Gastkommentar: Die Golfairline am Atlantik

Gastkommentar: Die Golfairline am Atlantik

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Es hört sich an wie ein böses Märchen aus 1001 Nacht, ist aber knallharte Realität in Mitten der EU. Das kleine Portugal hat während der Pandemie TAP mit Zuschüssen von 3,2 Milliarden gerettet, mehr als jedes andere Land und das auch noch ohne Verpflichtung zur Rückzahlung. Das ist nur einer von vielen Punkten, die massives Unverständnis hervorrufen und einen dunklen Schatten auf Portugal werfen. Doch was spielt sich unbemerkt vom Rest Europas ab und wer sind die handelnden Akteure? In mehreren Teilen möchten wir die dunklen Ecken ausleuchten.

Es hat sich alles zu gut angehört. David Neeleman, einer der erfolgreichsten Manager der Branche, stieg 2015 mit dem Konsortium Atlantic Gateway bei TAP ein, nachdem er erfolgreich bereits JetBlue, Azul, Westjet und Breeze gegründet hat. Die Flotte wurde als einer der ersten Europas mit A320neo und A330neo erneuert. Aufbruchsstimmung im ärmsten Land Westeuropas mit einem Mindestgehalt von rund 700 Euro pro Monat.

Wenige Jahre später haben es Politik und lokale Akteure geschafft, das Bild komplett zu drehen, 3,2 Milliarden zu versenken und den kompetenten Manager zu verscheuchen. Niemand bezuschusst so viel in Europa wie Portugal und ist trotzdem so erfolglos. Doch was ist passiert?

Aktuell hakt es an allen Ecken, eine der neuesten Flotten in Europa macht Probleme, das Personal streikt, die Airline ist verstaatlicht, der zuständige Minister überfordert, es werden Ferienflüge in ganz Europa verramscht, es hagelt Strafen und verlorene Gerichtsverfahren, während die Geschäftsführung komplett abgehoben erscheint, aber das sehen wir uns im Detail an:

Flottenerneuerung

Als erste Airline in Europa nahm Tap Ende 2017 den A330neo in Betrieb, auch A321LRs stießen dazu. Doch Early Adopter müssen damit rechnen, dass nicht alles problemlos läuft und die Flotte beginnt Probleme zu machen. So musste ein alter A330-200 (CS-TOO) in der Flotte behalten werden, um bockigen Rolls-Royce -Triebwerken ein Backup anzubieten, zwei weitere A330-200 wurden 2020 in Frachter (Preighter) umgewandelt und sogar als TAP “AIR CARGO” bemalt. Die CS-TON hatte dabei erst Ende Oktober 2022 den ersten Frachtflug und schon wird die CS-TOP wieder zum Passagiereinsatz umgebaut.

Gepaart mit den niedrigen Jahresflugstunden des Personals und mit dem überaus ambitionierten Ferienflugplan für Urlauber aus ganz Europa reicht die Kapazität nicht mehr und es wird auch fleißig per ACMI eingechartert: Loganair, Bulgaria Air liefern mehrere Embraers, Hifly hilft regelmäßig mit A340 und A330 in die Karibik sowie in der Sommerzeit nach Warschau und Wien aus, Kostenpunkt eine Million Euro pro Monat alleine für Hifly.

Zuletzt wurde White mit acht ATR 72-600 rausgeworfen und Xfly als Ersatz beschafft, Nordica fliegt nun auch für Tap. Es ist bunter als zur buntesten Austrian-Lauda-Zeit.

Auch die erst 2019 neu eingeführte Zwischenklasse EconomyXtra wurde heimlich, still und leise wieder abgeschafft: Zuerst das inkludiert Essen und zuletzt auch der Name. Es bleiben reservierbare Sitze namens ComfortSeat und viele sunk cost rund um die Produktneueinführung vor kurzer Zeit. EconomyXtra sowie die Comfort Seats sind aber weiterhin mit einem Bug auch kostenlos reservierbar.

Die Geschäftsführung

2015 als Neeleman bei Tap eingestiegen ist, hat Christine Ourmières-Widener, die damalige Geschäftsführerin der CityJet in London, die Airline abrupt per sofortiger Wirkung verlassen. Ein Jahr zuvor ist Hans Rudolf Wöhrl mit seiner Intro Aviation wie auch bei Intersky bei CityJet eingestiegen. Heute ist CityJet im Gläubigerschutz und fliegt statt Linie nur noch ACMI.

