Gatebereich C21-24 am Flughafen Wien (Foto: Jan Gruber).
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Flugreisen: Rechte, Einschränkungen und Herausforderungen bei Inkontinenz und weiteren chronischen Erkrankungen

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Die Mitnahme medizinischer Hilfsmittel und Medikamente auf Flugreisen ist für viele Passagiere mit chronischen Erkrankungen oder gesundheitlichen Einschränkungen eine Notwendigkeit – jedoch auch mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden.

Zwischen Sicherheitskontrollen, restriktiven Gepäckregelungen und uneinheitlichen Vorschriften der Fluggesellschaften entstehen häufig Missverständnisse, die für Betroffene zur Belastungsprobe werden. Dies gilt insbesondere bei Erkrankungen wie Diabetes, Inkontinenz oder psychischen Leiden, die mitunter unsichtbar, aber mit hohem organisatorischem Aufwand verbunden sind.

Pünktlich zum Anstieg des Osterreiseverkehrs setzt die Billigfluggesellschaft Wizz Air mit der Initiative „Fit to Fly – medizinisch gut vorbereitet“ ein Zeichen für mehr Gesundheitsbewußtsein in der zivilen Luftfahrt. Mit rund 4.000 geplanten Flügen allein über das verlängerte Osterwochenende sieht sich die Airline in einer besonderen Verantwortung gegenüber ihren Passagieren – insbesondere jenen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Die neue Kampagne verfolgt das Ziel, das Bewußtsein für gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen vor Flugreisen zu schärfen und die Zahl medizinischer Zwischenfälle an Bord zu verringern.

Steigendes Gesundheitsrisiko im Luftverkehr

In den vergangenen Jahren ist die Zahl medizinischer Zwischenfälle während Flugreisen weltweit gestiegen. Laut einer Studie des „New England Journal of Medicine“ kommt es bei etwa einem von 600 Flügen zu einem ernsten medizinischen Vorfall. Ursachen sind dabei so vielfältig wie die Passagiere selbst: von Kreislaufschwächen über allergische Reaktionen bis hin zu akuten Erkrankungen wie Thrombosen oder sogar Herzinfarkten. Die eingeschränkten Möglichkeiten medizinischer Versorgung in der Flugkabine machen Prävention umso wichtiger.

Vivien Peto, Unternehmenssprecherin und Botschafterin von Wizz Air, erklärt dazu: „Wie bereits im Rahmen unseres Customer First Compass Programms angekündigt, ist es unser Ziel, allen Passagieren eine sichere und angenehme Reise zu ermöglichen. Durch frühzeitige Aufklärung – insbesondere vor dem Anstieg des Osterreiseverkehrs – können wir dabei helfen, vermeidbare Vorfälle an Bord zu vermeiden und sicherstellen, daß alle pünktlich und gesund bei ihren Liebsten ankommen.“

Grundsatz: Medizinisch Notwendiges darf mit – aber nur mit Nachweis

Die Mitnahme medizinischer Geräte, Hilfsmittel und Medikamente im Flugzeug ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings verlangen viele Airlines sowie die Sicherheitsbehörden am Flughafen einen Nachweis über die medizinische Notwendigkeit. Dies kann in Form einer ärztlichen Bescheinigung oder eines sogenannten „Fit-to-Fly“-Attests erfolgen. Das Dokument sollte möglichst aktuell sein und auf Englisch oder in der Landessprache des Start- bzw. Zielflughafens vorliegen.

Die Bescheinigung kann beim Check-in, bei der Sicherheitskontrolle, beim Boarding oder an Bord eingefordert werden. Wer Hilfsmittel wie Katheter, Urinbeutel, Windeln oder Medikamente in größerer Menge mitführt, sollte diese separat und griffbereit im Handgepäck aufbewahren – am besten zusammen mit einer Packliste und ärztlichem Nachweis.

Medizinische Tauglichkeit – häufig unterschätzt

Ein zentraler Bestandteil der Initiative „Fit to Fly“ ist die Information über medizinische Flugtauglichkeit. Besonders Reisende mit bestehenden Vorerkrankungen, schwangere Passagierinnen ab der 28. Schwangerschaftswoche sowie Personen, die kürzlich operiert wurden, sollten vor Antritt ihrer Reise eine ärztliche Einschätzung einholen. In bestimmten Fällen ist eine Flugtauglichkeitsbescheinigung („Fit-to-Fly“-Attest) verpflichtend. Diese Bestimmung gilt für nahezu alle Fluggesellschaften im europäischen Raum und wird im Rahmen der allgemeinen Sicherheitsvorgaben von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) unterstützt.

