Ein überraschend guter Flug, gratis Entertainment und ein teures Flugzeugmodell – im Eurowings Discover A320 von Frankfurt auf die Kanarischen Inseln.
Es war ein kalter, dunkler Januarmorgen in Frankfurt, es hatte Nachtfrost gegeben und der Tag hatte mit dem Freikratzen meiner Windschutzscheibe begonnen. Dieser Tripreport hatte schon bei der Buchung vor einigen Wochen meine Vorfreude und Neugier geweckt. Was hatte ich nicht in den Wochen davor alles zu Eurowings Discover gelesen und gehört. Das aktuellste “Lieblingstool” des Kranich-Konzernvorstandes, das unter dem Projektname “Ocean” gegründet wurde, hatte den Flugbetrieb zunächst am 24.Juli 2021 unter der Flugnummer 4Y/OCN134 mit einem zuvor durch Sun Express Germany betriebenen A330 aufgenommen.
Pünktlich zur Umstellung auf den aktuell laufenden Winterflugplan startete Discover dann den Einsatz auf der Kurz- und Mittelstrecke. In den vergangenen Jahren hatte es rund um das ausgerufene „Wings – Konzept“ eine Vielzahl zumindest fragwürdiger Entscheidungen gegeben.
Die Marke Eurowings, welche übrigens im kommenden Jahr ihren 30.Geburtstag feiern kann, mutierte zu einer Art Versuchskaninchen, begleitet von damit verbundener negativer Presse, welche es zu verkraften galt.
Da war der erste Versuch der „eigenen“ Eurowings-Langstrecke ab Köln/Bonn, operated by Sun Express Deutschland, welcher mit Rekordverspätungen mehr als holprig begann. Dann war da zum Beispiel die planlos wirkende und zwischenzeitlich auch abgesagte Integration der Brussels Airlines in Eurowings, während mit dem A320 OO-SNN weiterhin ein einziges Flugzeug als eine Art „Zeitzeuge“ (bis heute) im Eurowings-Lack munter unter Brussels Airlines Flugnummern durch die Gegend fliegt, ohne je für Eurowings geflogen zu sein.
Die ebenfalls in Eurowings-Optik fliegenden A330 der Brussels Airlines waren zumindest zwischenzeitlich tatsächlich auch für Eurowings ab Düsseldorf und später Frankfurt unterwegs, wenn auch der Versuch einer eigenen Außenstation in Düsseldorf ein, für mich, unerwartet kurzes Gastspiel hatte. Zum Schluss wäre da die Eurowings Europe Station Wien, welche in eigener Form nie wirklich zündete, dann bis zur Corona Pandemie für Austrian Airlines unterwegs war und heute offenbar jegliche (eigene) Daseinsberechtigung verloren hat. Zukunft? Fragwürdig.
Das Ganze könnte man jetzt gefühlt unendlich erweitern (z.B LGW oder 4U), weshalb sich mir vorab vor allem eine Frage stellt: Wieviel Eurowings steckt tatsächlich in dieser neuen „Eurowings Discover“?
Flugziele / Anreise
Mit Stand Januar 2022 steuert Discover aktuell mit einer Flotte von 11 Flugzeugen, 8 Langstreckenflugzeuge vom Typ A330(-200/300) sowie 3 – A320-200 (Sharklets Version), 21 Flugziele ab Frankfurt an.
Die Anreise per Flugzeug nach Frankfurt sollte keinerlei Schwierigkeit darstellen, da Discover vollständig in sämtliche Verkaufskanäle der Lufthansa integriert und der Rhein-Main Airport an eine Vielzahl an Flughäfen der DACH-Region angeschlossen ist. Die Abfluggates befinden sich wie die Abflüge der Lufthansa Group allgemein im Terminal 1, wodurch auch für Business Class oder Status Gäste eine Lounge-Nutzung der Business Class/Senator Lounges in Frankfurt problemlos möglich ist. Aufgrund der aktuellen Gesetzgebung war für den Besuch der LH Lounge an diesem Morgen allerdings durch die 2G+ Regelung auch ein tagesaktueller negativer Test notwendig, welcher separat vor Eintritt professionell und freundlich kontrolliert wurde.
Check-In
Discover verfügt zum einen über separat ausgewiesene Check-In Schalter im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens. Je nachdem wo der Flug gebucht wurde, ist auch ein Check In über den Webcheck-In von Discover oder über die App/Website der Lufthansa möglich (dieser öffnet sich bei Kombination mit einem Lufthansa Flug ab 23 Stunden vor Abflug).
