Höhere Ticketpreise: Flugzeugversicherer wegen Russland vor größten Jahresverlust aller Zeiten

Passagiere in einem Flughafen-Terminal (Foto: Unsplash/Briana Tozour).
Passagiere in einem Flughafen-Terminal (Foto: Unsplash/Briana Tozour).

Höhere Ticketpreise: Flugzeugversicherer wegen Russland vor größten Jahresverlust aller Zeiten

Passagiere in einem Flughafen-Terminal (Foto: Unsplash/Briana Tozour).
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Die seitens der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten von Amerika und vielen anderen Ländern gegen die Russische Förderation verhängten Sanktionen stellen Leasinggeber von Flugzeugen vor Herausforderungen, die man in diesem Ausmaß noch nie hatte. Auch für Versicherer ist die aktuelle Situation kompliziert.

Dass es zwischen Leasinggeber und -nehmer aus den verschiedensten Gründen, meistens wegen Nichtbezahlung, zu Unstimmigkeiten kommen kann, kommt öfters vor. Eigentümer von Flugzeugen haben es unter normalen Umständen doch eher einfach an ihre Maschinen zu kommen. Sei es, dass man sie mit juristischen Mitteln an die Kette legen lässt oder aber in Eigenregie ausfliegen lässt. In Russland ist die Situation nun gänzlich anders, denn Wladimir Putin hat eigens dafür gesorgt, dass sich Leasinggeber so ganz und gar nicht auf Rechtshilfe verlassen können.

Rechtsanwältin Adreana Zammit erklärte während der Mavio-Konferenz, die im maltesischen Qawra abgehalten wurde, dass von den 515 Flugzeugen, die russische Carrier von ausländischen Lessoren geleast haben, mittlerweile etwa 50 Prozent ins RA-Register überführt wurden. Dies selbstverständlich ohne Zustimmung der rechtmäßigen Eigentümer der Flugzeuge. Doch was können Leasinggeber eigentlich machen, um an ihre Maschinen zu kommen? Unter normalen Umständen würde eine ganze Reihe von juristischen Mitteln zur Verfügung stehen, aber Russland habe dies durch spezielle Verordnungen regelrecht vereitelt. Solange die Flugzeuge also innerhalb der Russischen Föderation bleiben bzw. nur in Staaten fliegen, die in dieser Sache keine Amtshilfe leisten, wird es äußerst schwierig, so die Juristin.

Mangelnde Wartung und fehlende Dokumentation entwerten Flugzeuge

Grundsätzlich wäre es wichtig, dass in Leasingverträgen an alle nur erdenklichen Eventualitäten gedacht wird, so dass Lessoren im Falle des Falles rasch an ihr Eigentum kommen, aber der russische Staat protegiert derzeit Fluggesellschaften, so dass die Klauseln schlichtweg nicht durchsetzbar sind. Ein weiterer Punkt, der Leasinggebern große Sorgen bereitet: Wie steht es um die Wartung und die Versorgung mit Ersatzteilen? Den Maschinen droht eine massive Entwertung, die auch bei jungen Flugzeugen bis zu Null Euro gehen kann, denn auf dem offiziellen Weg bekommen russische Carrier rein gar nichts mehr für “ihre” Maschinen.

Vorschriftsgemäße und gute Wartung tragen massiv zum Werterhalt bei. Das hat besonders Sicherheitsgründe, denn wer will denn schon ein Flugzeug kaufen, bei dem die technische Vorgeschichte zweifelhaft oder gar unbekannt ist? Genau diese Umstände blühen aber Leasinggebern, die nicht an ihr in Russland stehendes Eigentum kommen. Allein die Eintragung im RA-Register sorgt bei westlichem Fluggerät für drastische Entwertung, denn bereits vor dem kriegerischen Überfall der Russischen Armee auf die Ukraine hatte dieses einen zweifelhaften Ruf und viele Lessoren bestanden sogar darauf, dass außerhalb der Russischen Föderation registriert werden muss.

Irgendwann werden den russischen Carriern dann die Ersatzteile ausgehen und was kommt dann? Grounding, Marke Eigenbau oder Schwarzmarkt? Die beiden letzten Szenarien würden den Maschinen dann hinsichtlich ihres Werts den sprichwörtlichen Todesstoß versetzen, denn dann wären sie endgültig unverkäuflich. 

