Die Zusammenarbeit zwischen Boeing und der US-Luftwaffe im Rahmen des KC-46A Pegasus Tankerprogramms steht nach der Entdeckung von Rissen an zwei der Flugzeuge, die zur Auslieferung vorgesehen waren, erneut unter Druck. Diese jüngste Entwicklung hat Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit des bereits vielfach in die Kritik geratenen Tankersystems aufgeworfen und zwang die Beteiligten, die Lieferungen vorübergehend auszusetzen. In diesem Zusammenhang wurde auch die gesamte Flotte der bereits im Dienst stehenden KC-46A Pegasus-Flugzeuge auf potenzielle Mängel untersucht.
Am 28. Februar 2025 wurde berichtet, dass bei zwei der vier KC-46A Pegasus-Flugzeuge, die für die Auslieferung an ein Militärlieferzentrum vorgesehen waren, Risse in den primären und sekundären Strukturen festgestellt worden waren. Diese Risse wurden während der letzten Inspektionen vor der Übergabe der Maschinen entdeckt, was die Notwendigkeit einer sofortigen Überprüfung und Untersuchung durch Boeing und die US-Luftwaffe nach sich zog. Daraufhin wurde die Auslieferung dieser beiden Maschinen vorübergehend gestoppt, um die Ursachen der Risse zu ermitteln und potenzielle Auswirkungen auf andere Flugzeuge zu verhindern.
Boeing bestätigte die Meldungen und gab in einer Erklärung an, dass man eng mit dem Kunden zusammenarbeite, um die Situation zu beurteilen und die Auswirkungen auf die Flotte sowie auf die noch in Produktion befindlichen Flugzeuge zu mindern. Die US-Luftwaffe kündigte zudem an, ihre bestehende Flotte von 89 KC-46A Pegasus-Flugzeugen auf etwaige Mängel zu überprüfen, was die Besorgnis über die Langzeitzuverlässigkeit des Systems weiter verstärkte.
Herausforderungen bei der Entwicklung des KC-46A Pegasus
Die KC-46A Pegasus ist ein wesentliches Element der strategischen Luftmobilität der US-Luftwaffe. Die Maschine wurde entwickelt, um Luftbetankung, den Transport von Fracht und die medizinische Evakuierung zu ermöglichen. Doch das Programm hatte seit seiner Einführung im Jahr 2016 mit zahlreichen technischen Problemen und Qualitätsmängeln zu kämpfen. Auch vor der ersten Auslieferung im Januar 2019 gab es bereits erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere mit dem Remote Vision System (RVS), das von Rockwell Collins entwickelt wurde und das in der Lage sein soll, die Refueling-Booms zu steuern. Diese Probleme beeinträchtigten die Fähigkeit der Besatzung, den Tankboom sicher zu führen, was zu wiederholten Nachbesserungen und Verzögerungen führte.
Im Laufe der Zeit kamen weitere Mängel zum Vorschein, wie defekte Schnellverschlüsse im Frachtbereich, Kraftstofflecks und Probleme mit dem Betankungsboom selbst. Diese Defekte waren ein wiederkehrendes Thema und führten sogar zu zwei Lieferstopp-Maßnahmen im Jahr 2019, nachdem bei Inspektionen Fremdkörper wie Werkzeuge und falsch platzierte Teile im Flugzeug gefunden wurden. Diese Mängel brachten die Bedenken bezüglich der Fertigungsdisziplin von Boeing auf, was das Vertrauen in die Produktionsqualität des Flugzeugherstellers weiter erschütterte.
Finanzielle Auswirkungen und steigende Kosten für Boeing
Die wiederholten technischen Schwierigkeiten und die verzögerten Lieferungen des KC-46A Pegasus haben Boeing auch finanziell erheblich belastet. Laut den Ergebnissen von Boeings viertem Quartal 2024, die im Januar 2025 veröffentlicht wurden, musste das Unternehmen zusätzlich 1,7 Milliarden US-Dollar an Verteidigungskosten in seine Bilanz aufnehmen, wobei 800 Millionen US-Dollar speziell dem KC-46-Programm zugeordnet wurden. Diese finanziellen Belastungen resultierten aus der Notwendigkeit, immer wieder Nachbesserungen an den Flugzeugen vorzunehmen, was den Produktionsablauf und die Auslieferung verzögerte.
Im Juli 2024 gab es zudem einen weiteren Vorfall, als die US-Luftwaffe eine sogenannte „Category 1“-Mangelmeldung bezüglich des Kraftstoffpumpensystems einreichte. Dies hätte potenziell zu einer Beschädigung des Triebwerksluftsystemes führen können, das für die Kabinenbelüftung und die Kühlung der Systeme wichtig ist. Zwar wurde eine kurzfristige Lösung implementiert, doch dieser Vorfall unterstrich die andauernde technische Fragilität des Pegasus-Tankers, was die Bedenken über die langfristige Einsatzfähigkeit der Maschinen weiter verstärkte.
Der strategische Stellenwert des KC-46A für die US-Luftwaffe
Trotz dieser anhaltenden Schwierigkeiten hat die US-Luftwaffe wenig Wahl, als auf den KC-46A Pegasus zu setzen. Der ältere KC-10 Extender wurde 2024 ausgemustert und die KC-135 Stratotanker-Flotte wird schrittweise aus dem aktiven Dienst genommen. Diese Entwicklungen zwingen die US-Luftwaffe, auf die KC-46A zu vertrauen, auch wenn die Maschine immer noch mit erheblichen technischen Herausforderungen kämpft. Die Notwendigkeit, die Tankerflotte aufrechtzuerhalten, erfordert es, dass die Pegasus-Tanker trotz ihrer Mängel in Betrieb bleiben.
Die Probleme des KC-46A Pegasus werfen jedoch Fragen auf, wie Boeing und die US-Luftwaffe mit diesen langwierigen und kostspieligen Mängeln umgehen können, ohne den Einsatz der Tankerflotte und damit die Luftbetankungsfähigkeiten der US-Streitkräfte zu gefährden. Weitere Verzögerungen und finanzielle Belastungen könnten die ohnehin angespannte Beziehung zwischen dem Hersteller und dem Militär weiter belasten.
Ausblick auf die Zukunft des KC-46A Programms
Boeing und die US-Luftwaffe stehen nun vor der Herausforderung, die technischen Mängel des KC-46A Pegasus zu beheben und das Vertrauen in das Flugzeug wiederherzustellen. Das Unternehmen hat bereits signifikante finanzielle Aufwendungen getätigt, um die Qualität der Maschine zu verbessern, und es wird erwartet, dass es auch weiterhin in die Behebung der Mängel investieren wird. Dennoch bleibt abzuwarten, ob Boeing in der Lage ist, das KC-46A-Programm vollständig auf Kurs zu bringen und alle technischen Probleme zu lösen, bevor die Maschine ihren vollen Potenzial im Dienst der US-Luftwaffe erreichen kann.