Kabinenpersonal in der Pflicht – aber nur begrenzt handlungsfähig

Zwar ist das Kabinenpersonal bei Wizz Air auf Notfälle vorbereitet und durch regelmäßige Schulungen für medizinische Zwischenfälle sensibilisiert, dennoch stoßen die Möglichkeiten einer Erstversorgung in der Kabine schnell an ihre Grenzen. Moderne Verkehrsflugzeuge verfügen zwar über Defibrillatoren und standardisierte Notfallsets, doch invasive Maßnahmen oder eine ärztliche Behandlung sind während des Fluges nicht möglich.

Eine außerplanmäßige Landung aufgrund eines medizinischen Notfalls ist mit hohen Kosten und erheblichen organisatorischen Komplikationen verbunden. In solchen Fällen trägt der betroffene Passagier sowohl die Verantwortung für die medizinische Weiterbehandlung als auch für die Organisation der Heimreise – ein Grund, weshalb die Airline ausdrücklich den Abschluß einer Reiseversicherung empfiehlt.

Praktische Ratschläge für gesundes Reisen

Neben den formellen Aspekten vermittelt die Kampagne auch konkrete Handlungsempfehlungen für Fluggäste. Dazu gehören:

  • Medikamente im Handgepäck: Notwendige Arzneimittel und medizinische Dokumente sollten stets griffbereit im Handgepäck mitgeführt werden.
  • Bequeme Kleidung: Luftdurchlässige, lockere Kleidung hilft, das Risiko von Kreislaufproblemen zu minimieren.
  • Kompressionsstrümpfe: Vor allem bei längeren Flügen wird deren Nutzung empfohlen, um einer Thrombose vorzubeugen.
  • Flüssigkeitsaufnahme: Regelmäßiges Trinken von Wasser ist entscheidend, da die Luftfeuchtigkeit in der Kabine sehr gering ist.
  • Bewegung in der Kabine: Kurze Spaziergänge oder einfache Dehnübungen fördern die Blutzirkulation.
  • Medikamenteneinnahme planen: Bei Zeitverschiebungen sollte die Einnahme von Medikamenten entsprechend angepasst und mit Erinnerungsfunktionen koordiniert werden.
  • Mund-Nasen-Schutz bei Erkältung: Auch ohne gesetzliche Verpflichtung wird Rücksichtnahme erwartet – wer erkältet reist, sollte eine Maske tragen.
  • Hilfsmittel für Ruhephasen: Gegen Fluglärm und Schlafmangel helfen Nackenkissen, Schlafmasken und geräuschreduzierende Kopfhörer.

Zielgruppe im Fokus: Ältere Reisende und Familien

Insbesondere ältere Menschen, Schwangere und Familien mit Kleinkindern sind während des Reisens höheren Belastungen ausgesetzt. Der Osterreiseverkehr gilt dabei als besonders stressintensiv, da viele Passagiere nur über begrenzte Flugerfahrung verfügen oder ungeplant kurzfristige Reisen antreten. Auch Reisende, die sich nach medizinischen Eingriffen in der Regeneration befinden, sind häufiger von Komplikationen betroffen.

Durch die gezielte Ansprache dieser Gruppen und die Bereitstellung von Informationsmaterial will Wizz Air präventiv wirken. Die Kampagne wird sowohl online über die Unternehmenswebseite als auch direkt in der Kommunikation mit den Passagieren am Check-in und während des Boardings umgesetzt.

Branchenweite Bedeutung der Initiative

Wizz Air steht mit dieser Maßnahme nicht allein. Auch andere europäische Fluggesellschaften wie Ryanair, Lufthansa und easyJet beobachten mit wachsender Aufmerksamkeit die Zunahme medizinischer Zwischenfälle an Bord. Laut Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hat sich der Trend seit 2019 verstärkt. Der demographische Wandel, die Zunahme von Individualreisen im Alter sowie längere Flugstrecken tragen zur erhöhten gesundheitlichen Belastung bei.

