Boeing 777-300ER (Foto: https://www.flickr.com/photos/mitrebuad/).
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Gravierender Zwischenfall über Delhi: Air India Boeing 777 verliert nach Start an Höhe

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Nur 38 Stunden nach dem tragischen Verlust eines Boeing 787-8 Dreamliners derselben Fluggesellschaft in Ahmedabad, welcher 270 Menschenleben forderte, ist ein weiterer schwerwiegender Zwischenfall bei der indischen Fluggesellschaft Air India bekannt geworden.

Die indische Luftfahrtbehörde Directorate General of Civil Aviation (DGCA) hat eine umfängliche Untersuchung eingeleitet, nachdem eine Air India Boeing 777 kurz nach dem Abflug vom Delhi-Indira Gandhi International Airport (DEL) auf ihrem Wege zum Wiener International Airport (VIE) in Österreich urplötzlich rund 900 Fuß (etwa 300 Meter) an Höhe verlor. Der Vorfall, welcher sich am 14. Juni 2024 ereignete, wirft im Lichte der jüngsten Tragödie erneut beunruhigende Fragen bezüglich der Betriebssicherheit bei Air India auf und hat eine verstärkte behördliche Aufsicht zur Folge.

Schockierender Höhenverlust: Der Vorfall von Flug AI187 im Detail

Der nunmehr bekanntgewordene Zwischenfall betraf den Air India Flug AI187, welcher planmäßig vom Delhi-Indira Gandhi International Airport (DEL) in Richtung Wien International Airport (VIE) operierte. Die Maschine, eine Boeing 777-300ER mit der Registrierung VT-ALU, hob um 03:16 Uhr Ortszeit in Delhi ab. Es handelt sich um ein Langstreckenflugzeug, welches für die Beförderung von bis zu 345 Passagieren konfiguriert ist und nach einem Crewwechsel in Wien seine Reise nach Toronto in Kanada fortsetzen sollte. Berichten zufolge herrschten zum Zeitpunkt des Abfluges starke Gewitteraktivitäten in der Nähe des Flughafens, eine Wetterlage, die von Flugbesatzungen erhöhte Aufmerksamkeit und präzise Flugführung verlangt.

Unmittelbar nach dem Start, während des initialen Steigfluges, als das Flugzeug allgemach vom Flughafengelände aufstieg, erhielt die Besatzung im Cockpit mehrere kritische Warnungen. Das Großraumflugzeug empfing eine Strömungsabrißwarnung (Stall Warning), begleitet von zwei automatisierten akustischen Warnungen „Don’t sink“ (Nicht sinken) des Bodenannäherungswarnsystems (GPWS – Ground Proximity Warning System). Diese Warnungen, so bestätigten beteiligte Beamte, wiesen die Besatzung auf einen ungewöhnlichen und abnormalen Höhenverlust hin. Offizielle Quellen bestätigten, daß das Flugzeug während seines anfänglichen Steigfluges tatsächlich ungefähr 900 Fuß, also rund 300 Meter, an Höhe verlor. Ein derartiger Höhenverlust in der kritischen Startphase stellt ein äußerst ernstes Ereignis dar, welches das Potential hat, die Sicherheit der an Bord befindlichen Personen unmittelbar und gravierend zu gefährden.

Technische Systeme im Detail: Die Bedeutung kritischer Warnungen

Die von der Besatzung erhaltenen Warnungen sind essentielle Sicherheitsmerkmale moderner Verkehrsflugzeuge, konzipiert, um Piloten auf unmittelbare Gefahren aufmerksam zu machen. Laut den beteiligten Beamten erhielt die Besatzung eine sogenannte „Stick Shaker“-Warnung. Dieses System ist ein integraler Bestandteil der Sicherheitsmechanismen und manifestiert sich durch eine Vibration der Steuerknüppel der Piloten, um vor einem drohenden aerodynamischen Strömungsabriß zu warnen. Ein Strömungsabriß tritt ein, wenn die Anströmung der Tragflächen nicht mehr ausreicht, um genügend Auftrieb zu erzeugen, was zum Verlust der aerodynamischen Kontrolle und einem unkontrollierten Sinken des Flugzeuges führen kann. Das „Stick Shaker“-System ist darauf ausgelegt, die Aufmerksamkeit der Piloten unverzüglich auf diese kritische Situation zu lenken und eine sofortige Korrekturmaßnahme zu induzieren, wie beispielsweiße das Senken der Flugzeugnase und das Erhöhen der Triebwerksleistung, um zusätzlichen Auftrieb zu schaffen und den Strömungsabriß abzuwenden.

