Am 15. Jänner 2025 feierte das Musical „Berlin, Berlin“ seine Erstaufführung im Museumsquartier Wien, vormals auch als „Messepalast“ bekannt. Die eigentliche Premiere des noch recht jungen Stücks, das momentan auf Tournee ist, fand in der namensgebenden Bundeshauptstadt Wien statt.
In den 1920er Jahre in Berlin kam es zu einem gesellschaftlichen Umbruch und zu einer kulturellen Revolution. Nach dem Schock des Ersten Weltkriegs erlebt die damalige Reichshauptstadt eine Explosion der Kreativität und Lebensfreude, die sich in den Bereichen der Kunst, Musik, Mode und Tanz erkennbar macht. Während dieser Zeit blühte in der preußischen Hauptstadt ein bahnbrechender kultureller aber auch sozialer Aufstieg. In der Kunst, Kultur, Nachtleben und im gesellschaftlichen Leben rebellierten Menschen und wollten Veränderung erreichen.
Inhalt und Ensemble
Das Musical überträgt das Feeling der 1920er Jahre mit dem Motto: „Die Nacht ist eine Sünde wert“. Die Show bringt Sie in die Ära des Berlins der 1920er Jahre, wo die Freiheit, das Leben und die Lust in Vordergrund stehen. In dieser rastlosen Welt sehen wir wunderschöne Paillettenkleider, die im Rahmenlicht glitzern, lustvolle Musik und Lyrics unterschiedlichster Lieder lassen die jungen Menschen von damals zügellos ihre Gefühle durch Tanz und Gesang freien Lauf.
Alle gesellschaftlichen Grenzen und Normen verschwinden in die sündige Nacht von Berlin und seinen Clubs. Das Musical entführt die Figuren aus ihrem Alltag und lässt sie in die Welt von „Roaring Twenties“ einsteigen, in die Ekstase der Stadt des Lasters, wie sie damals war und heute noch immer ist. Stilikonen wie Marlene Dietrich, die legendäre Entertainerin der Comedian Harmonists, und die Skandaltänzerin Josephine Baker laden das Publikum durch provokative, lustvolle und heiße Tänze in ihre Welt der Ekstase und des Loslassens, an keine Grenzen und Normen gefesselt zu sein, ein. Viele Historiker der heutigen Zeit würden diese Damen als die Feministen der 1920er Jahre krönen.
Lena Müller als Marlene Dietrich und Dominique Jackson als Josephine Baker sind großartige Entertainerinnen, die in diesem Musical einfach alles geben. Ihre Performance, gesangliche sowie tänzerische Qualitäten begeistern das Wiener Publikum. Jeder, der diese Show schon gesehen hat oder noch sehen wird, wird wahrscheinlich der Beschreibung zustimmen und sie als eine verführerisch-funkelnde Zeitreise benennen, die das prickelnde Lebensgefühl der goldenen 20er Jahre widerspiegelt. Gerade Dietrich und Baker waren damals bekannt für ihre Lust kleine Skandale zu entfachen.
Ein 30-köpfiges Ensemble erweckt die goldenen 1920er ins Leben. Sie spiegeln die damalige Weltwirtschaftskrise, welche die kleinen Leute täglich zu spüren bekamen. Diese reagierten darauf mit ungebremster Vergnügungslust. Die Tänzerinnen, welche die Revuegirls von Charleston verkörperten, beeindrucken das Publikum durch ihre Lindy-Hop-Tänze und ihre endlos langen Beine. Sie tanzen zu Erfolgsnummern wie „Puttin´on the Ritz“, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Mackie Messer“ und „Bei mir bist du schön“. Bei der Darbietung dieser Lieder tanze das Publikum in den Sesseln schon fleißig mit.

Die Highlights der Show
Die Jodelei am Wolfgangsee mit dem weltbekannten Lied „Im Weißen Rössel“ wurde großartig inszeniert. Die Regie von „Berlin Berlin“ wird von Christoph Biermeier geführt. Für die Choreographie zeichnet sich Matt Cole verantwortlich. Generell zeigt sich diese Show äußerst lebendig von Form eines emotionalen Karussells von Freude, Schock und Unmut. Letzteres beispielsweise beim Erscheinen einer faschistischen Flagge, die das Publikum dann doch zum Erstarren gebracht hat. Die Anspannung im Publikum hätte mit einem Messer geschnitten werden können. Das Fallen einer Nadel wäre hörbar gewesen. Die Performance von Dietrich und Berber waren gut, kommen jedoch nicht an die Originale heran.