Die Initiative „Fit to Fly“ wird daher als Modell für ähnliche Maßnahmen in der Luftfahrt betrachtet. Ob sich daraus eine branchenweite Standardisierung ergibt, bleibt abzuwarten – die Reaktionen der Fachwelt sind jedoch überwiegend positiv.

Inkontinenz auf Flugreisen: Ein unsichtbares, aber reales Problem

Inkontinenz betrifft Millionen Menschen in Europa, ist jedoch gesellschaftlich weitgehend tabuisiert. Betroffene, die auf Einlagen, Katheter, Wechselkleidung oder saugende Hilfsmittel angewiesen sind, benötigen auf Reisen zusätzliche Ausrüstung – insbesondere auf Langstreckenflügen.

Dabei stellt die Begrenzung der Gepäckmenge häufig ein praktisches Problem dar. Windeln, Einlagen und Schutzunterlagen nehmen viel Platz ein, und bei Reisen von mehreren Tagen oder Wochen steigt der Bedarf erheblich. Viele Airlines zeigen sich hier verständnisvoll und gewähren auf Vorlage eines ärztlichen Nachweises eine zusätzliche Freigepäckmenge für medizinische Hilfsmittel.

Keine zusätzliche Freigepäckmenge bei Wizz Air und Austrian Airlines

Im Gegensatz zu mehreren anderen europäischen Fluggesellschaften verweigert Wizz Air die zusätzliche Freigepäckmenge bei Inkontinenz kategorisch. Passagiere müssen alle medizinisch notwendigen Hilfsmittel im regulären Handgepäck oder Aufgabegepäck unterbringen. Ein ärztliches Attest ändert an dieser Regelung nichts.

Auch Austrian Airlines, eine Tochtergesellschaft der Lufthansa Group, zeigt sich in diesem Punkt wenig kulant. Während Lufthansa, Swiss, Eurowings und Discover Airlines auf Antrag mit Nachweis zusätzliche Freigepäckmengen für medizinische Güter gewähren, lehnt Austrian dies in der Regel ab.

Diese Regelung trifft vor allem ältere Menschen und Personen mit chronischer oder temporärer Inkontinenz, etwa nach Operationen, Geburt oder bei neurologischen Erkrankungen. Das medizinische Erfordernis wird zwar grundsätzlich anerkannt, bleibt aber logistisch unberücksichtigt – mit spürbaren Nachteilen für Betroffene.

„Wizz Air ist bestrebt, allen Fluggästen ein komfortables und sicheres Reiseerlebnis zu bieten, auch jenen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen. Wir sind uns bewusst, dass einige Reisende unter besonderen Bedingungen leiden, wie z. B. Inkontinenz, und wir bemühen uns, ihren Flug so reibungslos und komfortabel wie möglich zu gestalten. Solche Fluggäste müssen zwar vor der Reise keine besonderen Vorkehrungen treffen, aber aus Sicherheitsgründen müssen sie in der Lage sein, sich selbständig um ihren Gesundheitszustand zu kümmern, z. B. durch das Tragen von Erwachsenenwindeln, damit sie sitzen bleiben können, solange das Anschnallzeichen eingeschaltet ist. Unsere Standard-Gepäckbestimmungen bleiben in Kraft: Passagiere ohne Wizz- Priority dürfen ein Handgepäckstück mit den Maßen 20×30×40 cm mitnehmen, und Passagiere mit Wizz- Priority dürfen zusätzlich ein Trolley-Gepäckstück mit den Maßen 23×40×55 cm mitnehmen. Die Mitnahme von gefährlichen Gütern an Bord ist gemäß der Gefahrgutrichtlinie verboten“, so ein Wizz-Air-Sprecher zu diesem Thema.

„Derzeit bieten wir leider keine speziellen, kostenfreien Zusatzgepäckregelungen für inkontinente Personen an. Unsere Gäste können jedoch auf jedem Flug ein kostenfreies Handgepäckstück (max. 8 kg und max. 55 x 40 x 23 cm) sowie einen persönlichen Gegenstand (40 x 30 x 10 cm) mit an Bord nehmen. Zusätzlich benötigtes Gepäck kann bei Bedarf kostenpflichtig hinzugebucht werden. Wir sind stets bemüht, dass sich alle unsere Gäste an Bord wohlfühlen, und unterstützen gerne, wo es möglich ist“, erklärt eine Sprecherin der Austrian Airlines.

