Die Billigfluggesellschaft Ryanair und der tschechische Tickethändler Kiwi haben schon seit vielen Jahren juristische Auseinandersetzungen miteinander. Nun entschied der Europäische Gerichtshof, dass der Lowcoster auch dann eine Ausgleichszahlung leisten muss, wenn rechtzeitig über die Streichung eines Fluges informiert wurde.
Hintergrund ist, dass viele so genannte Online-Travel-Agents beim Verkauf von Flugtickets so genanntes Screen-Scraping einsetzen. Offizielle Verträge mit den Airlines gibt es meistens nicht. Um zu verhindern, dass der Passagier direkt mit der Airline in Kontakt tritt, werden zumeist automatisch generierte Kontaktdaten, jedoch nicht die tatsächliche E-Mail-Adresse des Kunden hinterlegt. Genau dieser Umstand führte dazu, dass der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof gelandet ist.
Eigentlich könnte man annehmen, dass Ryanair mit der mehr als zwei Wochen vor dem Abflug per E-Mail versandten Information, dass der Flug nicht stattfinden wird, allen Informationsverpflichtungen nachgekommen ist. Allerdings hat Kiwi.com diese E-Mail nie an den Passagier weitergeleitet, so dass ihn die Information nicht erreicht hat. Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass die Airline in einem solchen Fall dennoch zur Leistung der Kompensationszahlung verpflichtet ist.
Bemerkenswert an diesem Urteil ist, dass Ryanair seit vielen Jahren gegen so genannte OTAs juristisch vorgeht und auch gegen Kiwi.com zahlreiche Prozesse geführt hat. Der Carrier vertritt die Ansicht, dass man nur selbst das Recht zum Verkauf eigener Flugtickets habe. Bislang verlor der Billigflieger die meisten Prozesse. Eines der Argumente von Ryanair ist übrigens, dass Online-Travel-Agents die Kontaktdaten der Reisenden meist nicht weitergeben oder aber Fake-E-Mail-Adressen eintragen.
Im Fall, der vor dem EuGH gelandet ist, wollen die Passagiere erst einen Tag vor dem Abflug über den Web-Check-in erfahren haben, dass ihr Flug nicht stattfinden wird. Die erste Instanz entschied, dass Ryanair der Informationspflicht nachgekommen ist und eben nicht für die Nichtweitergabe der Absage-Mail durch Kiwi.com haftet. Das wollten die Kläger nicht auf sich sitzen lassen und gingen in Berufung. Das Landgericht legte den Fall dann dem Europäischen Gerichtshof zur Vorab-Entscheidung vor.
Dieser entschied zu Gunsten der Passagiere und stellte fest, dass Fluggäste in dieser speziellen Konstellation das Recht auf eine Ausgleichszahlung haben. Damit wurde indirekt festgestellt, dass Fluggesellschaften für die Nichtweitergabe von Informationen durch OTAs haftbar gemacht werden können und zwar auch dann, wenn es keinen offiziellen Vertriebsvertrag gibt. Der Europäische Gerichtshof bleibt damit seiner Spruchpraxis treu. In einer ähnlichen Konstellation entschied man zum Jahr 2017 ebenfalls zu Gunsten der Reisenden.