Ein seltener Vorfall am Flughafen Chicago O’Hare hat für Aufmerksamkeit gesorgt: Zwei Passagiere erhielten jeweils 3.000 US-Dollar von Delta Air Lines, weil sie freiwillig auf ihren Sitzplatz verzichteten. Der Hintergrund: Überbuchung und operative Anforderungen führten dazu, daß das Flugzeug nicht wie geplant mit voller Besatzung abheben konnte. Der Fall wirft ein Licht auf gängige Praktiken der Fluglinien und auf die Bereitschaft zur Kompensation in besonderen Fällen.
Es geschah am Morgen des 21. April 2025. Der Osterreiseverkehr befand sich gerade auf seinem Höhepunkt, als Delta-Flug DL2041 von Chicago O’Hare nach Seattle starten sollte. Das Flugzeug, ein Airbus A220, war nahezu vollständig besetzt. Laut Angaben des Bodenpersonals stellte sich kurz vor dem Abflug heraus, daß das zulässige Startgewicht überschritten worden wäre, sollte die Maschine in voller Besetzung starten. Dies kann verschiedene Ursachen haben – etwa eine hohe Beladung mit Gepäck, zusätzliches Bordmaterial oder besondere Wetterbedingungen, die eine Gewichtsreduktion erzwingen.
Zunächst wandte sich das Bodenpersonal an jene Passagiere, die sich noch im Gate-Bereich aufhielten. Man bot 1.700 US-Dollar für eine freiwillige Umbuchung auf einen späteren Flug nach Seattle. Einige Reisende nahmen das Angebot an. Doch die Zahl der benötigten Freiwilligen war damit nicht erreicht.
Ein ungewöhnlich hohes Angebot an Bord
In einer für Passagiere seltenen Situation betrat ein Delta-Mitarbeiter schließlich den bereits fertig bestiegenen Flieger. Ohne große Ankündigung informierte er die Fluggäste, daß zwei weitere Personen freiwillig auf ihren Platz verzichten müßten, um sogenannte „Treibstoffausgleichsmaßnahmen“ zu ermöglichen. Das neue Angebot lautete: 3.000 US-Dollar Kompensation für einen späteren Abflug.
Wie ein Augenzeuge später in einem Internetforum berichtete, habe er „sofort die Hand gehoben, ohne lange nachzudenken“. Der Sitz in Reihe 10 war schon eingenommen, als die Nachricht kam. Eine zweite Person folgte wenige Sekunden später. Die Stimmung an Bord blieb ruhig. Es gab keine Diskussionen, kein Zögern – lediglich zwei rechtzeitig erhobene Hände. Die Entscheidung fiel schnell, da man sich der Exklusivität eines solchen Angebots offenbar bewußt war.
Ungewöhnliche Höhe der Entschädigung
Die ausgezahlte Summe erfolgte über Deltas sogenanntes „Choice Benefits“-System. Jeder der beiden Freiwilligen erhielt zwei Gutscheine: Einen im Wert von 2.000 US-Dollar sowie einen weiteren über 1.000 US-Dollar. Beide ließen sich gegen Geschenkgutscheine oder Flugkredite eintauschen. Damit steht ihnen ein Betrag von insgesamt 3.000 Dollar zur Verfügung – ein Betrag, der deutlich über den branchenüblichen Kompensationsgrenzen liegt.
In der Regel bieten Fluggesellschaften Beträge zwischen 200 und 800 Dollar an, je nachdem, ob eine Umbuchung noch am selben Tag oder erst später möglich ist. Da es sich bei Flug DL2041 um die erste Verbindung einer vierteiligen Tagesrotation des Flugzeugs handelte, war ein möglichst pünktlicher Abflug für Delta offenbar von besonderer Bedeutung. Nach dem Start in Chicago sollte die Maschine weiter nach San Diego, erneut nach Seattle und abschließend nach Austin fliegen. Jeder Verzug hätte also einen Dominoeffekt für den gesamten Tagesplan bedeutet.
Ein Phänomen der modernen Luftfahrt
Überbuchungen sind kein Einzelfall. Fluggesellschaften kalkulieren systematisch damit, daß ein gewisser Anteil gebuchter Passagiere nicht erscheint. Dies erlaubt eine maximale Auslastung der Flotte. In den Vereinigten Staaten ist diese Praxis legal und sogar durch Richtlinien der Luftfahrtbehörde geregelt. Die Fluglinien sind verpflichtet, bei unfreiwilliger Nichtbeförderung Entschädigungen auszuzahlen. Die Beträge sind gesetzlich geregelt und hängen von der Dauer der Verspätung ab, die dem Passagier dadurch entsteht.
Bei freiwilligen Umbuchungen hingegen liegt die Höhe der angebotenen Summe im Ermessen der Airline. In Extremfällen wie diesem kann sie ungewöhnlich hoch ausfallen. Delta selbst hatte bereits im Jahr 2017 seine internen Grenzwerte für Entschädigungen erhöht. Seitdem dürfen Gate-Mitarbeiter bis zu 2.000 US-Dollar anbieten, Vorgesetzte bis zu 9.950 Dollar.
Reputation und Krisenmanagement
Ein Grund für diese großzügige Politik liegt im öffentlichen Umgang mit Zwischenfällen. Der Fall United Airlines im Jahr 2017, bei dem ein Passagier gewaltsam aus einem überbuchten Flug entfernt wurde, sorgte weltweit für negative Schlagzeilen. Seitdem setzen große US-Fluggesellschaften verstärkt auf Freiwillige statt Zwangsmaßnahmen. Die aktuelle Entscheidung von Delta, bereits an Bord befindliche Gäste mit 3.000 Dollar zu entschädigen, zeigt, daß Kundenzufriedenheit und der Schutz des Markenimages heute einen hohen Stellenwert genießen – gerade im Zeitalter sozialer Medien, wo sich ein unvorteilhafter Vorfall innerhalb von Minuten weltweit verbreiten kann. Trotz des unerwarteten Eingriffs konnte Delta den Flug nahezu planmäßig durchführen. Der Airbus A220 hob um 08:09 Uhr ab – nur 18 Minuten später als geplant – und erreichte Seattle mit 22 Minuten Vorsprung auf den Zeitplan. Dies ermöglichte der Fluglinie, den übrigen Tagesflugplan ohne nennenswerte Beeinträchtigungen einzuhalten.