Trotz dessen, dass ich bereits am Vortag die im Zuge der Pandemie notwendige Covid-Dokumentation hochgeladen und auch per Mail bestätigt bekommen hatte, erhielt ich auf diesem Flug meine Bordkarte nicht vorab, weshalb ich den Check-In Schalter morgens persönlich und zur Nachkontrolle aufsuchen musste.
Sowohl der Check der Dokumente, als auch die anschließende Sicherheitskontrolle klappten allerdings reibungslos, so dass ich keine 15 Minuten nach Erreichen des Terminals bereits sämtliche Kontrollstellen passiert hatte.
Boarding
Da das Flugzeug an diesem Morgen auf einer Außenposition mit dafür kurzem Rollweg zur Startbahn West geparkt war, erfolgte ein Bus-Boarding. Leider muss ich dazu sagen, dass das Boarding sehr unstrukturiert ablief. Hier war zumindest an diesem Morgen seitens der Boarding-Crew in Frankfurt noch reichlich Luft nach oben.
Nach circa 5-minütiger Busfahrt über das Vorfeld des Frankfurter Flughafens erreichte ich mit dem 1. Bus rund 15 Minuten vor der geplanten Abflugzeit den A320, weshalb ich einen pünktlichen Abflug in weite Ferne rücken sah. Freundlich begrüßt die Crew die einsteigenden Passagiere an diesem Morgen mit dem von Lufthansa bekannten Desinfektionstüchern in schlichtem weiß.
Was mir direkt ins Auge fiel, war die komplett unterschiedliche Uniform der Kabinenbesatzung. In einem dunklen Farbton gehalten und lediglich mit hellblauen und violetten Akzenten wirkte diese, anders als die „schlumpfblauen“ Eurowings-Uniformen, deutlich unaufdringlicher und klassischer.
Der Sitz
Die aktuell drei im Dienst befindlichen A320 verfügen allesamt über 174 Sitze in einer 2-Klassen-Konfiguration. Je nach Bedarf wird der mobile Klassentrenner im vorderen Bereich verbaut und trennt samt Vorhängen und Sichtschutz die Economy- von der Business-Class.
In der Vorbereitung auf diesen Flug hatte ich über einen längeren Zeitraum die Preise und die Seatmap verfolgt, welche stark schwankten. Zwischenzeitlich waren die Sitzreihen 1-7 für die Business Class vorgesehen, am Reisetag waren letztendlich „nur“ die Reihen 1-4 als Business Class abgetrennt. Erwähnenswert finde ich, dass diese dann letztendlich aber auch mit 15 von 16 verfügbaren Plätzen fast vollständig ausgebucht gewesen ist.
Mit einem analog der Lufthansa gut funktionierenden Upgrade System wäre hier eventuell sogar noch mehr drin gewesen, dieses funktioniert aber leider aktuell nicht wirklich und lediglich gegen M&M Meilen plus Aufpreis. Die Economy-Class startete auf diesem Testflug ab Reihe 5 und war mit 120 Fluggästen an Bord ebenfalls gut ausgelastet.
Steckdosen oder ähnliches sind auf den ehemaligen Lufthansa A320SL nicht verbaut, der Akku sollte also gut geladen mit an Bord erscheinen. Eine minimale Verstellung der Rückenlehne (Recline) ist gegeben, was den gut 3000km langen Flug im vorderen Sitzbereich (unabhängig der Reiseklasse) somit auch ohne Schwierigkeiten überstehen lässt.
Generell ist zu sagen, dass der Sitzabstand vor dem Notausgang, wie bereits erwähnt, als großzügig zu beschreiben ist und daher auch den Aufpreis (bei Buchung der Economy) absolut wert ist. Die Kabine befand sich allgemein in einem sehr guten Zustand und war offensichtlich vor dem AOC-Wechsel zu Discover auch nochmals pfleglich aufbereitet worden.
Da die A320-Flotte aktuell in der Regel nur 2 Flüge am Tag durchführt und damit als maximal „halbtags“ beschäftigt angesehen werden kann – ein weiteres klares Indiz dafür, dass die Kabine fast unberührt wirkte. Mit Beginn des Sommerflugplanes 2022 und dem dann geplanten Streckennetz dürfte sich dies allerdings zügig ändern.
Der Flug / Service an Bord
Eurowings Discover bietet analog der Mitbewerber auf der Kurz- und Mittelstrecke einen kostenpflichtigen Verkaufsservice in der Economy-Class mit einem umfangreichen Angebot an warmen und kalten Speisen, süßen und salzigen Snacks, alkoholischen und alkoholfreien Getränken.
