreformen dazu geführt haben, dass Triebfahrzeugführer, die ab einem gewissen Stichtag in den 1990er-Jahren eingetreten sind, keine Beamten mehr sind. Die Bezüge liegen deutlich unter jenen, die beispielsweise in Österreich oder der Schweiz geboten werden.

Dies führt dazu, dass deutsche Lokführer durchaus offen für Jobangebote im Ausland sind, denn die Verdienstunterschiede sind enorm. Zur Erinnerung: Unter Bahnchef Mehdorn sollte die aus den Behörden Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn der DDR hervorgegangene Deutsche Bahn AG „fit für die Börse“ gemacht werden. Dazu zählte auch der Nebeneffekt, dass Neueintritte privatrechtlich zu wesentlich schlechteren Konditionen angestellt wurden. Auch investierte man in nicht ausreichendem Maß in die Infrastruktur. Die Folgen sind bekannt, denn viele Bahnhöfe sind nicht sonderlich attraktive Orte und das marode Schienennetz ist ein Garant für Verspätungen.

Auf dem Rücken der Fahrgäste werden nun Fehler, die schon zu Beginn der 1990er-Jahre beschlossen und dann begangen wurden, ausgetragen. Es geht dabei längst nicht „nur“ um den Tarifstreit mit den Lokführern, sondern auch darum, dass mit Gewinnabsicht die Deutsche Bahn schlichtweg lange regelrecht abgewirtschaftet wurde. Auch meinte man „Global Player“ spielen zu müssen und kaufte sich bei schwer defizitären Unternehmen im Ausland ein. Auf Malta versenkte man einen hohen Millionenbetrag, denn man war völlig unfähig den dortigen Linienverkehr zuverlässig durchzuführen. Offenbar war es den damaligen Managern völlig unbekannt, dass Gelenkbusse, die schon in London für Brände gesorgt haben, im heißen maltesischen Klima, kombiniert mit schmalen, steilen, kurvigen und engen Straßen, wohl die denkunmöglichste Lösung sind.

Sicherheitskontrollen: Der Staat hat die Misere verursacht

Ein zumindest ähnliches Bild zeigt sich in der Luftfahrt. Der Tarifstreit zwischen den Vertretern des Sicherheitspersonals und den Subunternehmern, die zum Beispiel im Auftrag der Bundespolizei unter anderem für die Personenkontrollen zuständig sind, ist ja nicht neu. Bereits seit einigen Jahren schwelt dieser Konflikt.

Es ist schon sehr lange her, aber früher wurden die Sicherheitskontrollen, die laut deutscher Rechtslage eine hoheitliche Tätigkeit sind, vom Bundesgrenzschutz und damit von einer Exekutivbehörde durchgeführt. Echte Beamte waren mit den Aufgaben befasst. Irgendwann war man der Meinung, dass es wesentlich billiger kommt, wenn dies „privatisiert“ wird. Ausgenommen an den Airports Frankfurt am Main und Berlin-Brandenburg, die die Ermächtigung zur Organisation in Eigenregie erhalten haben, werden die Sicherheitskontrollen stets im Auftrag einer Behörde durchgeführt. An den meisten deutschen Airports ist der Auftraggeber die Bundespolizei, gelegentlich auch das jeweils zuständige Regierungspräsidium. Es wird ausgeschrieben und der Billigstbieter bekommt den Zuschlag.

Genau hier liegt das Problem, denn sonderlich üppig werden die Sicherheitsunternehmen gar nicht vom Staat bezahlt und somit liegt es auf der Hand, dass diese versuchen bei den Lohnkosten zu sparen. Würde nicht das Billigst-, sondern das Bestbieter-Prinzip gelten oder aber der Staat würde die Sicherheitsmitarbeiter gleich selbst beschäftigen, hätte man die aktuellen Probleme womöglich gar nicht. Es wäre auf Arbeitgeberseite schlichtweg mehr finanzieller Spielraum vorhanden. Mit anderen Worten: Den aktuellen Tarifstreit hat der Staat sicherlich nicht ausgelöst, aber durch den Fokus auf billig, billig, billig zumindest maßgeblich zur aktuellen Misere beigetragen.