Lessoren im Recht, aber in Russland nicht durchsetzbar

Rechtlich bewertet Zammit die Lage so: Die EU-Verordnung 2022/328 verbietet unter anderem sämtliche Geschäfte mit russischen Fluggesellschaften. Leasingverträge mussten bis 28. März 2022 gekündigt werden und somit hätten auch die Maschinen zurückgegeben werden müssen. Nur wenige Flugzeuge kamen tatsächlich zu den Leassoren zurück, jedoch sehr häufig komplett ohne werterhaltende Dokumentation – ohne diese kann die Maschine nur schwer bis gar nicht neu registriert werden. Trotz des Umstands, dass die Nutzung der sich noch in Russland befindlichen Verkehrsflugzeuge durch die Eigentümer explizit untersagt wurde, werden diese weiterhin – illegal, wie Zammit betont – im Inland eingesetzt. Rechtswidrig wären bereits viele ins RA-Register überführt worden. 

Was können Leasinggeber jetzt machen? Klagen und einen Titel bewirken ist natürlich möglich, aber das Problem ist, dass die Vollstreckung des Urteils derzeit fast unmöglich ist, weil Russland gar nicht daran denkt zu kooperieren. Somit sind etwaige Titel schlichtweg nicht durchsetzbar. Die Situation ist ungefähr so wie wenn man gegen ein insolventes Unternehmen, das so pleite ist, dass nicht mal genug Geld für die Eröffnung eines Konkursverfahrens vorhanden ist, klagt einen Titel bewirkt und dieser dann nicht erfolgreich vollstreckt werden kann, weil es nichts zu holen gibt. In Russland gäbe es zwar Flugzeuge im Wert von vielen Milliarden Euro zu holen, aber die Regierung hat alles getan damit genau das nicht geschieht. Deswegen halten sich viele Lessoren mit rechtlichen Schritten zurück, denn diese laufen akut Gefahr, dass man auf den Kosten für Klagen auch noch sitzen bleibt.

Rückholung in Eigenregie für Piloten sehr gefährlich

Rein theoretisch, so Zammit, wäre die Rückholung in Eigenregie eine Möglichkeit. Aber auch nur in der Theorie, denn in der Praxis wären die Piloten akuter Gefahr ausgesetzt. Lange Haftstrafen in Russland würden blühen und wer weiß wie die russische Regierung darauf reagiert, denn diese betrachtet die “annektierten Leasingflugzeuge” als ihr Eigentum. Die Juristin vertritt die Ansicht, dass Eigenregie absolut keine gute Idee ist und vermutlich auch kein Leasinggeber riskieren wird.

Sollten aber Flugzeuge in Länder eingesetzt werden, die Amtshilfe leisten, so ist Schnelligkeit gefragt. Die Maschinen könnten dann gepfändet werden, jedoch wissen das sowohl russische Airlines als auch deren Regierung sehr genau. Leasinggeber können allenfalls darauf spekulieren, dass man unvorsichtig wird und sich mal den Lapsus leistet mit einem “pfändungsgefährdeten” Flugzeug ins “falsche Land” bzw. “richtige Land” (je nach Sichtweise) fliegt. 

Eine juristische Möglichkeit könnte laut Zammit auch darin bestehen, dass man beispielsweise Sukhoi Superjets in kooperativen Staaten als eine Art Druckmittel an die Kette legen lässt. Dazu bedarf es aber entsprechender Gerichtsbeschlüsse und bis dato gibt es noch keinen einzigen, der in diese Richtung geht. Die Überlegung dahinter: Wenn man schon nicht zum Beispiel an seinen Airbus A320 kommt, dann könnte im Gegenzug ein SSJ-100 als “Faustpfand” genommen werden. Ob das aber die Chancen erhöht, dass das westliche Fluggerät herausgerückt wird, ist zweifelhaft, so die Rechtsanwältin.

Der momentane Stand der Dinge ist, dass fast alle Leasinggeber noch gar nichts unternehmen und die weitere Entwicklung der Situation abwarten. Die Gründe hierfür sind simpel: Recht haben und sein Recht durchsetzen zu können, sind in Russland zwei Paar Schuhe. Da es für die Lessoren um richtig viel Geld geht und daher Anwalts- und Gerichtskosten exorbitant hoch sind, wartet man lieber ab und hackt in Ruhe eine Strategie aus. Einfach wird es nicht, denn 515 Maschinen sind mehrere Milliarden Euro wert und das können Lessoren nicht so einfach verkraften, denn man darf einfach einen Umstand nicht vergessen: Nur selten wurden die Flugzeuge aus der “Portokasse” bezahlt, zumeist zahlen Leasinggeber selbst Kreditraten ab und haben momentan 0,0 Euro Einnahmen aus den in Russland festsitzenden Maschinen.

