Der Luftverkehrsstandort Berlin und Deutschland sieht sich zunehmend mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) warnt vor einem drohenden Bedeutungsverlust des Standortes, der sich negativ auf die gesamte deutsche Wirtschaft und die Anbindung an den internationalen Markt auswirken könnte.
In einem Gespräch mit dem Potsdamer Landtag appellierte die FBB-Chefin Aletta von Massenbach an die Bundesregierung, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrs zu sichern. Besonders die hohe Belastung durch staatliche Steuern und Gebühren, wie die Luftverkehrssteuer, stellt ein zentrales Problem dar.
Hohes Steuer- und Gebührenniveau gefährdet den Standort
Ein zentrales Anliegen von Aletta von Massenbach ist die Abschaffung der Luftverkehrssteuer, die 2011 eingeführt wurde. Diese Steuer stellt mittlerweile eine der größten Belastungen für den Luftverkehrsstandort dar. Sie ist ein bedeutender Bestandteil der überbordenden staatlichen Abgaben, die laut von Massenbach eine der Hauptursachen für die schwierige wirtschaftliche Lage der deutschen Flughäfen darstellen.
In den letzten Jahren sind die Standortkosten für Luftfahrtunternehmen, insbesondere durch Steuern und Gebühren für die Flugsicherung, drastisch gestiegen. Ein Gutachten, das im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde, weist darauf hin, dass die Kosten zwischen 2019 und 2024 in Deutschland um 38 Prozent gestiegen sind. Dies steht im starken Gegensatz zum europäischen Durchschnitt, der lediglich eine Steigerung von 26 Prozent verzeichnete. Besonders auffällig ist die drastische Erhöhung der Luftverkehrsteuer im Mai 2024, die den Druck auf die Branche weiter verstärkte.
Die Forderung von von Massenbach nach einer Abschaffung dieser Steuer ist klar: „Wir können nicht mehr. Es funktioniert nicht mehr“, erklärte sie im Landtag. Diese Aussage spiegelt die Dringlichkeit wider, mit der die FBB-Chefin die politische Verantwortung einfordert, um den Standort Deutschland und insbesondere Berlin wieder wettbewerbsfähig zu machen. Ohne eine signifikante Entlastung bei den staatlichen Abgaben laufen Deutschland und Berlin Gefahr, in der internationalen Luftfahrt zunehmend den Anschluss zu verlieren.
Die Airlines suchen Alternativen – Langstreckenflüge fehlen
Die Auswirkungen der hohen Standortkosten sind bereits spürbar. Immer mehr Fluggesellschaften verlagern ihre Flugzeuge und Strecken aus Deutschland in andere EU-Staaten. Dies hat insbesondere den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) getroffen, dessen Anbindung an den internationalen Luftverkehr seit Jahren schwächelt. Ein zentraler Kritikpunkt ist das Fehlen von Langstreckenflügen. Momentan bietet der BER lediglich acht Langstreckenverbindungen an – eine Zahl, die bei weitem nicht den Anforderungen eines internationalen Drehkreuzes entspricht.
Robert Rückel, Vizepräsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), betonte die Notwendigkeit, mehr Airlines zu gewinnen, die sich trauen, neue Langstreckenverbindungen zu etablieren. Die Nachfrage nach internationalen Verbindungen sei vorhanden, doch es fehle an einem entsprechenden Angebot. Dies habe nicht nur Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft, sondern auch auf das Image Berlins als internationales Zentrum für Wirtschaft und Kultur.
Zusätzlich wird die Diskussion um das Nachtflugverbot in Brandenburg immer intensiver geführt. Einige Politiker und Verbände fordern eine Ausweitung des Nachtflugverbots, was jedoch laut Rückel der „Todesstoß für die Konnektivität“ wäre. Für die Luftfahrtbranche sind Flexibilität und Ausnahmen vom Nachtflugverbot essenziell, um den Betrieb rund um die Uhr aufrechtzuerhalten und internationale Verbindungen weiterhin bedienen zu können.
Gutachten und Vorschläge zur Stärkung des Luftverkehrsstandortes
Ein Gutachten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das ebenfalls vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben wurde, identifiziert mehrere weitere Faktoren, die das Wachstum des Luftverkehrs in Deutschland bremsen. Eine schwache Konjunktur, der Rückgang von Geschäftsreisen aufgrund der Zunahme digitaler Meetings sowie eine Verlagerung von innerdeutschen Reisen auf die Bahn wurden als weitere Ursachen für den rückläufigen Luftverkehr genannt.
Um den Standort zu stärken, schlägt das Gutachten verschiedene Maßnahmen vor. Ein erster Schritt wäre die Abschaffung der Luftverkehrssteuer für europäische Flüge. Diese Maßnahme könnte zu einem Anstieg der Passagierzahlen um bis zu 5 Millionen pro Jahr führen, so die Schätzungen der Experten. Insgesamt wird die Lücke zum Vorkrisenniveau auf etwa 20 Millionen Passagiere geschätzt, was zeigt, wie stark der Luftverkehrsmarkt in Deutschland in den letzten Jahren zurückgegangen ist.
Neben der Steuererleichterung werden auch eine Liberalisierung der Luftverkehrsabkommen, mehr Wettbewerb im Airline-Markt sowie eine Kostenoptimierung bei der Flugsicherung und den Flughäfen gefordert. Dabei wird allerdings darauf hingewiesen, dass die steigenden Flughafenentgelte nicht als dramatisch anzusehen sind, da sie unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Ein Bündnis aus 14 Verbänden und Gewerkschaften hat sich ebenfalls für eine Entlastung des Luftverkehrs ausgesprochen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu stärken und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern.
Die Perspektive der Bundesregierung
Die Forderungen nach einer Entlastung des Luftverkehrs und einer besseren Unterstützung der Flughäfen sind auch in der Politik angekommen. Die neue Bundesregierung ist gefordert, auf die Herausforderungen der Branche zu reagieren und konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Neben steuerlichen Entlastungen wird auch die Förderung von nachhaltigen Flugkraftstoffen und neuen Flugzeugantrieben als eine der zentralen Aufgaben für die Zukunft der deutschen Luftfahrt betrachtet.
Insgesamt ist klar, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland nur durch eine Kombination aus steuerlicher Entlastung, einer Liberalisierung der Marktbedingungen und einer kontinuierlichen Investition in neue Technologien und Flugverbindungen gesichert werden kann. Die politischen Entscheidungsträger sind daher aufgerufen, nicht nur die bestehenden Probleme anzugehen, sondern auch langfristige Lösungen zu finden, um die Luftfahrtbranche als zentralen Bestandteil der deutschen Wirtschaft zu stärken.