Des Weiteren ertönten Warnungen des Bodenannäherungswarnsystems (GPWS) mit der akustischen Meldung „Don’t sink“. Dieses System ist primär dazu da, einen kontrollierten Flug in das Gelände (CFIT – Controlled Flight Into Terrain) zu verhindern. Es überwacht die Höhe des Flugzeuges über dem Gelände und die Sinkrate und warnt die Besatzung, wenn das Flugzeug zu schnell oder zu niedrig in Richtung des Bodens fliegt. Das zweimalige Ertönen dieser Warnung in Kombination mit der Strömungsabrißwarnung deutet auf eine äußerst prekäre Fluglage hin, in der das Flugzeug gleichzeitig Auftrieb verlor und sich dem Boden unkontrolliert näherte. Die Fähigkeit der Besatzung, das Flugzeug nach diesen multiplen, kritischen Warnungen erfolgreich abzufangen und den Flug sicher fortzusetzen, unterstreicht zwar deren Training und Professionalität unter extremem Druck, lenkt jedoch den Fokus der Untersuchung auf die Ursachen, die zu einer solchen Situation unmittelbar nach dem Start führten.

Die Rolle der Flugdaten: Diskrepanzen und Konsequenzen für das Personal

Ein beunruhigender Aspekt des Vorfalles war die Diskrepanz zwischen dem anfänglichen Bericht des Piloten und den später ausgewerteten Daten der Flugschreiber. Der ursprüngliche Flugbericht soll lediglich „Stick Shaker aufgrund von Turbulenzen nach dem Start“ erwähnt haben. Demzufolge wurden die Warnungen des Bodenannäherungssystems (GPWS) und die Strömungsabrißwarnungen in dieser initialen Meldung ausgelassen. Erst die detaillierte Analyse der Flugschreiberdaten, insbesondere des Flugdatenschreibers (FDR – Flight Data Recorder), welcher alle relevanten Flugparameter minutiös aufzeichnet, offenbarte das volle Ausmaß des Zwischenfalles. Die vollständige Offenlegung aller Warnungen und Flugzustände ist für eine transparente und effektive Unfalluntersuchung von größter Bedeutung, da nur so die genauen Umstände und möglichen Ursachen ergründet werden können.

Angesichts dieser Offenbarungen hat die DGCA umgehend weitreichende Konsequenzen gezogen. Beide involvierten Piloten wurden unmittelbar vom Flugdienst suspendiert („off-rostered“). Dieses Vorgehen ist in der Luftfahrtindustrie Standard, um eine unvoreingenommene Untersuchung zu ermöglichen und weitere Risiken auszuschließen, bis alle Fakten restlos geklärt sind. Des Weiteren wurde der Sicherheitschef der Fluggesellschaft von der DGCA zur Befragung vorgeladen. Dies deutet darauf hin, daß die Behörde nicht nur die unmittelbaren technischen oder menschlichen Ursachen des Zwischenfalls beleuchtet, sondern auch die internen Sicherheitsprotokolle, das Meldesystem und das Management der Sicherheit bei Air India umfassend unter die Lupe nimmt. Ein Sprecher von Air India bestätigte die Maßnahmen: „Nach Erhalt des Pilotenberichts wurde die Angelegenheit gemäß den Vorschriften an die DGCA gemeldet. Anschließend, nach Erhalt der Daten von den Flugschreibern, wurde eine weitere Untersuchung eingeleitet. Die Piloten wurden bis zum Abschluß der Untersuchung vom Dienst freigestellt.“ Diese Aussage impliziert, daß Air India erst nach der Auswertung der Flugdaten die vollständigen Informationen über den Vorfall besaß oder an die Behörde weitergab.

Trotz des kritischen Ereignisses zeigen die von Flightradar24 erhaltenen Daten, daß das betroffene Flugzeug den Flug nach dem Zwischenfall planmäßig fortsetzte. Die Maschine landete sicher in Wien um 08:23 Uhr Ortszeit, etwa acht Stunden und 37 Minuten nach dem Abflug in Delhi. Nach einer Bodenzeit von einer Stunde und 50 Minuten setzte der Flug seine Reise wie geplant nach Toronto fort. Dies unterstreicht die Fähigkeit der Besatzung, das Flugzeug nach dem Vorfall stabil zu halten und die Mission fortzusetzen, lenkt jedoch nicht von der Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung ab.