Versicherungsbranche steht vor höchstem Jahresverlust aller Zeiten

Wenig überraschend hoffen viele Leasinggeber darauf, dass sie Entschädigungen von ihren Versicherungen bekommen werden. Auch Flugzeuge kann man gegen so ziemlich alles versichern, sofern man einen entsprechenden Underwriter findet. Marktplätze wie Lloyd’s of London sind eine gute Anlaufstelle, um einen Versicherungsgeber für Risiken, die 08/15-Assekuranzen niemals zeichnen würden, zu finden. Im Regelfall haben Lessoren sehr gute Absicherungen, die Absturz, Hijacking und Co einschließen können.

Kann man die Vorgehensweise, die russische Airlines samt deren Regierung also beispielsweise mit klassischem Diebstahl oder gar Hijacking gleichsetzen? Ganz so einfach sehen das Versicherer nicht, denn es geht um einen möglichen hohen Milliarden-Euro-Schadensfall, den weder Erst- noch Rückversicherer ohne zumindest schwere Bauchschmerzen zu bekommen, nicht einfach so verkraften können.

Teure Leistungsfälle kommen laut Suzanne Chambers, Geschäftsführerin von Osprey Insurance Brokers Ltd, zum Glück nicht sonderlich oft vor. Abstürze sind der teuerst mögliche Flugzeugversicherungsfall und glücklicherweise sind diese selten. Dieses Jahr musste die Versicherungsbranche aber schon zwei Totalverluste stemmen: Es handelte sich um die China-Eastern-Maschine sowie das DHL-Flugzeug. Diese zwei Schadensfälle alleine würden den Assekuranzen nicht wirklich wehtun, aber für den Wert von 515 Flugzeugen aufkommen zu müssen, ist eine ganz andere Dimension.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass viele Versicherungen, die bislang in der Luftfahrt tätig waren, ihr Geschäft zurückfahren oder aber deutlich höhere Prämien verlangen werden. Bei letzterem dürfte in erster Linie das Neugeschäft betroffen sein, denn Eingriffe in bestehende Verträge sind gar nicht so einfach. Langfristig rechnet Chambers, die ebenfalls auf der Mavio-Conference in Qawra sprach, mit stark steigenden Versicherungspreisen für Fluggesellschaften.

Auch ist damit zu rechnen, dass Risiken noch penibler geprüft werden und Fluggesellschaften aus Ländern, die als riskant betrachtet werden, Probleme bekommen überhaupt Versicherer zu finden. Natürlich kann das auch westliche Carrier betreffen, denn es ist nicht auszuschließen, dass Assekuranzen für eine ganze Reihe von Staaten bzw. deren Lufträumen den Versicherungsschutz vertraglich ausschließen wollen. Will man dann in das Land, das die Assekuranz als riskant betrachtet fliegen, so könnten extrem teure Zusatz-Polizzen notwendig werden, sofern diese überhaupt angeboten werden.

Steigende Kosten werden höchstwahrscheinlich an Endkunden weitergereicht

Die Versicherungsexpertin befürchtet, dass die Branche aufgrund der Folgen des Krieges in der Ukraine und des Verhaltens der russischen Regierung in Sachen Leasingflugzeuge den höchsten finanziellen Verlust aller Zeiten erleiden wird. Schon bald würden Lessoren mit hoher Wahrscheinlichkeit viele Schadenmeldungen übermitteln, so dass es dann für die Erst- und Rückversicherer richtig ernst wird. 

Letztlich werden am Ende die Airlines bzw. deren Kunden die Suppe auslöffeln müssen, denn die Assekuranzen wollen die Verluste natürlich nicht “schlucken”, sondern über erhöhte Preise wieder reinholen. Dieser Faktor kann sich dann auch in Form steigender Flugscheinpreise auswirken. Bislang stand man unter starkem Wettbewerb und damit Kostendruck, aber so ziemlich jeder in der Luftfahrtversicherung tätiger Anbieter ist direkt oder indirekt vom “Russland-Problem” betroffen. Newcomer gibt es laut Chamber in diesem Jahr noch keinen einzigen, so dass auch niemand die Preise nach unten drückt.

Unter dem Strich steht also, dass das milliardenschwere Eigentum der Leasinggeber, das in Russland als “Putins Gratis-Flugzeuge” betrachtet wird, sowohl für Lessoren als auch deren Versicherungen und dann deren Rückversicherungen ein ernsthaftes finanzielles Problem ist. Es ist nicht damit zu rechnen, dass im großen Stil Lessoren und Assekuranzen pleite gehen, aber die Verluste muss man wieder “reinverdienen”. Das führt zu höheren Kosten für Leasinggeber, Fluggesellschaften und in weiterer Folge werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später in Form höherer Ticketpreise an die Endkunden weitergereicht. 

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