Eurostar (Foto: Florian Pépellin).
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Deutsche Bahn und Eurostar planen Direktverbindung nach London

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Die Deutsche Bahn (DB) und der europäische Hochgeschwindigkeitszugbetreiber Eurostar arbeiten an einer umsteigefreien Direktverbindung von Deutschland nach London. Diese ambitionierten Pläne, die eine signifikante Ausweitung des internationalen Schienenverkehrs bedeuten könnten, wurden vom Bahn-Konzern selbst bestätigt, nachdem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) darüber berichtet hatte. Beide Unternehmen sind überzeugt vom großen Potenzial einer solchen Direktverbindung, die Deutschland und Großbritannien auf der Schiene noch näher zusammenbringen soll.

Aktuell ist eine Reise von Deutschland nach London nur mit einem Umstieg in Brüssel möglich. Die geplante umsteigefrei Verbindung verspricht eine erhebliche Verkürzung der Reisezeit und eine Vereinfachung des Reiseerlebnisses, stellt jedoch auch technische, betriebliche und rechtliche Herausforderungen dar, die es zu überwinden gilt.

Die Vision einer Direktverbindung: Details der geplanten Strecke und Eurostars Expansionspläne

Die Idee einer umsteigefreien Zugverbindung von Deutschland nach London ist nicht neu, gewinnt aber nun durch die konkreten Gespräche zwischen der Deutschen Bahn und Eurostar an Realität. Gemäß dem Bericht der FAZ strebt Eurostar eine deutliche Ausweitung seines internationalen Angebots im nächsten Jahrzehnt an. Insbesondere die Verbindungen nach Deutschland und in die Schweiz sollen „in den frühen Dreißigerjahren“ kräftig aufgestockt werden. Für die Direktverbindung von Frankfurt nach London ist vorgesehen, daß täglich vier Züge verkehren werden. Eine Reisedauer von etwa fünf Stunden wird angestrebt, was angesichts der Distanz und der Notwendigkeit, den Kanaltunnel zu durchqueren, eine bemerkenswerte Effizienz darstellen würde.

Gegenwärtig ist die Reise von Deutschland in die britische Hauptstadt lediglich mit einem obligatorischen Umstieg in Brüssel möglich. Von großen deutschen Städten wie Frankfurt oder Köln verkehren ICE-Züge der Deutschen Bahn bis zur belgischen Hauptstadt, von wo aus Reisende dann in einen Eurostar-Zug umsteigen müssen, um ihre Fahrt durch den Kanaltunnel nach London fortzusetzen. Täglich werden bis zu sechs solcher Routen angeboten, was die hohe Nachfrage nach dieser internationalen Bahnverbindung unterstreicht. Die geplante Direktverbindung würde den Reisekomfort erheblich steigern, da der zeitraubende und oft umständliche Umstieg entfiele. Dies ist insbesondere für Geschäftsreisende von Vorteil, aber auch für Touristen, die eine nahtlose Reise bevorzugen.

Um die ambitionierten Expansionspläne zu realisieren, plant Eurostar erhebliche Investitionen. Unternehmenschefin Gwendoline Cazenave kündigte in dem Zeitungsbericht an, daß Eurostar zwei Milliarden Euro in die Hand nehmen und bis zu 50 neue Züge beschaffen will. Diese Investition ist ein klares Bekenntnis zum Wachstum des internationalen Hochgeschwindigkeits-Schienenverkehrs und zur Stärkung der Position Eurostars als führender Anbieter auf den Verbindungen durch den Kanaltunnel. Die Deutsche Bahn begrüßt diese Initiative ausdrücklich und signalisiert Bereitschaft zur Ausweitung der bereits bestehenden vertrieblichen Kooperation. Ein Sprecher der DB betonte: „Die schon jetzt bestehende vertriebliche Kooperation mit Eurostar wollen wir gerne ausweiten.“ Dies deutet auf eine tiefere Zusammenarbeit hin, die über den reinen Ticketverkauf hinausgehen könnte.

Eurostar: Der Schlüssel zur Verbindung über den Kanal

Eurostar ist ein Konsortium, das den Hochgeschwindigkeitszugdienst zwischen London und Kontinentaleuropa über den Kanaltunnel betreibt. Seit seiner Gründung im Jahre 1994 hat Eurostar den Reiseverkehr zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland revolutioniert, indem es eine schnelle und bequeme Alternative zum Flugzeug bietet. Die Züge verkehren hauptsächlich zwischen London St Pancras International und Paris Gare du Nord, Brüssel Midi/Zuid sowie Amsterdam Centraal. Die Flotte besteht hauptsächlich aus speziell angefertigten Eurostar e300 (basierend auf dem TGV TMST) und den neueren Eurostar e320 (basierend auf dem Siemens Velaro), die höhere Geschwindigkeiten und mehr Kapazität bieten.

