Sukhoi SSJ-100 (Foto: Panfily).
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Aeroflot-Chef fordert Beschränkungen für Westflugzeuge

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Der Geschäftsführer der russischen Fluggesellschaft Aeroflot, Sergej Alexandrowsky, hat sich für eine Begrenzung des Einsatzes westlicher Flugzeuge durch russische Fluglinien ausgesprochen. In einem Interview mit der russischen Finanzzeitung „Kommersant“ vom 5. Juni 2025 schlug der Aeroflot-Chef die Einführung einer Quote für inländisch produzierte Flugzeuge für alle russischen Fluggesellschaften vor.

Diese Maßnahme solle sicherstellen, daß ein Mindestproduktionsvolumen erreicht werde, was wiederum die Fertigungsqualität verbessere und die frühzeitige Behebung potenzieller technischer Probleme bei neuen russischen Flugzeugen wie der MC-21 erleichtere. Alexandrowsky bekräftigte zudem das Bekenntnis der Aeroflot-Gruppe zu russischen Flugzeugen, selbst im Falle einer hypothetischen Wiederöffnung westlicher Märkte. Dies unterstreicht Rußlands Bestrebungen nach einer stärkeren Autarkie in der Luftfahrtindustrie inmitten anhaltender internationaler Sanktionen.

Die Rußlandisierung der Luftfahrt: Quoten als strategisches Instrument

Sergej Alexandrowsky begründet seinen Vorschlag zur Einführung von Quoten für russisch produzierte Flugzeuge mit dem Ziel, die heimische Luftfahrtindustrie zu stärken und eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Er argumentiert, daß eine garantierte Mindestabnahmemenge durch russische Fluggesellschaften die Produktionszahlen erhöhen würde. Größere Produktionsserien führen in der Regel zu einer besseren Kontrolle der Fertigungsqualität und ermöglichen es, technische Probleme und Mängel bei neuen Flugzeugtypen, wie der MC-21 (Irkut MC-21), in einem frühen Stadium der Produktion zu identifizieren und zu beheben. Dies ist entscheidend für das Vertrauen der Betreiber und die langfristige Zuverlässigkeit der Flugzeuge.

Der Aeroflot-Chef äußerte sich bereit, die Einführung solcher Quoten auch dann zu befürworten, wenn russische Fluggesellschaften in Zukunft wieder Zugang zu westlichen Märkten erhalten sollten. Obwohl er in einem solchen Szenario neue Bestellungen bei westlichen Flugzeugherstellern nicht ausschloß, unterstrich Alexandrowsky das Engagement der Aeroflot-Gruppe für den Einsatz russischer Flugzeuge. Dies signalisiert eine strategische Neuausrichtung der russischen Luftfahrt weg von der starken Abhängigkeit von westlichen Herstellern wie Boeing und Airbus, eine Entwicklung, die durch die umfassenden Sanktionen gegen Rußland nach dem Einmarsch in die Ukraine erheblich beschleunigt wurde. Diese Sanktionen haben den Zugang zu Ersatzteilen, Wartungsdienstleistungen und neuen Flugzeugen aus dem Westen drastisch eingeschränkt und Rußland gezwungen, seine eigene Produktionskapazität massiv auszubauen.

Aktuelle Daten zeigen, daß die Flotte von Aeroflot im Juni 2025 lediglich 73 russische SSJ100 Superjet Regionaljets umfaßt, die alle an die Tochtergesellschaft Rossiya verleast sind. Dennoch hat die russische Nationalfluggesellschaft ambitionierte Bestellungen für zukünftige russische Flugzeuge getätigt: 198 MC-21, 40 Tu-214 und 55 SJ-100. Die SJ-100 ist die „russifizierte“ Version des Superjet, die ohne westliche Komponenten auskommt, was die Bestrebungen zur technologischen Souveränität unterstreicht. Obwohl die MC-21 noch nicht unter realen Betriebsbedingungen umfassend getestet wurde, erwartet Alexandrowsky nicht, daß dies zu nennenswerten zusätzlichen Kosten führen wird. Dies deutet auf Vertrauen in die Entwicklung und Erprobung des neuen Mittelstreckenflugzeugs hin, das als russisches Pendant zu Airbus A320 und Boeing 737 positioniert ist.