Kalte Snacks wie ein Laugenbrötchen mit Hähnchenbrust oder der Vegane Chili Sin Carne Wrap (siehe Slideshow) werden ab 5€, warme Optionen wie (derzeit) Mac&Cheese oder Chicken Terriyaki sind zu einem Preis ab 9,50€ an Bord erhältlich. Der halbe Liter Wasser wird an Bord zu 2,50€ angeboten und ist damit geringfügig günstiger als bei Konzernschwester Eurowings. Für die Bezahlung an Bord sollte man, wie dieser Tage häufiger an Bord erlebt, eine Kredit- oder Debitkarte zur Hand haben, da Bargeld an Bord nicht akzeptiert wurde.
In der Business Class hat man die Möglichkeit, eines der in der Economy-Class zum Verkauf angebotenen warmen Speisen, kostenfrei zu bestellen dazu werden analog der Lufthansa Business Class die offenen Getränke (im Glas) gereicht. Vor dem Start wurde mir ein alkoholfreier „Moscow Mule“ als Welcome Drink angeboten, doch natürlich gab es auch wahlweise ein Wasser oder Orangensaft. Die wiederverwendbaren Kaffeebecher aus grauem Plastik sind allerdings Geschmackssache.
Ich persönlich finde einen Kaffee aus einem ebenfalls abwasch- und damit wiederverwendbaren Porzellanbecher deutlich schöner und irgendwie auch hygienischer. Dies liegt aber zu einzig und allein an der Sicht des Betrachters und zusätzlich dürfte die Anschaffung von Porzellan natürlich auch mit deutlich höheren Kosten verbunden sein. In der Economy Class habe ich auf diesem etwas über 4,5 Stunden dauernden Flug 3 Verkaufsdurchläufe gezählt.
In der Business Class wurde nach dem Aperitif und dem gewählten warmen Essen samt Getränken, der von der Langstrecke bekannte Discover Cookie Service durchgeführt, zusätzlich wurde circa 50 Minuten vor der Landung ein weiterer Getränkewunsch abgefragt plus (auf Wunsch) eine Packung Kekse gereicht.
Alles in allem absolut ausreichend, freundlich und zuvorkommend. Die Crew wirkte präsent und routiniert sowie aufmerksam, aber nicht aufdringlich. Dem Bordverkaufssortiment, welches für Kurz/ Mittel und Langstrecke galt, konnte ich entnehmen, dass Decken auf der Langstrecke in der Economy-Class für 9,50€ gekauft werden können. Wer sich allerdings für 42€(!) ein Eurowings Discover Modellflugzeug mit Standfuß zulegen soll, entschließt sich meiner Vorstellung, selbst für mich als Luftfahrtfan ein wenig zuviel des Guten.
Entertainment / Wifi
Bei den derzeit drei eingesetzten, gut 5 Jahre „alten“ A320 Sharklets aus dem Bestand der Lufthansa handelt es eigentlich um Flugzeuge, welche zuvor beim Einsatz der Mainline auch mit dem Wifi-Service ausgestattet waren. Seitdem die Flugzeuge nun in Diensten der Discover, stehen ist dies zumindest aktuell nicht mehr der Fall.
Stattdessen bietet man ein eigenes, umfangreiches Entertainment-Tool unter der Bezeichnung „Eurowings Discover Onboard Cloud“ auf dem eigenen Endgerät an. Der Gesamtauftritt wirkte ansprechend, sauber, verständlich und klar strukturiert. (siehe Slideshow)
Zunächst einmal war ich äußerst überrascht, dass sämtliche Inhalte kostenfrei angeboten wurden. Ob dies nun im Zuge der Einführung der Fall ist (wie seinerseits schon bei Eurowings) oder dauerhaft, bleibt abzuwarten. Geboten wurde neben der interaktiven Flugkarte (wie von Eurowings bekannt) eine recht große Auswahl aus über 20 verschiedenen Filmen, 15 Serien und worauf auch nach dem Start direkt per Ansage hingewiesen wurde, ausgewählten Folgen des „ARD Tatort“. Sowohl auf dem Telefon , aber insbesondere auf dem Tablet oder dem Laptop mit größerem Bildschirm eine tolle Möglichkeit zum Zeitvertreib, sollte man „unvorbereitet“ zum Flug erscheinen. Zusätzlich wird natürlich auch die Möglichkeit geboten aus einer Auswahl von Spielen zu wählen und für mich persönlich, das wohl nützlichste Tool, bestand auch die Möglichkeit, aus zahlreichen, verschiedenen, aktuellen Zeitschriften und Magazinen kostenfrei zu wählen und diese als PDF aufs eigene Endgerät zu ziehen.
Es bleibt sehr zu hoffen dass diese Cloud Variante sowohl im Umfang als auch im Inhalt 1:1 auf Dauer erhalten bleibt und dieser „USP“ gegebenenfalls sogar noch weiter ausgebaut wird (z.B mit Wifi-Service analog der Schwester Eurowings).
