Allein im Jahr 2022 wurden nach Angaben des Deutschen Richterbunds rund 70.000 Klagen gegen Fluggesellschaften bei deutschen Gerichten eingebracht. Die Gründe sind zumeist ident: Entschädigungsleistungen laut Fluggastrechteverordnung werden abgelehnt oder die Forderung des Passagiers wird einfach ignoriert.
Bereits vor der Corona-Pandemie glänzte die Branche nicht gerade mit zügiger Bearbeitung, wenn es darum ging, dass Entschädigungs- und/oder Schadenersatzansprüche an Passagiere ausbezahlt werden müssen. Je nach Anbieter wurde die Bearbeitung in die Länge gezogen oder aber pauschal und zumeist gar nicht begründet einfach abgelehnt. Mittlerweile bürgert sich schleichend ein, dass E-Mails, Briefe und Telefaxe der „Anspruchsteller“ einfach über Monate hinweg gar nicht beantwortet werden.
Selbst ein rechtskräftiges Gerichtsurteil ist keine Garantie dafür, dass das zugesprochene Geld dann auch tatsächlich fließt. Erst kürzlich sorgte ein Fall, der sich im Vereinigten Königreich zugetragen hat, für Aufsehen. Wizz Air zahlte erst nachdem ein Gerichtsvollzieher am Flughafen London-Luton die Pfändung von Vermögenswerten angedroht hatte.
Passagiere sind besser informiert als früher
Wiederholt äußerten einzelne Richter gegenüber verschiedene Medien, dass besonders die deutschen Amtsgerichte, an denen die meisten Klagen von Fluggästen zunächst verhandelt werden, regelrecht überschwemmt werden. Besonders hart trifft es dabei jene, deren Sprengel auch den Sitz von Airlines und/oder großer Flughäfen umfasst. Laut Deutschem Richterbund wurden allein im vergangenen Jahr aufgrund der Fluggastrechte etwa 70.000 Klagen gegen Fluggesellschaften eingebracht.
Dies wäre vermeidbar, wenn die Anbieter es nicht regelrecht darauf anlegen würden vor Gericht zu landen. In zahlreichen Fällen erscheint auch niemand, so dass dann ein Versäumnisurteil zu Gunsten der Kläger ergeht. Je nach Airline geht man dann gegen dieses vor oder aber zahlt dann doch an den Passagier. Während bei einem verspäteten oder ausgefallenen Flug vor einigen Jahren nur wenige Reisende bereit waren ihre Rechte vor Gericht einzuklagen, ist der Anteil mittlerweile erheblich höher. Das liegt nicht nur daran, dass es zahlreiche spezialisierte Anbieter gibt, die auch Personen, die keine Rechtsschutzversicherung haben, ermöglichen das zustehende Geld ohne Kostenrisiko einzutreiben, sondern besonders daran, dass es sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass es die Ansprüche gibt.
Obwohl Airlines gesetzlich verpflichtet sind die Reisenden über Ansprüche, die es bei Verspätungen und/oder Streichungen gibt, aufzuklären, nimmt man es mit der Umsetzung an Ort und Stelle oftmals nicht sonderlich genau. Gerade, wenn es um Ersatzbeförderungen mit anderen Airlines geht, wird man sehr kreativ und das obwohl es mehrere höchstrichterliche Urteile gibt.
Airhelp-Chef: „Verantwortung liegt bei den Fluggesellschaften“
Die Kritik, der seitens des Deutschen Richterbunds unter anderem gegenüber der Deutschen Presseagentur geäußert wurde, will Airhelp-Geschäftsführer Tomasz Pawliszyn so nicht stehen lassen. Nicht die Legaltechs würden dazu führen, dass mehr Fälle vor Gericht landen, sondern das Verhalten der Fluggesellschaften wäre die Ursache.
„Wir sind schockiert über das derzeitige Verhalten einiger Fluggesellschaften in Deutschland. Dies macht das Land zu einem Negativbeispiel in Europa. Die Fluggesellschaften müssen unbedingt die Gesetze achten. Sind die Gerichte überlastet, lässt sich dies leicht dadurch beheben, indem die Fluggesellschaften ihren Teil zur Lösung der Fälle beitragen. Wir legen großen Wert darauf, die Gültigkeit der Ansprüche der Passagiere sicherzustellen. Wir prüfen jeden Anspruch anhand mehrerer Flugberichte und unserer eigenen umfangreichen Datenbank. Unsere fortschrittlichen automatisierten Systeme gewährleisten, dass die Forderungen unserer Kundinnen und Kunden berechtigt sind. Airlines wissen, dass sie unseren Daten vertrauen können. Ein Beweis hierfür: 90 Prozent der Fälle, in denen Fluggesellschaften sich weigern, Ansprüche ihrer Passagiere anzuerkennen, gewinnen wir vor Gericht. Wir von AirHelp werden weiterhin für die Rechte unserer Kundinnen und Kunden kämpfen“, so der Manager. „Die Verantwortung für die überlasteten Gerichte sehen wir bei den Fluggesellschaften, die Passagiere überhaupt erst in die Lage bringen, den Rechtsweg einschlagen zu müssen. Wären die Airlines kooperativer und würden sie die Rechte der Betroffenen achten sowie ihren Pflichten nachgehen, dann könnten Passagieren und Gerichten langwierige Prozesse erspart werden“.