2017 wurde Christine Ourmières-Widener Geschäftsführerin der FlyBe, im Februar 2019 FlyBe an das Konsortium Connect Airways verkauft und Ende Mai teilte die Fluggesellschaft mit, dass die Geschäftsführerin FlyBe binnen nur sechs Wochen verlassen wird.

Zwei Jahre später im Juni 2021 wurde sie als CEO der TAP bestellt. War es ein genialer Schachzug? Wollte der Eigentümer, der Staat, nun die Reißleine ziehen und die Expertin zur Abwicklung rufen? Denn all die Milliarden haben nicht viel gebracht, außer den kranken Patienten weiter künstlich am Leben zu halten. Die Lohnkosten je Mitarbeiter befinden sich nur ganz knapp unter denen der Lufthansa Gruppe (inklusive Swiss!) und sind sogar größer als die Kerosinaufwendungen, undenkbar in der Branche, undenkbar auch in der Privatwirtschaft, gerade im Vergleich Portugal und DACH-Raum.

Doch auch hier kommt es anders. Die Neue bereist munter gefühlt jede Woche eine neue Destination im Streckennetz und setzt massive Ausbaupläne um: 9 neue Destinationen, allesamt Feriendestinationen wie Cancun und Punta Cana werden gestartet, Umsteigetickets via Lissabon regelrecht verramscht, 100 Euro transatlantisch oneway in Economy und 900 Euro return in Business auf der Langstrecke für alle vier Flüge aus halb Europa. In Portugal wird bereits gescherzt, dass Portugal dem Rest Europas den interkontinentalen Urlaubsflug bezuschusst.

Nicht nur im Streckennetz wird geprotzt, es werden auch 79 brandneue BMWs für die Führungskräfte gesucht, die komplett branchenfremde Frau des Fitnesstrainers der CEO bekommt eine Führungsposition mit €15.000 Monatsgehalt und auch das bisherige, wenig repräsentative Head Office direkt am Flughafen in Lissabon ist nicht mehr gut genug, weshalb für 4 Millionen Euro Jahresmiete ein neues direkt am Weltausstellungsgelände angeschafft wird. Kurz nachdem die Privatisierung inklusive Käufersuche angestrebt wird, Mietvertragslaufzeit unbekannt.

Das Personal

Während es sich die Führungsetage in der Krise gut gehen lässt, beginnt das Personal sich um die eigenen Pfründe Sorgen zu machen. Ein Streik gegen die Privatisierung und Verlust der jahrelang erworbenen Rechte am 8. und 9. Dezember wurde angekündigt, das Management hat bereits über 360 Flüge gestrichen. Aktuelle Durchschnittskosten je Mitarbeiter 56.000 Euro pro Jahr bei 770 Euro Mindestgehalt, 600 Flugstunden Maximum pro Jahr im Vergleich zu 900 bei Austrian. Ärgerlich ist sicherlich, dass die 5% Mitarbeiterbeteiligung an der Fluggesellschaft im Zuge Rekapitalisierung komplett verwässert wurden, wobei 5% an einem vermutlich symbolischen einem Euro nicht viel wert sind.

Ebenfalls vorsorglich wurden aufgrund der Personalknappheit zusätzlich von 15. November bis Jahresende 400 Flüge gestrichen. Passagiere auf betroffenen Flügen werde einfach Tage später ohne Rückfrage umgebucht, Umbuchungen auf Allianzairlines trotz rechtlicher Verpflichtung werden verweigert.

Kundenservice

Flugstreichungen und Verspätungen sind aktuell an der Tagesordnung. Gerade am 14. November hat Tap vom US Department of Transport eine Strafe in der Höhe von 550.000 Dollar bekommen, die natürlich am Ende auch der Steuerzahler zahlt. Rückerstattungen während der Pandemie gab es, wenn überhaupt, nur als Voucher mit einjähriger Gültigkeit.

Es wird noch kurioser: Tap warnt offiziell seit 31.10. auf Twitter vor einem Phishingversuch. Betrüger geben sich als Tap aus und verlangen persönliche Daten im Rahmen einer Kompensationszahlung zu einer Flugverspätung. Kurz davor wurde Tap nämlich gehackt und 1,5 Millionen Kundendaten im Internet veröffentlicht, was bis heute Phishing und Spamemails verursacht.