Das Fazit des Autors:
Aus reiner Sicht des Gastes, ohne eine Wertung der taktischen Spielereien des Konzernvorstandes vorzunehmen, aus denen das deutsche Pendant der „Edelweiss“ geschmiedet worden ist, muss man klar sagen, dass „DER neue Ferienflieger“ der Lufthansa ein gutes und absolut konkurrenzfähiges Produkt bietet, welches mich in einigen Punkten positiv überrascht hat.
Die optische Erscheinung der Kabine im Lufthansa-Outfit mit den schlichten Discover Akzenten wirkt ebenso wie die unauffälligere Uniform der Crew chic. Dies tut der Außenwirkung als Ganzem definitiv gut. Zu hoffen bleibt, dass auch mit der absehbaren Erweiterung der Flotte in den kommenden Wochen und Monaten diese eingeschlagene Linie beibehalten wird und kein „Gemischtwarenladen“ entsteht. Die Kontrolle der Daily Operations durch die Lufthansa Kanäle ist ein Lerneffekt aus dem ersten Versuch und clever.
Dies bringt vor allem in der „Ramp Up Phase“ eine gewisse Routine, Erfahrung und Ruhe in die Ops. Das nahtlose Connecting mit der Lufthansa klappte im Test einwandfrei, die Abfertigung sowohl in Deutschland als auch auf den Kanaren ebenso. Für Premiumgäste ist die problemlose Nutzung der Lufthansa-Lounge ein weiterer angenehmer Vorteil.
Die „lässigen“ Ansagen im Stil – „eure Discover-Crew hat alles dafür vorbereitet“ oder „wenn es euch gefallen hat, tagged uns doch auf Instagram mit @eurowingsdiscover“, sind sicherlich jugendlicher und frischer auf der einen Seite, mir persönlich aber ein wenig zu „locker“ und wirken künstlich aufgesetzt und eher abschreckend.
Das gesamte Kurz- und Mittelstrecken-Produkt der Discover liegt innerhalb des Konzern für mich irgendwo in der Mitte zwischen Lufthansa und Eurowings. Wer in der Economy-Class mit Discover auf der Mittelstrecke und im A320 unterwegs ist, findet einen neuen Player vor, welcher auf absoluter Augenhöhe zu den direkten Mitbewerbern auf den Kanarenrouten ab Frankfurt (Condor und TUIFly) unterwegs ist. Mit den kostenfreien Möglichkeiten der OnBoardCloud ist man im Bereich Entertainment modern und der Konkurrenz in der Zeit derzeit deutlich voraus. Der durch die Corona-Pandemie unterstrichene Trend, wonach immer mehr Gäste auch im Bereich der „Leisure“ Fliegerei Premium Produkte suchen und buchen, trägt die Business Class absolut Rechnung. Allein durch die vorhandene räumliche Abtrennung (anders als die BizClass bei Schwester Eurowings), welche dem Flug insgesamt mehr Ruhe im vorderen Teil der Kabine gibt (was sich natürlich auch im vorderen Teil der Economy bemerkbar macht), wirkt die C-Class bei Discover wie ein vollwertiges Produkt.
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit finde ich auch die Idee der Wahlmöglichkeit des Essens aus der „normalen“ Verkaufskarte für vertretbar und intelligent, reduziert dies doch am Ende des Tages nicht nur Müll, sondern generiert eventuell gar zusätzlich noch Einnahmen da ein in der Business Class nicht verzehrtes, kostenloses Essen, in der Economy-Class problemlos verkauft werden kann. Air Berlin hatte diese Idee bereits seinerzeit bei der Einführung der European Business Class vorgemacht.
Nach dieser überaus positiven Gesamterfahrung würde ich derzeit bei einer Flugbuchung im „Premium Bereich“ und bei ähnlichen Flugzeiten Eurowings Discover der Konkurrenz vorziehen. Außer dem Namen „Eurowings“ im Außenauftritt hat Discover derzeit nicht viel mehr gemeinsam mit der gleichnamigen Konzernschwester, außer ihrer DNA. Es handelt sich auf der Kurzstrecke um keinen Klon, sondern um ein eigenes Produkt, welches in vielen Bereichen eher an Lufthansa als an Eurowings angelehnt ist. Es bleibt für die Kollegen zu hoffen, dass die Entscheidungsträger auch auf längere Sicht und damit länger, als das im 1.Anlauf der Eurowings Langstrecke der Fall war, Freude an diesem Projekt haben werden. Alles in allem macht mich dieser Flug aber doch sehr neugierig auf meinen ersten Langstreckenflug mit Discover auf dem A330, welcher zu gegebener Zeit definitiv folgen wird.
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