„Condor bietet Gästen die Möglichkeit, medizinische Hilfsmittel als kostenfreies Übergepäck im Hand- oder Aufgabegepäck mitzunehmen. Gäste werden gebeten, sich in diesem Fall so früh wie möglich, spätestens jedoch bis 48 Stunden vor Abflug, mit Condor in Verbindung zu setzen und diesen Bedarf anzumelden. Alle Informationen zum Thema medizinisches Übergepäck finden sich auch auf unserer Webseite unter Barrierefrei Reisen | Alle Informationen | Condor. Hier finden Gäste außerdem das offizielle Anmeldeformular (Anmeldeformular für eine Unterstützung – Condor) für die Buchung der kostenfreien Unterstützung oder der Mitnahme von medizinischem Übergepäck für die Dauer der geplanten Reise. Sobald alle Informationen inklusive eines ärztlichen Attests, über das Anmeldeformular oder den Condor Kundenservice eingereicht wurden, erhält der Gast eine schriftliche Bestätigung. Diese sollte während der gesamten Flugreise mit sich geführt werden“, so eine Condor-Sprecherin.

Weitere Herausforderungen: Diskretion, Entsorgung und Zugang zu Sanitäreinrichtungen

Auf Flugreisen ist Diskretion für Betroffene besonders wichtig. Einlagen und Hilfsmittel sollten daher gut organisiert und möglichst unauffällig mitgeführt werden. Viele Flugzeuge verfügen nur über begrenzte Platzverhältnisse in den Bordtoiletten, was den Wechsel erschwert.

Zudem ist die Entsorgung von Hilfsmitteln problematisch: Für Windeln oder Katheterbeutel gibt es keine speziellen Entsorgungsvorrichtungen an Bord. Ein diskreter Umgang mit diesem Thema seitens des Kabinenpersonals ist wünschenswert, jedoch nicht garantiert. Empfohlen wird, Einmalbeutel mitzuführen, die geruchsneutral und hygienisch verschließbar sind. Auch Ersatzkleidung und Desinfektionstücher gehören ins Handgepäck.

Beförderungspflicht für Personen mit eingeschränkter Mobilität

Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 regelt die Rechte von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität im Luftverkehr innerhalb der EU. Sie verpflichtet Fluggesellschaften, diesen Personenkreis ohne Zusatzkosten zu befördern – sofern keine zwingenden Sicherheitsgründe entgegenstehen.

Flughäfen und Airlines sind verpflichtet, auf vorherige Anmeldung Hilfe anzubieten: etwa durch Bereitstellung eines Rollstuhls, Unterstützung beim Ein- und Aussteigen oder Hilfe bei der Nutzung sanitären Einrichtungen. Die Anmeldung muß mindestens 48 Stunden vor Abflug erfolgen.

Auch Mobilitätshilfen wie Rollatoren, Gehhilfen oder Sauerstoffgeräte dürfen kostenlos mitgeführt werden – sofern sie angemeldet sind und die Sicherheitsvorschriften erfüllen. Die Beförderung von Begleitpersonen oder medizinisch notwendigen Assistenzen ist ebenfalls unter bestimmten Bedingungen kostenfrei möglich.

Vorab bei Airlines informieren und gegebenenfalls Bedarf anmelden

Die Mitnahme medizinischer Hilfsmittel und Medikamente auf Flugreisen verlangt von den Betroffenen eine sorgfältige Vorbereitung – insbesondere bei unsichtbaren Erkrankungen wie Inkontinenz oder psychischen Leiden. Die Regelungen der Fluggesellschaften sind dabei unterschiedlich streng. Während einige Airlines auf Anfrage großzügige Ausnahmeregelungen ermöglichen, zeigen sich andere – wie Wizz Air und Austrian Airlines – unflexibel.

Personen mit besonderen Bedürfnissen sollten sich frühzeitig mit den Gepäckrichtlinien ihrer Fluggesellschaft auseinandersetzen, notwendige Atteste vorbereiten und alle medizinischen Güter entsprechend kennzeichnen. Nur so lassen sich Unannehmlichkeiten beim Reisen weitgehend vermeiden.

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