Das Bundeskartellamt, die deutsche Wettbewerbsbehörde, hat heute seine Genehmigung für den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung der Deutschen Lufthansa AG an der in Lettland beheimateten Fluggesellschaft Air Baltic Corporation AS bekanntgegeben.
Dieser Schritt markiert einen weiteren bedeutsamen Meilenstein in der Expansionsstrategie der Lufthansa Gruppe, welche in den letzten Jahren wiederholt durch Zukäufe und Beteiligungen auf dem europäischen Luftfahrtmarkte in Erscheinung trat. Die beiden Fluggesellschaften pflegen bereits seit einigen Jahren eine enge „Wet-Lease“-Partnerschaft, wodurch Flugzeuge samt Besatzung von Air Baltic an Lufthansa verleast werden. Diese bereits bestehende enge Verbindung hat die nun erfolgte Genehmigung der Minderheitsbeteiligung begünstigt, obschon das Bundeskartellamt auf gewiße Wettbewerbsbedenken hinwies.
Eine wachsende Partnerschaft und die Expansionsstrategie der Lufthansa
Die Beziehung zwischen der Lufthansa Gruppe und Air Baltic ist keine neue Entwicklung, sondern wurzelt in einer bereits langjährigen operativen Zusammenarbeit. Schon seit geraumer Zeit hat Air Baltic, die nationale Fluggesellschaft Lettlands, ihre Flugzeuge mitsammt Besatzungen im Rahmen sogenannter „Wet-Lease“-Vereinbarungen an diverse Airlines der Lufthansa Gruppe, wie beispielsweiße Eurowings, vermietet. Diese Art der Kooperation ermöglicht es Fluggesellschaften, ihre Kapazitäten flexibel anzupassen, ohne eigene Flugzeuge kaufen oder eigenes Personal einstellen zu müssen, während der Vermieter, in diesem Falle Air Baltic, eine verlässliche Einnahmequelle generiert. Air Baltic hat sich in den letzten Jahren zu einem führenden Betreiber moderner Airbus A220-Flugzeuge entwickelt, die für ihre Effizienz auf Kurz- und Mittelstrecken bekannt sind, und positionierte sich als wichtiger Akteur im Baltikum, einer Region mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung.
Die nun genehmigte Minderheitsbeteiligung ist auch im Kontext der umfassenderen Expansionsbestrebungen der Lufthansa Gruppe zu sehen. Der deutsche Luftfahrtkonzern hat in den vergangenen Jahren eine klare Strategie der Marktverdichtung in Europa verfolgt. Dies zeigte sich eindrücklich bei der Übernahme der italienischen ITA Airways im Jahre 2024, einem langwierigen Proceß, der ebenfalls eine intensive Prüfung durch Wettbewerbsbehörden erforderte. Die Lufthansa Gruppe verfolgt das Ziel, ihre Position als eine der größten europäischen Airline-Gruppen zu festigen und ihre Netzwerke durch strategische Partnerschaften und Zukäufe zu erweitern. Solche Minderheitsbeteiligungen erlauben es der Lufthansa, Einfluß auf die operative und strategische Ausrichtung der Partnerairlines zu nehmen, ohne die volle Kontrolle und die damit verbundenen finanziellen und operationellen Risiken einer vollständigen Übernahme einzugehen. Es ist ein cleverer Weg, Marktanteile zu sichern und das Streckennetz zu verdichten.
Air Baltic ihrerseits, obschon eine staatlich geführte Fluggesellschaft, hat in der Vergangenheit wiederholt private Investoren gesucht, um ihre Wachstumspläne zu finanzieren und ihre Flotte zu modernisieren. Die nun erfolgte Beteiligung durch die Lufthansa Gruppe, einen der größten und finanzstärksten Akteure im europäischen Luftverkehr, bietet Air Baltic nicht nur finanzielle Stabilität, sondern auch den Zugang zu einem größeren Streckennetz und potentiell zu Synergien im Betrieb. Die bestehende „Wet-Lease“-Vereinbarung und die nun formalisierte Beteiligung deuten auf eine tiefere Integration hin, die über bloße Geschäftsbeziehungen hinausgeht.
