Aufgrund der neuerlich enorm starken Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Buchungszahlen nahezu aller Fluggesellschaften, beschloss die Lufthansa Group drastische Kapazitätsrücknahmen über den Winter. Davon sind alle Passagierflugbetriebe des Konzerns betroffen, doch wohl am stärksten wird der Rotstift bei Eurowings angesetzt.
Keine andere Airline reduzierte bislang den Österreich-Deutschland-Verkehr so stark wie die Lufthansa-Billigtochter. Die Kernursache ist dabei unbestritten die Reisewarnung der Deutschen, die zur Quarantänepflicht führen kann. Ab 8. November 2020 will die Bundesrepublik auch Personen, die einen negativen PCR-Test vorweisen können, fünf Tage absondern. Das sind – sarkastisch ausgedrückt – grandiose Aussichten für den Verkehr zwischen den beiden Staaten, denn dieser weist einen sehr hohen Privatkundenanteil auf. Dieser bricht nach und nach weg, wobei der Anteil der Geschäftsreisenden ohnehin – im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie – sehr niedrig ist. Anders ausgedrückt: Selbst die kleinsten Maschinen, die Eurowings zu Verfügung hat, sind zu groß. Mit Airbus A319 können viele Strecken bzw. Frequenzen nicht mehr rentabel betrieben werden.
Offenbar rächt sich bei Eurowings nun, dass man zu Beginn der Corona-Pandemie die von der Zeitfracht-Tochter Luftfahrtgesellschaft Walter betriebenen DHC Dash 8-400 „rausgeworfen“ hat. Diese steht sich seither unter anderem auf dem Flughafen Bratislava die Räder platt. Noch ist die Konzernschwester Austrian Airlines im Vorteil, denn diese kann auf die noch vorhandenen Turboprops zurückgreifen.
Die Auslastung vieler Flüge ist momentan – unabhängig von der Airline – massiv bedenklich. So sind Maschinen, in denen sich weniger als 20 Passagiere befinden nicht mehr die absolute Ausnahme, sondern leider der Regelfall. Selbstverständlich gibt es positive „Ausreißer“ nach oben, jedoch werden diese Tag für Tag immer weniger. Carsten Spohr beschrieb es in seinem jüngsten Rundschreiben durchaustreffend: Die momentane Situation ist mit jener in der Lockdown-Zeit absolut vergleichbar.
Bei Austrian Airlines wird auf der Kurz- und Mittelstrecke das größte Muster der Airbus A319 sein. Auch ein Maschinentyp, den man eigentlich ausflotten wollte. Die Airbus-A320-Jets erweisen sich nun als zu groß und können mangels Nachfrage nur noch schwer bis gar nicht wirtschaftlich betrieben werden. Selbiges gilt auf der Langstrecke für die Boeing 777, die ebenfalls nicht benötigt wird.
Den Winter wird Austrian Airlines nach aktuellem Planungsstand mit den Maschinentypen DHC Dash 8-400, Embraer 195 und Airbus A319 bestreiten. Auf den wenigen Langstrecken kommt die Boeing 767-300ER zum Einsatz. Alle anderen Typen werden übergangsweise stillgelegt bzw. nicht reaktiviert. Allerdings sollen nicht alle Airbus A320 einen „Winterschlaf“ abhalten, denn einige Einheiten wird man als Backup-Flugzeuge bereithalten.
Langsam aber sicher wird Austrian Airlines auch darüber nachdenken müssen, ob die beschlossene Dash-Ausflottung verschoben werden sollte. Besonders im Deutschland-Österreich-Verkehr werden zunehmend auch jene Routen, die zuletzt mit Embraer 195 bedient wurden, auf das günstigere und kleinere Turbopropflugzeug umgestellt. Der Grund ist simpel: Die Nachfrage ist für den Einsatz des Regionaljets nicht ausreichend, so dass die DHC Dash 8-400 günstiger kommt. Noch ist keine Entscheidung über eine mögliche „Galgenfrist“ für die Turboprops gefallen, doch je mehr sich die Krise zuspitzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Austrian Airlines die DHC Dash 8-400 länger betreiben wird, denn das Muster ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der Lowcost-Konkurrenz, deren kleinste Maschinen rund 180 Sitze haben.