Die Expertise von Eurostar im Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen durch den Kanaltunnel und die Bewältigung der damit verbundenen komplexen Grenzkontroll- und Sicherheitsanforderungen ist für die Deutsche Bahn von entscheidender Bedeutung. Eurostar verfügt über das notwendige Rollmaterial, das für den Betrieb durch den Kanaltunnel zertifiziert ist, sowie über die operativen Genehmigungen und das Know-how für den reibungslosen Ablauf internationaler Verbindungen, die unterschiedliche Eisenbahnsysteme und Sicherheitsstandards überbrücken. Die geplante Beschaffung von bis zu 50 neuen Zügen deutet auf eine weitere Standardisierung der Flotte und eine Kapazitätssteigerung hin, die für die Ausweitung der Dienste nach Deutschland und die Schweiz unerläßlich ist.

Technische, betriebliche und rechtliche Hürden: Die Herausforderungen der Direktverbindung

Obwohl die Vision einer direkten Zugverbindung von Deutschland nach London verlockend erscheint, gibt die Deutsche Bahn offen zu, daß „eine Direktverbindung von Deutschland nach London in technischer, betrieblicher und rechtlicher Hinsicht anspruchsvoll“ ist. Mehrere wesentliche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, bevor eine solche Verbindung in Betrieb genommen werden kann.

  1. Technische Aspekte:
    • Stromsysteme: Die Eisenbahnnetze in Deutschland, Belgien, Frankreich und Großbritannien verwenden unterschiedliche Stromsysteme (Wechselstrom und Gleichstrom mit verschiedenen Spannungen). Die Züge müßten daher sogenannte Mehrsystemlokomotiven oder Triebzüge sein, die in der Lage sind, zwischen diesen Systemen nahtlos zu wechseln. Die ICE-Züge der Deutschen Bahn, die auf internationalen Routen eingesetzt werden, sind zwar mehrsystemfähig, die Kompatibilität mit dem britischen Netz durch den Kanaltunnel muß jedoch sichergestellt werden.
    • Signalsysteme: Jedes Land verfügt über eigene Signalsysteme. Die Züge müßten mit allen notwendigen Signalsystemen (z.B. LZB und ETCS in Deutschland, KVB in Frankreich, TVM im Kanaltunnel, AWS und TPWS in Großbritannien) ausgestattet sein. Die Einführung des European Train Control System (ETCS) soll zwar langfristig eine Harmonisierung ermöglichen, doch bis dahin sind Übergangslösungen oder komplexe On-Board-Systeme erforderlich.
    • Fahrzeugprofile: Die Dimensionen der Züge (Breite, Höhe) müssen den sogenannten Lichtraumprofilen aller durchfahrenen Länder entsprechen, was insbesondere für den Kanaltunnel und das britische Schienennetz, das historisch ein kleineres Profil aufweist, eine Herausforderung darstellen kann.
  2. Betriebliche Aspekte:
    • Trassenverfügbarkeit: Die Bereitstellung von Trassen für vier tägliche Direktzüge erfordert eine enge Koordination mit den nationalen Eisenbahninfrastrukturunternehmen entlang der gesamten Strecke (Deutsche Bahn Netz, Infrabel in Belgien, SNCF Réseau in Frankreich, Network Rail in Großbritannien). Die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind bereits stark ausgelastet.
    • Grenz- und Sicherheitskontrollen: Die Durchquerung des Kanaltunnels und die Einreise nach Großbritannien erfordern spezifische Grenz- und Sicherheitskontrollen. Bislang erfolgen diese für Eurostar-Reisende bereits vor der Abfahrt auf dem Festland (z.B. in Paris oder Brüssel). Für eine Direktverbindung aus Deutschland müßten entsprechende Kontrollinfrastrukturen an den deutschen Startbahnhöfen eingerichtet werden, was logistischen Aufwand und zusätzliche Zeit erfordert.
    • Betriebsabläufe: Die Koordination der Fahrpläne, des Personals (Lokführer mit Kenntnissen der jeweiligen Strecken und Systeme) und der Wartung über mehrere Ländergrenzen hinweg ist eine komplexe logistische Aufgabe.
  3. Rechtliche Aspekte:
    • Zulassungsverfahren: Die Züge müßten in allen durchfahrenen Ländern zugelassen werden. Dies ist ein aufwendiger Prozeß, der technische Tests, Sicherheitsnachweise und die Erfüllung nationaler Vorschriften umfaßt.
    • Internationale Abkommen: Die Zusammenarbeit zwischen nationalen Bahngesellschaften und Eurostar erfordert detaillierte vertragliche Vereinbarungen und möglicherweise die Anpassung bestehender bilateraler Eisenbahn-Abkommen.
    • Brexit-Auswirkungen: Die politischen und rechtlichen Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union auf den Personenverkehr und die Grenzkontrollen müssen berücksichtigt werden. Dies könnte zusätzliche bürokratische Hürden schaffen.

