Eine Reisende ist unmittelbar nach dem Aussteigen aus einem Flugzeug der Austrian Airlines auf der Fluggasttreppe gestürzt und brach sich den Unterarm. Da der Carrier uneinsichtig war zog sie vor Gericht. Die Angelegenheit landete vor dem EuGH, der zu Gunsten der Verletzten entschieden hat.
Fluggesellschaften müssen sich laut ständiger Judikatur des Europäischen Gerichtshofs viele Umstände zurechnen lassen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt in der Verantwortung der Airline liegen. Allerdings haben Passagiere keinen Vertrag mit dem Flughafen oder einem Bodendienstleister, sondern mit der Fluggesellschaft. Im Regelfall werden die „Subunternehmer“ als Erfüllungsgehilfen der Airline betrachtet, so dass Haftung für deren etwaige Fehler besteht.
Der konkrete Fall ist doch ein wenig ungewöhnlich, weil der EuGH in der Rechtssache C-589/20 entschieden hat, dass Fluggesellschaften in der Nachweispflicht sind, ob das Verhalten von Passagieren zum Sturz auf der mobilen Fluggasttreppe beigetragen hat oder nicht. Dieser Nachweis ist möglicherweise sehr schwer zu erbringen. In Einzelfällen müssen nationale Gerichte entscheiden, so das europäische Höchstgericht.
In Kurzform dargestellt hat der Rechtsfall folgende Vorgeschichte: Eine Passagierin ist nach der Landung eines Austrian Airlines Fluges in Wien ausgestiegen und auf der mobilen Vorfeldtreppe gestürzt. Es soll keinen offensichtlichen Grund für den Unfall gegeben haben. Sie brach sich den Unterarm. Austrian Airlines sah keinen Grund für Schmerzensgeld und die Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe. Die Frau zog vor Gericht und der Fall zog sich durch die Instanzen.
EuGH ging auf Argumente der Austrian Airlines nicht ein
Weiters ist aus dem gerichtlichen Vorbringen bekannt, dass die Reisende ihren zweijährigen Sohn auf dem Arm hatte und in der anderen Hand ihre Handtasche hatte. Sie konnte sich nicht an den Handläufen der Treppe festhalten. Allerdings: Der EuGH ist der Ansicht, dass Fluggesellschaften damit rechnen müssen, dass Passagiere junge Kinder, die auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen sind, dabei haben. Dennoch könnte der Umstand, dass sie ihr Kind und ihre Handtasche getragen hatte zum Umfall beigetragen habe. Der Schutz des Kleinkindes wurde seitens der Höchstrichter aber als erheblich wichtiger eingestuft als das Benutzen der Handläufe.
Der Vater des Kindes soll ebenfalls dabei gewesen sein und unmittelbar vor der Frau ausgestiegen sein. Austrian Airlines argumentierte im Verfahren erfolglos, dass die Passagierin gesehen habe, dass dieser die Handläufe ebenfalls nicht genutzt habe und beinahe gestürzt wäre. Weiters wäre die Treppe wegen leichtem Regen rutschig gewesen. Auch sollen die Trittflächen durchlöchert sein, so dass sich kein Wasser stauen kann. Die Treppe soll demnach mängelfrei gewesen sein.
Ein weiterer Umstand: Die Frau soll sich nicht unmittelbar in einem Krankenhaus behandeln haben lassen, sondern zeitverzögert. Die Airline argumentierte erfolglos, dass sich dadurch die Verletzungen möglicherweise verschlimmert hätten. Der EuGH ging darauf aber nicht ein, sondern verwies darauf, dass die Passagierin an Ort und Stelle von medizinischem Personal erstversorgt wurde und es relevant wäre welche Empfehlungen sie von diesem erhalten habe. Offenbar war der erstversorgende Arzt der Ansicht, dass eine sofortige Einlieferung in ein Spital nicht notwendig ist, sondern sie erstmal „ankommen“ kann und dann eigenständig einen Arzt bzw. ein Krankenhaus aufsuchen kann.