Regulierung doppelt registrierter Flugzeuge und der Aufbau eigener Wartungskapazitäten

Ein weiteres zentrales Thema, das Alexandrowsky im Interview ansprach, ist die laufende Bemühung, die rechtliche Situation einer Reihe von Flugzeugen zu regeln, die ohne die Genehmigung ihrer eigentlichen Eigentümer – westlicher Leasinggesellschaften – in Rußland umregistriert wurden. Nach der Verhängung der Sanktionen weigerten sich zahlreiche russische Fluggesellschaften, die geleasten Flugzeuge an die internationalen Leasinggeber zurückzugeben, was zu einem komplexen juristischen Konflikt führte. Aeroflot strebt an, die Regulierung der verbleibenden 36 Flugzeuge mit doppelter Registrierung (westlich und russisch) bis Juli 2025 abzuschließen. Dies würde die Gesamtzahl der legalisierten Flugzeuge in der Aeroflot-Flotte auf 228 erhöhen, was einen Großteil der vormals von westlichen Gesellschaften geleasten Flugzeuge umfaßt. Dieser Prozeß der Umregistrierung und faktischen Verstaatlichung ist ein Versuch Rußlands, den Flugbetrieb trotz des Entzugs der Flugzeugflotten durch westliche Unternehmen aufrechtzuerhalten.

Parallel dazu investiert Aeroflot, wie auch andere russische Fluggesellschaften, massiv in den Aufbau eigener Wartungs-, Reparatur- und Überholungskapazitäten (MRO). Dies ist eine direkte Antwort auf den Entzug westlicher Wartungsdienstleistungen und den Mangel an Ersatzteilen. Die Fluggesellschaft hat hierfür eine Tochtergesellschaft namens „AeroTrustTekhnik“ gegründet, die zukünftig in der Lage sein soll, sowohl CFM-Triebwerke (eine Gemeinschaftsentwicklung von General Electric und Safran) als auch russische Triebwerkstypen wie PD-14 (für die MC-21) und PD-8 (für den SJ-100) zu warten. Der Bau einer neuen 18.000 Quadratmeter großen Triebwerkswerkstatt am Heimatflughafen Scheremetjewo (SVO) ist geplant. Die Inbetriebnahme wird für 2027 erwartet, mit dem Ziel, bis 2028 die volle Kapazität zu erreichen.

Diese Investitionen in die MRO-Infrastruktur sind von strategischer Bedeutung für die russische Luftfahrt. Sie sollen die Abhängigkeit von ausländischen Dienstleistern reduzieren und die langfristige Betriebsfähigkeit der Flugzeugflotten gewährleisten. Die Fähigkeit, auch westliche Triebwerke zu warten, ist dabei ein temporärer Kompromiß, solange ein Großteil der Flotte noch aus westlichen Flugzeugen besteht, deren Ausmusterung oder Ersatz durch russische Modelle Zeit in Anspruch nehmen wird.

Ausblick auf die russische Luftfahrt unter Sanktionen

Die russische Luftfahrtindustrie befindet sich in einer tiefgreifenden Transformation, die durch die internationalen Sanktionen erzwungen wurde. Die Strategie von Aeroflot, wie von Sergej Alexandrowsky dargelegt, zielt auf eine umfassende „Rußlandisierung“ der Branche ab. Dies umfaßt nicht nur die Produktion von Flugzeugen, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette von der Komponentenfertigung über die Wartung bis hin zum Betrieb. Die Herausforderungen sind immens: Die Entwicklung und Zertifizierung neuer Flugzeugtypen, der Aufbau einer zuverlässigen heimischen Lieferkette für Tausende von Bauteilen und die Ausbildung von qualifiziertem Personal erfordern enorme Investitionen und Zeit.

Gleichzeitig bleibt der Zugang zu modernen westlichen Technologien und globalen Luftverkehrsmärkten für russische Fluggesellschaften stark eingeschränkt. Die Bestrebungen, eine robuste und unabhängige Luftfahrtindustrie aufzubauen, sind ein langfristiges Projekt, dessen Erfolg von der Fähigkeit abhängen wird, Qualität und Sicherheit auf international wettbewerbsfähigem Niveau zu gewährleisten. Die Vorschläge von Alexandrowsky sind ein deutliches Signal für die Richtung, in die sich die russische Luftfahrt in den kommenden Jahren bewegen wird: hin zu mehr Autonomie und Eigenständigkeit, auch wenn dies kurz- und mittelfristig mit erhöhten Kosten und Einschränkungen verbunden sein mag.

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