Ein Muster der Besorgnis: Jüngste Ereignisse und die DGCA-Aufsicht

Der nun bekanntgewordene Zwischenfall mit Flug AI187 ist kein isoliertes Ereignis, sondern fiel in eine kritische Zeit für Air India. Er ereignete sich nur 38 Stunden nach der tragischen Katastrophe von Flug AI171, bei dem ein Boeing 787-8 Dreamliner in Ahmedabad abstürzte und 270 Menschen ums Leben kamen. Diese erschütternde Abfolge von Ereignissen hat bei der DGCA tiefgreifende Besorgnis über die Betriebssicherheit und die Wartungspraktiken bei Air India ausgelöst. Als unmittelbare Reaktion auf die Häufung der Vorfälle hatte die DGCA bereits eine „verstärkte Aufsicht“ über die Flotte und die Sicherheitsprotokolle der Fluggesellschaft eingeleitet.

Am 17. Juni äußerte die DGCA formell ihre Besorgnis über „jüngste wartungsbedingte Probleme“ bei Air India. Diese Feststellung deutet auf mögliche Mängel in der Instandhaltung oder den zugehörigen Prozessen hin. Infolgedessen wies die Behörde die Fluggesellschaft an, die Koordination zwischen verschiedenen Abteilungen – Ingenieurwesen, Flugbetrieb und Bodenabfertigung – zu verbessern und ihren Fokus auf die Sicherheit zu verstärken. Dies ist ein klares Indiz dafür, daß die DGCA Schwachstellen in den internen Abläufen der Fluggesellschaft identifiziert hat, welche die Sicherheit potenziell beeinträchtigen könnten. Die enge und effektive Zusammenarbeit dieser Abteilungen ist von entscheidender Bedeutung für einen reibungslosen und sicheren Flugbetrieb.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen berichtete AeroTime am 23. Juni 2025, daß die DGCA umgehend Sanktionen gegen drei Führungskräfte in der Personalplanungsabteilung der Fluggesellschaft verhängt hatte. Diese drastische Maßnahme erfolgte nach Feststellung von, wie die DGCA es nannte, „wiederholten und schwerwiegenden Verstößen gegen die Sicherheit von Flugbesatzungen“. Solche Verstöße können vielfältig sein und reichen von der Überschreitung der maximal zulässigen Dienstzeiten bis zu unzureichenden Ruhezeiten, was zu erhöhter Ermüdung der Besatzung und somit zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führt. Das Vorgehen der DGCA in dieser Angelegenheit unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Situation und die Entschlossenheit der Behörde, die Sicherheitsstandards bei Air India umfassend zu überprüfen und durchzusetzen.

Air India im Wandel: Herausforderungen der Transformation

Air India, die jahrzehntelang staatlich geführt wurde, befindet sich seit ihrer Privatisierung und Übernahme durch die Tata Group in einem umfassenden Transformationsprozeß. Dieser Wandel, der darauf abzielt, die Fluggesellschaft zu modernisieren und in eine profitablere Zukunft zu führen, bringt erhebliche Herausforderungen mit sich. Die Integration von Altlasten aus der Staatsverwaltung, die Modernisierung einer alternden Flotte, die Verbesserung des Kundendienstes und vor allem die Etablierung einer robusten Sicherheitskultur sind immense Aufgaben. Die jüngsten Zwischenfälle werfen ein Schlaglicht auf die Dringlichkeit, mit der diese Transformation im Bereich der Betriebssicherheit vorangetrieben werden muß.

Die globale Luftfahrtgemeinschaft und die internationalen Aufsichtsbehörden beobachten die Entwicklungen bei Air India genau. Das Vertrauen der Passagiere ist das höchste Gut einer Fluggesellschaft, und eine Serie von Sicherheitsproblemen kann dieses Vertrauen nachhaltig erschüttern. Air India steht unter immensem Druck, nicht nur die unmittelbaren Ursachen der jüngsten Vorfälle aufzuklären, sondern auch systemische Schwächen zu identifizieren und zu beheben. Dies umfaßt die Überprüfung von Wartungsprozeduren, Trainingsprogrammen für Piloten und Kabinenpersonal, die Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften und die Effizienz des internen Sicherheitsmanagementsystems.

Die DGCA spielt hierbei eine entscheidende Rolle als Wächter der Flugsicherheit. Ihre verstärkte Aufsicht und die verhängten Sanktionen sind klare Signale an Air India, daß keine Kompromisse bei der Sicherheit gemacht werden. Es ist nun an der Fluggesellschaft, umfassende und nachweisbare Verbesserungen vorzunehmen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Behörden zurückzugewinnen und die Sicherheit ihrer Operationen langfristig zu gewährleisten. Nur durch eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle und eine konsequente Umsetzung der notwendigen Maßnahmen kann Air India ihre Position als seriöse internationale Fluggesellschaft festigen.

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