Der Rat der Europäischen Union hat am Donnerstagabend für eine Änderung der Fluggastrechte-Verordnung (EC 261) gestimmt, die weitreichende Folgen für Millionen von Reisenden haben könnte. Künftig sollen Fluggesellschaften erst bei Verspätungen von vier beziehungsweise sechs Stunden zu Entschädigungszahlungen verpflichtet sein. Bislang galt diese Regelung bereits ab drei Stunden.
Diese geplante Änderung würde dazu führen, daß 60 Prozent weniger Fluggäste einen Anspruch auf Entschädigung bei Verspätungen hätten, wodurch der Schutz von Fluggästen in ganz Europa drastisch reduziert würde. Die Reform, die nun im nächsten Schritt vor dem Europäischen Parlament diskutiert wird, stößt auf scharfe Kritik von Verbraucherschützern und Fluggastrechte-Experten. Tomasz Pawliszyn, CEO von AirHelp, bezeichnet die Entscheidung als „verheerenden Rückschlag für die Verbraucherrechte“ und warnt vor schwerwiegenden negativen Folgen für Reisende.
Änderungen zugunsten der Fluggesellschaften: Längere Wartezeiten und gekürzte Entschädigungsbeträge
Die wesentliche Änderung der Verordnung EC 261 betrifft die Schwelle, ab der Passagiere einen Anspruch auf Entschädigung haben. Während bisher eine Verspätung von drei Stunden ausreichend war, sollen es künftig vier Stunden für Kurz- und Mittelstreckenflüge sowie sechs Stunden für Langstreckenflüge sein. Die einzige Begründung, die die EU-Kommission für diesen drastischen Schritt anführt, ist die Behauptung, Fluggesellschaften würden bei Verspätungen ab drei Stunden eher dazu tendieren, Flüge zu streichen, anstatt Ersatzflüge zu organisieren, da sie ohnehin bereits die Entschädigungssummen zahlen müßten.
Diese Argumentation wird von Experten wie Tomasz Pawliszyn als „völlig haltlos“ zurückgewiesen. Er argumentiert, daß keine Fluggesellschaft Flüge allein wegen möglicher Entschädigungszahlungen streichen würde. Im Gegenteil: Eine Annullierung verursacht für die Airline zusätzlich hohe Kosten, etwa für die Betreuung und Umleitung der Passagiere sowie für bereits angefallene Betriebsausgaben. Die Vorstellung, daß Airlines aus rein wirtschaftlichen Gründen lieber annullieren als verspätet abzufliegen, entbehrt laut Pawliszyn jeder Grundlage. Vielmehr sei eine Annullierung für eine Fluggesellschaft in der Regel die teuerste Option und werde nur als letztes Mittel eingesetzt, wenn andere operative Möglichkeiten ausgeschöpft sind oder Sicherheitsgründe dies erfordern.
Zusätzlich zu den längeren Wartezeiten für Entschädigungen hat sich der EU-Rat dafür entschieden, die Beträge für Mittel- und Langstreckenflüge zu kürzen, anstatt sie an die Inflation der letzten 20 Jahre – seit Einführung der Verordnung – anzupassen. Die Höchstentschädigung für Fluggäste beträgt nun 500 Euro. Bei Flügen unter 3.500 Kilometern liegt die Obergrenze bei 300 Euro. Dies stellt für viele Fluggäste eine erhebliche Kürzung im Vergleich zu den bisherigen Beträgen von 250, 400 und 600 Euro pro Fluggast dar. Verbraucherschutzorganisationen sind zutiefst besorgt über diese Entwicklung, da sie die Rechte der Reisenden in der Europäischen Union ernsthaft untergräbt und für noch mehr Verwirrung sorgen dürfte. Diese Reform könnte der größte Rückschritt in der Geschichte des EU-Verbraucherschutzes sein, der über viele Jahre hinweg mühsam aufgebaut wurde.