Dem nicht genug, zuletzt ist am Flughafen Lissabon ein Abfertigungsmitarbeiter ertappt worden, über 2000 Euro an Gebühren für Zusatzgepäck bar eingesteckt zu haben und andere Fluggäste einfach nochmal per Kreditkarte damit belastet zu haben.

Der Steuerzahler als Eigentümer

Es scheint, als ob auch die Vertreter der Steuerzahler nicht wissen, was sie tun. Eine zweite Airlinegruppe gehört ebenfalls der portugiesischen öffentlichen Hand: Sata und Azores Airlines der autonomen Region der Azoren. Gegen diese fliegt die Schwester Tap im Wettbewerb, vor der Pandemie sogar transatlantisch aus Ponta Delgada nach Nordamerika, aktuell zwischen Lissabon und Porto und den Azoren. Der Steuerzahler, der pro Kopf Tap mit über 300 Euro bezuschusst hat, kommt so zu sehr günstigen Flugtickets und zu doppelten Managementpositionen. Ryanair und EasyJet fliegen aber auch diese Strecken ohne Zuschuss, noch günstiger und mit weniger Verspätungen.

Die letzten Wochen hat ein anderes Unternehmen des Eigentümers massenhafte Flugausfälle und Verspätungen gesorgt: NAV Portugal, die Flugsicherung und Pendant zur Austro Control, hat eine neue Software eingeführt, die komplett aus dem Ruder lief. Lissabon war im Oktober einer der Flughafen mit den meisten Verspätungen.

Zuständig für all das ist ein Superminister: Pedro Nuno Santos, Infrastruktur und Wohnraumminister, der sich regelmäßig mit dem parteigleichem Premierminister Costa einen öffentlichen Schlagabtausch liefert und fast zum Rücktritt gezwungen wurde. Anders als Deutschland oder Österreich hat er die Tap-Beihilfen so schlecht verhandelt, dass es auch keinen Cent davon zurückgibt. Andere Länder haben mit Kreditrückzahlungen samt Zinsen sogar Gewinn dabei gemacht.

Von außen erscheint das Ministerium jedenfalls als unprofessionell, überfordert und inkompetent, mehr dazu in einer anderen Episode rund um den Flughafen Lissabon.

Die Privatisierung

Nun aber vom kleinteiligen zurück zum großen Ganzen. Als einziger Ausweg sieht der fragwürdige Superminister nun die Privatisierung, nachdem auch er bemerkt, dass über drei versenkte Milliarden genug sind. Doch wer kauft so eine Airline? Muss ein Käufer nicht, wie es damals bei Austrian der Fall war, zum lächerlichen Kaufpreis noch mehrere hundert Millionen Euro geschenkt bekommen?

Hier könnte ein doch genialer Schachzug verborgen liegen. Die aktuelle CEO hat sehr gute Verbindungen nach Frankreich, kommt von dort und hat selbst zwei Jahrzehnte bei Air France gearbeitet. Schafft sie es, dass ein möglicher Käufer einen Schwan im hässlichen Entlein sieht, so könnte sie sich noch richtig bezahlt machen. Auch Carsten Spohr, der kein Freund der Mayrhuberschen Übernahme von Austrian ist, könnte unter Zugzwang geraten, nachdem Air France sich ITA geschnappt hat und IAG Iberia und Air Europa. Rational ist dies nicht, hat sich Lufthansa noch nie in kaufkraftschwachen Märkten behaupten können und viele Leichen im Keller (Lufthansa Italia, Lufthansa Berlin, Lufthansa Düsseldorf, Jump, Germanwings, Eurowings, …). Erst kürzlich hat Michael O’Leary im Gespräch mit dem norwegischen Staatsfondmanager gemeint, er siehe IAG als Käufer von TAP.

Fazit: Das Management landet immer weich, der frühere CEO und auch der Netzwerkchef haben mittlerweile bei Etihad angeheuert, der vorherige Netzwerkchef hat sein Unwesen bei Austrian und danach bei Netjets betrieben. In einiger Zeit werden wir wissen, wie die Geschichte ausgeht: Wird Tap eine neue Malev oder kauft doch jemand die Golfairline vom Atlantik, der die Staatskassen bald nicht mehr offenstehen.


Dieser Gastkommentar wurde verfasst von: Carlos Müller

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