Die Details der Beteiligung: Ein strategisches Manöver und seine Implikationen
Die nun vom Bundeskartellamt genehmigte Minderheitsbeteiligung beläuft sich auf zehn Prozent der Anteile an Air Baltic. Diese scheint auf den ersten Blick gering, ist jedoch mit weitergehenden Rechten für die Lufthansa Gruppe verbunden, welche eine substantielle Teilnahme an den Entscheidungsprocessen von Air Baltic ermöglichen sollen. Das Bundeskartellamt erklärte in seiner Mitteilung, daß die Lufthansa durch diese Beteiligung einen „materiellen wettbewerblichen Einfluß auf Air Baltic“ erlangen werde. Insbesondere sei zu erwarten, „daß nach dem Zusammenschluß die Interessen ihres Minderheitsaktionärs Lufthansa in den Entscheidungen von Air Baltic maßgeblich berücksichtigt werden.“ Dies bedeutet, daß Lufthansa nicht nur ein passiver Investor ist, sondern aktiv an der Gestaltung der Zukunft von Air Baltic mitwirken kann, sei es bei Flottenentscheidungen, Streckenplanungen oder Tarifstrukturen.
Ein entscheidender Faktor für die Genehmigung war die bereits im Jahre 2024 wesentlich erweiterte „Wet-Lease“-Kooperation zwischen den beiden Fluggesellschaften. Diese vertiefte Zusammenarbeit, bei der Lufthansa Flugzeuge mitsammt Besatzung von Air Baltic anmietet, hatte bereits zu einer engen operativen Verflechtung geführt. Die „Leasingzahlungen, welche [im Rahmen dieser Vereinbarung] von Lufthansa geleistet werden, sind für Air Baltic von großer Bedeutung“, so das Bundeskartellamt. Diese finanzielle Abhängigkeit schafft eine gewiße Bindung, die über eine bloße Dienstleistungsbeziehung hinausgeht und die strategische Bedeutung der Lufthansa als Partner für Air Baltic unterstreicht. Für Lufthansa bietet diese Kooperation den Vorteil, flexibel auf Kapazitätsbedürfnisse reagieren zu können, beispielsweiße zur Unterstützung ihrer Tochtergesellschaften oder für saisonale Spitzenzeiten, ohne eigenes Kapital in den Erwerb von Flugzeugen investieren zu müssen. Die Airbus A220-Flotte von Air Baltic bietet hierbei eine moderne und effiziente Ergänzung für das Lufthansa-Netzwerk.
Kartellrechtliche Prüfung: Grenzen der Einflußnahme und „geringfügige Märkte“
Wie bei allen Transaktionen, welche die Lufthansa betreffen, beispielsweiße auch bei der Übernahme der ITA Airways im Jahre 2024, unterlag auch diese Minderheitsbeteiligung einer genauen Prüfung durch die Wettbewerbsbehörden. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes, kommentierte die Situation wie folgt: „Der geplante Erwerb wirft erhebliche Wettbewerbsbedenken auf mehreren Flugverbindungen zwischen deutschen Flughäfen und den baltischen Staaten auf.“ Er führte aus, daß auf einigen Routen die beteiligten Unternehmen direkte Konkurrenten seien und es nicht viele alternative Fluggesellschaften gäbe. Diese Feststellung deutet auf eine potentielle Marktkonzentration hin, welche normalerweise ein Eingreifen der Kartellbehörde rechtfertigen würde.
Jedoch sah sich das Bundeskartellamt in diesem Falle an die Grenzen des deutschen Fusionskontrollrechtes gebunden. „Dennoch mußten wir den Zusammenschluß genehmigen, weil die betroffenen Routen im Großen und Ganzen sogenannte geringfügige Märkte mit sehr geringem inländischen Umsatzvolumen darstellen“, erklärte Mundt. Die nationalen Fusionsbestimmungen erlauben es dem Bundeskartellamt nicht, in geringfügige Märkte einzugreifen. Eine Konzentration kann nicht untersagt werden, wenn die betroffenen Märkte nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind, was in Deutschland bei einem gesamten inländischen Umsatzvolumen von weniger als 20 Millionen Euro der Fall ist. Das Bundeskartellamt stellte fest, daß diese Schwelle auf den kritischen Routen nicht überschritten wurde, was letztlich die Genehmigung zur Folge hatte.
