Ein Jahr nach der Bekanntgabe, dass ein erheblicher Teil der PW1100G-JM-Triebwerke der globalen A320neo-Flotte aufgrund mangelhafter Bauteile in die Werkstatt muss, zeigt sich ein gemischtes Bild. Pratt & Whitney, ein führender Hersteller von Flugzeugtriebwerken, hat zwar Fortschritte bei der Behebung der Probleme gemacht, doch die Situation bleibt angespannt. Die notwendige Inspektion und Reparatur der Triebwerke ist nach wie vor ein großes logistische und finanzielle Herausforderung für die Luftfahrtindustrie.
Die Probleme mit den PW1100G-JM-Triebwerken wurden erstmals vor über einem Jahr publik, als bekannt wurde, dass diese Triebwerke aufgrund von verunreinigtem Metallpulver, das bei der Herstellung verwendet wurde, Mängel aufwiesen. Die verunreinigten Teile, darunter die Blisks (Integrally Bladed Rotors) der Hochdruckturbine sowie die Scheiben der Hochdruckverdichter, waren anfällig für Risse, was die Sicherheit und Effizienz der Triebwerke beeinträchtigte.
Bis Ende 2023 waren diese fehlerhaften Teile noch in Triebwerken verbaut worden, was zu einem massiven Rückruf- und Inspektionsprogramm führte. Die Auswirkungen auf den Flugverkehr waren erheblich: Im April 2024 erreichte die Zahl der wegen Triebwerksproblemen am Boden stehenden Airbus A320neo-Flugzeuge ihren Höhepunkt mit etwa 625 Maschinen. Aktuell sind noch immer 480 bis 500 Flugzeuge betroffen, wie Lars Wagner, CEO von MTU Aero Engines, am 1. August 2024 berichtete.
Fortschritte im Inspektionsprogramm
Pratt & Whitney, Teil des Mutterkonzerns RTX, hat sich verpflichtet, die Situation zu verbessern. Chris Calio, Präsident von RTX, äußerte sich am 24. Juli optimistisch über die Fortschritte im Inspektionsprogramm. Die Firma hat ihre Kapazitäten zur Bearbeitung der betroffenen Triebwerke erheblich ausgeweitet. Im September 2023 prognostizierte Pratt & Whitney, dass die „Wing-to-Wing“-Zeit – die Zeit, die ein Triebwerk für eine Inspektion benötigt – zwischen 250 und 300 Tagen liegt, davon verbringen die Triebwerke bis zu 150 Tage in der Werkstatt.
Derzeit sind die Werkstattaufenthalte noch länger, da Ersatzteile nicht immer sofort verfügbar sind. MTU Aero Engines berichtet, dass wenn die Ersatzteile vorhanden sind, die Inspektionen deutlich schneller abgeschlossen werden können, in weniger als 100 Tagen. Die Produktion neuer Teile aus verbessertem Metallpulver wurde im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent gesteigert, was zu einer allmählichen Verbesserung der Situation beitragen sollte.
Um die Auswirkungen auf die Flugzeugflotten zu minimieren, hat Pratt & Whitney auch sein Instandhaltungsnetzwerk erweitert. Seit Anfang des Jahres wurde die Anzahl der Wartungswerkstätten weltweit von 12 auf 18 erhöht. Darüber hinaus haben drei bereits bestehende Werkstätten ihre Kapazitäten vergrößert, um die gestiegene Nachfrage zu bewältigen. Diese Erweiterung soll dazu beitragen, die Turnaround-Zeiten zu verkürzen und die betroffenen Triebwerke schneller wieder in den Betrieb zu bringen.
Branchenweite Auswirkungen
Die Probleme mit den PW1100G-JM-Triebwerken haben nicht nur Pratt & Whitney und MTU Aero Engines betroffen, sondern auch zahlreiche Fluggesellschaften weltweit, die Airbus A320neo-Flugzeuge betreiben. Die Verzögerungen und zusätzlichen Kosten, die durch die Triebwerksinspektionen und -reparaturen entstehen, haben erhebliche Auswirkungen auf die Betriebskosten der Fluggesellschaften und die Verfügbarkeit ihrer Flugzeuge.
Die Luftfahrtbranche sieht sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, diese Probleme in den Griff zu bekommen, während gleichzeitig neue Herausforderungen, wie steigende Betriebskosten und verschärfte Umweltauflagen, auf sie zukommen. Die Inspektions- und Reparaturmaßnahmen sind ein wesentlicher Schritt zur Sicherstellung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Flugzeugflotten, aber sie stellen auch eine erhebliche Belastung für die betroffenen Unternehmen dar.
Trotz der Fortschritte, die Pratt & Whitney und seine Partner bei der Behebung der Triebwerksprobleme gemacht haben, bleibt die Situation angespannt. Die Herausforderungen bei der Verfügbarkeit von Ersatzteilen und die anhaltenden Betriebsbelastungen erfordern weiterhin Geduld und effiziente Lösungen. Die fortlaufende Erweiterung des Instandhaltungsnetzwerks und die Verbesserung der Produktionskapazitäten sind entscheidend für die schnellere Rückkehr zur Normalität und die Minimierung der Auswirkungen auf den Luftverkehr.