Lufthansa mit vielen Streiks seit Spohrs Amtsantritt

Die Lufthansa Group galt über Jahrzehnte hinweg nicht nur als guter Arbeitgeber, sondern auch als Ort, an dem Spitzenlöhne bezahlt wurden. In der allgemeinen Bevölkerung wirkt dieser Ruf bis heute nach und das obwohl der Kranich-Konzern allerspätestens mit dem Antritt von Carsten Spohr als Konzernchef regelmäßig mit Arbeitnehmervertretern auf Konfrontation geht und mitunter auch in Kauf nimmt, dass durch Streiks der Flugbetrieb tagelang lahmgelegt wird. Das gilt nicht nur für die deutschen Flugbetriebe, sondern auch für die Töchter in Österreich, der Schweiz, in Belgien und anderen Staaten.

Natürlich gab es auch schon „früher“ mal Tarifstreitigkeiten, jedoch nicht in der aktuellen Form, dass Passagiere nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihre Verbindung wegen einem Streik, zu dem mal wieder aufgerufen wird, ausfallen könnte. Derzeit muss man – abgesehen von Swiss – jederzeit damit rechnen, dass bei einer Airline der Lufthansa Group kurzfristig zum Streik aufgerufen werden könnte.

Regelrecht zum „guten Ton“ gehört bei Lufthansa mittlerweile auch, dass gegen Streikmaßnahmen und/oder Betriebsversammlungen zur Gericht gezogen wird. Mit einer einzigen Ausnahme, bei der der Pilotengewerkschaft VC ein Formalfehler unterlaufen ist, unterlag man in jedem einzelnen Fall. Dennoch klagt man. Im Sinne der Passagiere wäre es wohl sinnvoller sich an einen Tisch zu setzen und konstruktiv zu verhandeln.

Kompromissbereitschaft gefragt

Natürlich wollen Gewerkschaften immer das Maximum für ihre Mitglieder herausholen und Arbeitgeber möglichst wenig bieten, um Kosten zu sparen. Das war schon immer so, jedoch ist gelebte Sozialpartnerschaft, dass man Kompromisse eingeht und sich dann irgendwo auf der Mitte auf etwas einigt, das für beide Seiten annehmbar ist. Doch davon ist man bei der Lufthansa Group in den verschiedensten Unternehmensbereichen sehr weit entfernt.

Wäre es lediglich eine Mitarbeitergruppe, so könnte man böse unterstellen, dass diese den Kragen nicht vollbekommen. Das ist aber gar nicht der Fall, denn allein in Deutschland geht es um Piloten, Flugbegleiter, Bodenpersonal und verschiedene weitere Beschäftigtengruppen. Bemerkenswert ist auch der Fall Discover Airlines, wo sich laut Vereinigung Cockpit das Management angeblich weigern soll einen Tarifvertrag abzuschließen. Genau das dürfte aber auch der Sinn und Zweck der Neugründung gewesen sein, denn ohne Tarifvertrag fliegt es sich billiger als wenn man dem Konzerntarifvertrag unterliegen würde. Auch City Airlines, die jüngste Neugründung, hat derzeit keinen Tarifvertrag, so dass es früher oder später auch hier zu Streitigkeiten kommen dürfte.

Leider sind die tatsächlich Leidtragenden in den Tarifkonflikten im deutschen Verkehrswesen die Passagiere. Der Umstand, dass sich die Lufthansa Group im innerdeutschen Verkehr wieder mal eine Quasi-Monopolstellung erfliegen konnte, ist besonders dann ein Nachteil, wenn „rein zufällig“ gleichzeitig auch die Lokführer zum Streik aufrufen. Der Gewinner? Flixbus und Autovermietungen, denn wer wirklich reisen muss und nicht auf das eigene Auto ausweichen kann, hat an solchen Streiktagen kaum eine Wahl.

1 Comment

  • Wolfgang Ludwig , 15. März 2024 @ 10:42

    Eine gute und ausgewogene Darstellung der Problematik und der Hintergründe! Leider sieht es bei den derzeitigen Führungspersönlichkeiten auf beiden Seiten nicht so aus, dass Probleme am Verhandlungstisch bald geregelt werden können

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  • Wolfgang Ludwig , 15. März 2024 @ 10:42

    Eine gute und ausgewogene Darstellung der Problematik und der Hintergründe! Leider sieht es bei den derzeitigen Führungspersönlichkeiten auf beiden Seiten nicht so aus, dass Probleme am Verhandlungstisch bald geregelt werden können

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