Trotz der nun genehmigten Beteiligung bleibt die rechtliche Trennung der Unternehmen bestehen. Es bleibt den beiden Fluggesellschaften verboten, direkte wettbewerbswidrige Absprachen zu treffen und Preise zu koordinieren. Solche Absprachen könnten als Kartellvereinbarungen eingestuft und vom Bundeskartellamt untersucht werden, was bei Zuwiderhandlungen hohe Strafen nach sich ziehen könnte. Dies unterstreicht die weiterhin bestehende Aufsicht durch die Behörde.
Die laufende „Wet-Lease“-Vereinbarung zwischen Air Baltic und Lufthansa gab indes keine Wettbewerbsbedenken, so die Regulierungsbehörde. Die Untersuchungen des Bundeskartellamtes zeigten, daß es neben Air Baltic viele alternative Anbieter für „Wet-Lease“-Dienste auf dem Markte gibt, mit denen Lufthansa bei Bedarf Verträge abschließen könnte. Eine Abschottung des Marktes durch diese Vereinbarung sei daher nicht zu erwarten. Dies sichert die Flexibilität für Lufthansa und andere Airlines, auch weiterhin auf einen Pool externer Kapazitäten zugreifen zu können.
Ausblick und mögliche Zukunftsszenarien: Eine europäische Konsolidierung
Das gegenwärtige Fusionsprojekt unterlag ausschließlich der deutschen Fusionskontrolle und nicht der europäischen Fusionskontrolle. Dies liegt daran, daß die Europäische Kommission erst bei einer signifikanten Kontrollerwerbung durch Lufthansa an Air Baltic zuständig wäre. Eine Minderheitsbeteiligung von zehn Prozent fällt nicht in diesen Bereich. Sollte Lufthansa ihren Anteil an Air Baltic in Zukunft erhöhen und die Schwelle zur „maßgeblichen Kontrolle“ überschreiten, müßte ein neues Fusionskontrollverfahren eingeleitet werden, dann jedoch durch die Europäische Kommission. Ein solches Verfahren würde eine umfassende Bewertung der Wettbewerbsauswirkungen erfordern, ähnlich der, die bei der Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa vorgenommen wurde.
Die nun erfolgte Genehmigung ist somit ein weiterer Schritt in der fortschreitenden Konsolidierung des europäischen Luftfahrtmarktes. Große Fluggesellschaften wie Lufthansa streben danach, ihre Präsenz in strategisch wichtigen Regionen auszubauen und ihr Streckennetz zu verdichten, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und sich gegen Billigfluggesellschaften und andere große Netzwerkanbieter zu behaupten. Für Passagiere könnte dies kurzfristig zu stabilen oder sogar erweiterten Flugangeboten auf den betroffenen Routen führen. Langfristig bleibt jedoch die Frage nach der Entwicklung des Wettbewerbes auf den wichtigen Verbindungen im Auge zu behalten. Der Kauf einer Minderheitsbeteiligung bei Air Baltic erlaubt Lufthansa, ihre Präsenz im Baltikum zu stärken und das Netzwerk in einer wachsenden Wirtschaftsregion auszubauen. Die Baltic-Staaten haben in den letzten Jahren an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen, und eine verbesserte Anbindung an Westeuropa ist für Geschäftsreisende und Touristen gleichermaßen von Interesse. Die strategische Verbindung mit Air Baltic könnte somit nicht nur zu einem verstärkten Passagieraufkommen führen, sondern auch die touristische und wirtschaftliche Entwicklung der Region weiter fördern. Die nun erfolgte Genehmigung der Beteiligung ist somit ein Zeichen für die dynamische Entwicklung des europäischen Luftverkehrs und die fortgesetzten Bemühungen der großen Akteure, ihre Positionen im Markte zu stärken.