Schwerwiegende Folgen für Reisen befürchtet: Weniger Schutz, mehr Unsicherheit
Die Verordnung EC 261 gilt seit Langem als weltweiter Maßstab für den Schutz von Fluggästen, da sie eine faire Entschädigung bei Verspätungen, Annullierungen und Nichtbeförderung durch Fluggesellschaften gewährleistet. Durch die Abschwächung dieser Verordnung kippt die EU wissentlich das Gleichgewicht weiter zugunsten der Fluggesellschaften und läßt Millionen von Fluggästen mit weniger Schutz und eingeschränkten Möglichkeiten zurück. Diese Entscheidung scheint die Interessen der Fluggesellschaften über die der Verbraucher zu stellen, was in einer Zeit, in der der Flugverkehr in Europa wieder zunimmt, besonders kritisch gesehen wird.
Experten befürchten, daß diese Änderung der Vorschriften schwerwiegende negative Folgen für die Reisenden haben wird. Die Fluggäste werden nun mit mehr und längeren Verspätungen konfrontiert, bevor sie überhaupt Anspruch auf Entschädigung haben. Gleichzeitig wird die Last der Flugunterbrechungen noch weiter auf die Fluggäste abgewälzt. Dies geschieht zu einer Zeit, in der Verspätungen und Annullierungen in ganz Europa, auch bedingt durch Personalengpässe bei Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern sowie durch zunehmende Flugaufkommen, bereits zunehmen. Der Mangel an Anreizen für Fluggesellschaften, Pünktlichkeit zu gewährleisten, könnte die Situation weiter verschärfen.
Diese Änderung untergräbt die Verantwortlichkeit der Fluggesellschaften, da der finanzielle Anreiz zur Vermeidung von Verspätungen reduziert wird. Sie schafft größere Rechtsunsicherheit und verringert die Transparenz in Bezug auf die Rechte von Fluggästen, sodaß die Reisenden im Falle von Problemen noch schutzloser sind. Die Dreistundenregel galt als angemessene Entschädigung für erhebliche Verspätungen, förderte das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Flugverkehr und trug dazu bei, Flugreisen für Millionen von Passagieren zuverlässiger zu machen. Mit der Anhebung der Verspätungsgrenze und der Senkung der Entschädigungsbeträge untergräbt die EU diesen seit Langem bestehenden Schutz, der als eine ihrer anerkanntesten Errungenschaften in der Verbraucherpolitik gilt. Obendrein führt die Reform eine massive Verwirrung für Reisende ein, die sich nun mit neuen und komplexeren Regeln auseinandersetzen müssen.
Appell an das Europäische Parlament: Verbraucherrechte stärken statt schwächen
Angesichts dieser Entwicklungen appelliert AirHelp, eine führende Organisation im Bereich der Fluggastrechte, an das Europäische Parlament und den Rat, sämtliche Vorschläge zu überdenken, die die Verordnung EC 261 schwächen. Die Organisation fordert eine Stärkung des Schutzes der Fluggäste, insbesondere angesichts steigender Passagierzahlen und wachsender Gewinne der Fluggesellschaften. Dies verdeutlicht die Diskrepanz zwischen der finanziellen Erholung der Branche und den vorgeschlagenen Einschränkungen für Passagiere.
AirHelp hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich für Fluggäste einzusetzen und sicherzustellen, daß sie fair behandelt und ihre Rechte respektiert werden. Die Organisation zeigte sich enttäuscht über diese Entscheidung und die Botschaft, die sie an Reisende in der EU und darüber hinaus vermittelt. AirHelp bleibt seiner Aufgabe treu und wird sich weiterhin sowohl auf EU-Ebene als auch in den Mitgliedstaaten für faire und solide Fluggastrechte einsetzen. Dies beinhaltet einen aktiven Austausch mit Interessenvertretern, politischen Entscheidungsträgern und Verbraucherschutzgruppen, um sicherzustellen, daß die Stimme der Fluggäste gehört wird. Das Ziel ist es, Reisenden die bestmögliche Unterstützung zu bieten, unabhängig davon, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen. Der Kampf um den Schutz der Fluggastrechte wird mit dieser Entscheidung des Rates in eine neue, entscheidende Phase treten, in der das Europäische Parlament die Möglichkeit hat, die vorgeschlagenen Änderungen zu korrigieren oder zu bestätigen.