Rich Morris ist für die Arrangements der klassischen Lieder der Zeit, in der die Show spielt, verantwortlich. Durch die Performance der Darsteller in den Stücken „Bei mir bist du schön“ oder „Die Moritat von Mackie Messer“ erwacht das Lebensgefühl dieser Zeit zum Leben. Die Choreografien und die Energie, welche die Tänzer auf die Bühne bringen, sind einzigartig. Manche Szenen wirkten jedoch überladen, was sehr schade gewesen ist. Manchmal ist weniger mehr.
Aufwendige Bühnenbilder
Die Inszenierung wird durch aufwendige visuelle Umsetzung mit detailreichen, wunderschönen Kostümen und Bühnenbildern unter der Leitung (Buch und Regie) von Christoph Biermeier ermöglicht. Die Künstlerinnen und Künstler der Show ermöglichen dem Publikum durch ihre abwechslungsreichen Tanz- und Gesangseinlagen einen authentischen Einblick in die Club-Szene Berlins. Die Darsteller, die Livemusik des Swing Balls Orchesters machen diese Show zu einem Genuss. Das Gros der Show fällt auf ästhetische Gestaltung, auf die Gesangs- und Tanzperformance zurück. Was jedoch in den Hintergrund fällt, ist das Tief der Handlung. Natürlich ist dem Publikum alles in einer Show zu bieten. Daher kann daraus geschlossen werden, dass die Show und die Freunde des Publikums an erster Stelle gestanden haben und weniger die historische Authentizität dieser Zeit.
Der Spagat zwischen den zwei Bereichen von geschichtlicher Reflexion und der Unterhaltung des Publikums ist nicht gelungen. Diese Produktion hat ein Lob für ihr Bühnenbild, ihre Liveband, die talentierten Tänzer sowie Sänger verdient. Vor allem ist die Performance von Dominique Jackson als Josephine Baker zu loben. Diese zierliche, kleine, schlanke Dame hat das ganze Publikum begeistert. Ein sehr unterhaltsamer Teil der Show war der Männergesang der Gruppe Kaktus. Diese fünf Männer animierten und unterhielten das ganze Publikum mit ihrem Gesang und diversen Geräuschen.

Fazit: Künstlerisch wertvoll
Diese Show und insbesondere die Liveband waren ein richtiges Highlight. Ein gut aufgebautes Musical, mehrschichtig und genau recherchiert. Die unterschiedlichen Ebenen und Teile des Musicals greifen gut ineinander. Die Headlines von historischen Zeitschriften waren ein sehr interessantes Element des Bühnenbilds. Die Elemente von Transgender wurden sehr elegant in die Show hineingearbeitet. Vor allem war das Orchester in tiefer Symbiose mit den Stimmen der Protagonisten. Gefühle jeglicher Art, sind sehr lebensnah, historisch, soziologisch, kulturell und kunsthistorisch authentisch und gleichzeitig leider auch am Puls unserer Zeit. Was die Stimmung im Publikum sehr stark negativ beeinflusst hat, war der Teil, indem die Kunstzensur thematisiert worden ist. Die Menschen verstummten und saßen wie versteinert in ihren Sitzen.
Ich selbst habe auch kurz nach Luft schnappen müssen, weil die Stimmung so bedrückend war. Eine sehr beeindruckende Inszenierung war die Szene, in der die Nazifahne im vollen Rot auf die ganze Höhe der Bühne ausgerollt war und hinter ihr die Siluetten der Anhänger standen. Es ist sehr lobenswert, das solche Inszenierungen gemacht werden, damit wir als Menschheit nie vergessen was passiert ist und hoffentlich die Fehler der Vergangenheit nicht mehr wiederholen.
Preise und Termine
Die Vorstellung findet täglich vom 14. Januar 2025 bis zum 26. Januar 2025 in Museumsquartier, Halle E, statt. Tickets gibt es ab 52,42 Euro bis 74,90 Euro, abhängig von Tag der Aufführung. Dieses Musical wurde in Berlin (17.12.24-12.1.2025) aufgeführt. Anschließend geht es nach Baden-Baden, Leipzig, Zürich und München.
Hart Facts
- Dauer: 2 Stunden 30 Minuten (inklusive Pause)
- Lieder: auf Deutsch und Englisch
- gesprochen in deutscher Sprache
- Empfehlung: ab 14 Jahren