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Flut von Klagen gegen Airlines: Zivilverfahren wegen Flugverspätungen und -annullierungen erreichen neue Höchststände

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Die Zahl der Klagen gegen Fluggesellschaften hat im vergangenen Jahr in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Laut dem Deutschen Richterbund wurden an den großen Flughäfen des Landes rund 131.000 Verfahren eingereicht, was einen Anstieg von etwa 6.000 Klagen im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Besonders auffällig ist, dass der Großteil dieser Verfahren aus Streitigkeiten zwischen Fluggästen und Airlines resultiert, die häufig auf Verspätungen, Annullierungen oder andere Probleme im Zusammenhang mit Flugreisen zurückzuführen sind. Der zunehmende Trend zu mehr Klagen scheint eng mit der Erholung des Flugverkehrs nach der Corona-Pandemie verknüpft zu sein.

Die Zahl der Verfahren variiert je nach Flughafenstandort, wobei das Amtsgericht Köln mit rund 41.300 Verfahren im Jahr 2024 das mit Abstand höchste Aufkommen verzeichnet. Das entspricht einem Anstieg von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese hohe Zahl könnte mit der zentralen Rolle des Flughafens Köln-Bonn im Luftverkehr und der dort ansässigen Lufthansa zusammenhängen, die Europas größtes Luftfahrtunternehmen ist. Das Amtsgericht Frankfurt/Main folgt mit rund 16.000 Verfahren, während das für den Berliner Flughafen BER zuständige Amtsgericht Königs Wusterhausen knapp 15.500 Klagen verzeichnete.

Der Grund für diesen Anstieg der Klagen wird von Experten auf die Wiederaufnahme des Reiseverkehrs nach den pandemiebedingten Einschränkungen zurückgeführt. Die Zahl der Fluggäste hat sich 2024 auf rund 213,5 Millionen erhöht, was im Vergleich zu den 185,2 Millionen Passagieren im Jahr 2023 einen erheblichen Zuwachs darstellt. Diese steigende Zahl von Flugreisenden geht Hand in Hand mit einer Zunahme von Konflikten und Beschwerden gegenüber den Airlines, die immer häufiger vor Gericht landen.

Zivilverfahren und Schlichtungsstellen: Klagen und Entschädigungen

Der Großteil der Klagen richtet sich gegen Fluggesellschaften, die für verspätete oder annullierte Flüge verantwortlich gemacht werden. Doch auch Fälle, die Reiserechtsverletzungen betreffen, wie etwa Streitigkeiten zu Reiseverträgen, machen einen Teil der Verfahren aus. Neben den traditionellen Gerichtsverfahren gibt es auch Schlichtungsstellen, die in vielen Fällen zwischen den Fluggästen und Airlines vermitteln. Insbesondere die „Schlichtungsstelle Reise & Verkehr“ hat im vergangenen Jahr über 45.600 Anträge bearbeitet, von denen mehr als 84 Prozent Streitigkeiten mit Fluggesellschaften betrafen. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Fälle auf rund 38.000, was einem Anstieg von etwa 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Bei der Schlichtungsstelle konnten in mehr als 80 Prozent der Fälle eine Einigung erzielt werden, was darauf hindeutet, dass eine außergerichtliche Lösung für viele Reisende eine schnellere und kostengünstigere Option darstellt. Dennoch zeigen die Zahlen, dass das formelle Gerichtsverfahren weiterhin ein zentraler Bestandteil des Konfliktlösungsmechanismus im Luftverkehr ist.

Neue Technologien zur Entlastung der Gerichte

Die hohe Zahl an Klagen hat nicht nur zu einer Belastung der Gerichte geführt, sondern auch zur Entwicklung neuer Technologien, die eine Entlastung des Justizsystems ermöglichen sollen. Der Deutsche Richterbund verweist auf spezielle KI-Assistenzprogramme, die an größeren Amtsgerichten erprobt werden und die Bearbeitung von Massenklagen beschleunigen sollen. Diese Programme können in Sekundenschnelle Tausende von Urteilen vergleichen, um Voraussetzungen für Entschädigungsansprüche herauszufiltern und Vorschläge für Entscheidungen zu machen. Ziel dieser Programme ist es, die Gerichte von der immer größer werdenden Zahl an standardisierten Verfahren zu entlasten und gleichzeitig die Bearbeitungszeit für jedes einzelne Verfahren zu reduzieren.

Dennoch gibt es noch keine vollständig ausgereifte Software, die in der gesamten Justizlandschaft zum Einsatz kommen könnte. Laut Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, ist die Technologie vielversprechend, jedoch noch nicht flächendeckend einsatzbereit. Es wird weiterhin an der Optimierung der Programme gearbeitet, um eine effizientere und kostengünstigere Bearbeitung von Fällen zu gewährleisten.

Hürden für Fluggäste: Kosten und langwierige Verfahren

Obwohl immer mehr Fluggäste ihre Ansprüche über Portale wie AirHelp oder EUflight durchsetzen, ist der Gang vor Gericht nach wie vor mit Hürden verbunden. Für viele Reisende ist der juristische Weg nicht nur zeitaufwändig, sondern auch finanziell belastend. Gerichtsgebühren müssen oft im Voraus gezahlt werden, und im Falle einer Niederlage trägt der Kläger in der Regel die Kosten der Gegenseite. Dies führt dazu, dass viele Airlines trotz der Aussicht auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Niederlage weiterhin Klage einreichen.

Laut der Schlichtungsstelle Reise & Verkehr und dem Portal EUflight sind Verfahren bei den Gerichten in vielen Fällen langwierig und können bis zu einem Jahr oder länger dauern, selbst wenn die Ansprüche der Fluggäste eindeutig sind. Dies ist insbesondere für Reisende frustrierend, die auf eine schnelle und unkomplizierte Entschädigung angewiesen sind. Lars Watermann, Gründer des Portals EUflight, schlägt vor, dass der Einsatz von KI zur Strukturierung und Präsentation des Sachverhalts in vielen Fällen hilfreich sein könnte. Die Entscheidung selbst sollte jedoch nach wie vor den Gerichten überlassen bleiben, um Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.

Ein Trend, der sich fortsetzen dürfte

Die Zahl der Klagen gegen Fluggesellschaften hat 2024 einen neuen Rekord erreicht und zeigt, dass die Fluggastrechte auch weiterhin ein heißes Thema bleiben. Während der Luftverkehr in Deutschland nach der Pandemie wieder wächst, nimmt auch die Zahl der Beschwerden und Klagen zu, was zu einer erheblichen Belastung für die Justiz führt.

Die Entwicklung von KI-Programmen zur Unterstützung der Gerichte könnte ein wichtiger Schritt sein, um die Effizienz zu steigern und die Verfahren zu beschleunigen. Doch auch in Zukunft werden sowohl Fluggesellschaften als auch Reisende weiterhin mit den Herausforderungen des rechtlichen Rahmens im Luftverkehr konfrontiert sein. Die Frage bleibt, ob die vorhandenen Systeme ausreichen, um die wachsende Zahl an Streitigkeiten effizient zu bearbeiten.

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