Die Rolle des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Europa: Eine wachsende Konkurrenz zum Flugzeug

Die geplante Direktverbindung zwischen Deutschland und London ist Teil eines breiteren Trends im europäischen Reiseverkehr: der zunehmenden Bedeutung des Hochgeschwindigkeitszuges als Alternative zum Flugzeug. Insbesondere auf Strecken bis etwa 800 bis 1000 Kilometern hat der Hochgeschwindigkeitszug in den letzten Jahrzehnten seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Flugzeug stark ausgebaut. Dies liegt an mehreren Faktoren:

  • Zentrale Lage der Bahnhöfe: Bahnhöfe liegen in der Regel im Stadtzentrum und sind leicht zugänglich, was die An- und Abreisezeiten im Vergleich zu Flughäfen, die oft außerhalb der Städte liegen, erheblich verkürzt.
  • Keine langen Wartezeiten: Im Gegensatz zu Flugreisen entfallen bei Zugreisen in der Regel lange Wartezeiten für Sicherheitskontrollen und Check-in-Prozeduren, was den Reiseprozeß insgesamt effizienter macht.
  • Komfort an Bord: Moderne Hochgeschwindigkeitszüge bieten oft mehr Beinfreiheit, Arbeitsmöglichkeiten (WLAN, Steckdosen) und Bewegungsfreiheit als Flugzeuge, was insbesondere für Geschäftsreisende von Vorteil ist.
  • Verbindungsdichte: Die Möglichkeit, mehrere tägliche Verbindungen anzubieten, erhöht die Flexibilität für Reisende.

Der Ausbau des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes, zu dem auch die geplante London-Verbindung beitragen würde, ist ein strategisches Ziel vieler europäischer Staaten und Bahnunternehmen. Er trägt dazu bei, die Mobilität innerhalb Europas zu verbessern und die Konnektivität zwischen wichtigen Wirtschaftszentren zu erhöhen. Die Investitionen von Eurostar in neue Züge und der Wunsch der Deutschen Bahn nach einer Ausweitung der Kooperation unterstreichen diese Entwicklung. Eine Direktverbindung nach London würde nicht nur eine wichtige Lücke im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz schließen, sondern auch die Attraktivität des Schienenverkehrs als intermodale Alternative zum Flugzeug weiter steigern.

Ausblick: Eine zukunftsweisende Verbindung mit Potenzial

Sollte die geplante Direktverbindung von Deutschland nach London Realität werden, wäre dies ein Meilenstein für den europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr und eine deutliche Stärkung der Schienenverbindung zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien. Die Reisedauer von etwa fünf Stunden von Frankfurt nach London würde den Zug zu einer ernstzunehmenden Alternative für viele Reisende machen, die bisher auf das Flugzeug angewiesen waren. Die nahtlose Verbindung ohne Umsteigen würde den Reisekomfort erheblich verbessern und insbesondere Geschäftsreisende sowie Touristen ansprechen, die eine effiziente und entspannte Art des Reisens bevorzugen.

Die von der Deutschen Bahn angesprochenen technischen, betrieblichen und rechtlichen Hürden sind zwar nicht zu unterschätzen, doch die Bereitschaft beider Unternehmen, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen, ist ein positives Zeichen. Die Investitionen Eurostars in neue Züge und die Ausweitung der internationalen Streckennetze zeigen, daß der europäische Schienenverkehr weiterhin auf Wachstum und Innovation setzt. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob diese ambitionierten Pläne in die Tat umgesetzt werden können und eine neue Ära des direkten Schienenverkehrs zwischen Deutschland und der britischen Hauptstadt eingeläutet wird.

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