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Fluggastrechte in der Kritik: Unwissen, Unmut und Unsicherheit bei Europas Passagieren

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Die Ergebnisse einer aktuellen internationalen Umfrage des Unternehmens AirHelp bringen Licht in ein Thema, das Millionen von Fluggästen betrifft, aber nur wenigen im Detail bekannt ist: die Rechte von Passagieren im Falle von Flugverspätungen, Annullierungen und Überbuchungen. Während viele wissen, dass es Fluggastrechte gibt, fehlt es den meisten an konkretem Wissen darüber, wie und wann diese geltend gemacht werden können. Besonders brisant: Zeitgleich plant die Europäische Union eine Reform, die den Schutz für Reisende deutlich abschwächen könnte – sehr zum Unmut vieler Passagiere.

Die Untersuchung, an der 3.100 Personen aus Europa, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Brasilien teilnahmen, zeigt auf, daß zwar rund 81 Prozent der europäischen und 78 Prozent der britischen Fluggäste sich grundsätzlich der Existenz von Passagierrechten bewußt sind – doch nur eine Minderheit weiß, was genau diese beinhalten. In einem Test zur Anwendung dieser Rechte schnitten lediglich 24 Prozent der europäischen Passagiere mit korrekten Antworten ab. Deutsche Fluggäste lagen mit 27 Prozent leicht über dem europäischen Durchschnitt, während Frankreich mit nur 18 Prozent besonders schlecht abschnitt. Noch gravierender sind die Ergebnisse in Brasilien und den USA, wo lediglich neun beziehungsweise sieben Prozent der Teilnehmenden korrekte Angaben machen konnten.

Im internationalen Vergleich zeigen sich deutsche Passagiere nicht nur am besten informiert, sondern auch am engagiertesten in der Durchsetzung ihrer Rechte. Während in Europa insgesamt rund die Hälfte der Betroffenen eine Entschädigung beantragt hat, liegt die Quote in Deutschland mit 68 Prozent deutlich höher. In Großbritannien sind es 44 Prozent, in Brasilien 26 Prozent und in den USA lediglich 20 Prozent. Dies spricht dafür, daß die deutsche Öffentlichkeit ein höheres Bewußtsein für ihre Ansprüche entwickelt hat – möglicherweise auch aufgrund stärkerer medienseitiger Aufklärung und rechtlicher Unterstützungsangebote.

Zufriedenheit und Kritik: Ein geteiltes Meinungsbild

In Deutschland herrscht ein differenziertes Bild über den Zustand der Fluggastrechte: 46 Prozent der Befragten äußerten Zufriedenheit mit der aktuellen Rechtslage, doch ebenso viele fordern eine Verbesserung. Besonders auffällig: Jeder fünfte deutsche Passagier wünscht sich eine erhebliche Stärkung seiner Rechte. Ähnlich ist die Lage im Vereinigten Königreich.

In anderen Teilen Europas hingegen ist die Unzufriedenheit größer: Nur 33 Prozent der irischen und französischen Passagiere halten den bestehenden Schutz für ausreichend, in Portugal sogar nur 23 und in Spanien gar nur 20 Prozent. In den USA ist das Vertrauen in die lokalen Fluggastrechte besonders gering – nur zehn Prozent der Befragten empfinden die bestehenden Regelungen als angemessen.

Geplante EU-Reform stößt auf Widerstand

Während sich weltweit zwei Drittel der Befragten eine Stärkung ihrer Rechte wünschen, plant die EU-Kommission das Gegenteil. Ein neuer Gesetzesvorschlag sieht vor, daß Fluggäste künftig erst ab einer Verspätung von fünf, neun oder zwölf Stunden – je nach Flugdistanz – Anspruch auf Entschädigung haben sollen. Bislang gilt eine Wartezeit von drei Stunden.

Dies würde de facto bedeuten, daß ein Großteil der aktuell erstattungsfähigen Fälle künftig ohne Ausgleich bliebe. Laut der Umfrage empfinden lediglich 16 Prozent der Befragten die geplante neue Regelung als fair. Ein Drittel der Teilnehmenden hält die derzeitige Drei-Stunden-Grenze für angemessen, ein weiteres Drittel wünscht sich gar eine Grenze von zwei Stunden oder weniger.

Bereitschaft zur Eigenvorsorge steigt

Angesichts der Unsicherheit hinsichtlich der politischen Entwicklungen zeigen sich viele Passagiere bereit, für garantierte Leistungen selbst aufzukommen. Weltweit gaben 79 Prozent der Befragten an, einen Aufpreis zahlen zu wollen, wenn dies im Falle schwerwiegender Flugstörungen eine garantierte Entschädigung sicherstellt. In Deutschland liegt dieser Anteil sogar bei 50 Prozent, die zehn bis zwanzig Euro oder mehr pro Ticket zusätzlich investieren würden. Vergleichbare Werte zeigen sich auch in Brasilien und den USA, wo 47 Prozent der Passagiere bereit wären, über zehn Dollar zusätzlich zu zahlen.

Ein zentrales Problem bleibt das mangelnde Wissen über konkrete Rechte, Fristen und Vorgehensweisen. Viele Passagiere wissen nicht, an wen sie sich wenden müssen, was ihnen genau zusteht und wie sie ihren Anspruch durchsetzen können. Zwar existieren Plattformen wie AirHelp, die hierbei unterstützen, doch eine flächendeckende Aufklärung findet kaum statt. Gerade für weniger internetaffine oder ältere Reisende stellt dies eine erhebliche Hürde dar.

Rechte kennen, Rechte sichern

Die Studie von AirHelp bringt deutlich zum Ausdruck, daß es einen großen Bedarf an umfassender Aufklärung und effektiver Durchsetzung bestehender Rechte gibt. Während viele Passagiere ihre Rechte grundsätzlich befürworten und sogar bereit sind, für deren Absicherung zu zahlen, bedroht der aktuelle Reformvorschlag der Europäischen Union diesen Schutz. Ohne ein klares Signal aus Politik und Gesellschaft droht eine Schwächung der Verbraucherinteressen im Flugverkehr – mit unklaren Konsequenzen für Millionen von Reisenden innerhalb und außerhalb Europas.

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