Jan Böhmermann, Deutschlands wohl bekanntester Polit-Satiriker, tourt mit seinem Programm „Eisern Ehrenfeld“ durch den deutschsprachigen Raum. Doch sein Auftritt in der Wiener Stadthalle hinterließ gemischte Eindrücke. Während Böhmermanns Fans gewohnt bissige Satire und musikalische Vielfalt erwarteten, wurde der Abend von einem unklaren Spannungsbogen, einer halbgefüllten Halle und einer mitunter ermüdet wirkenden Darbietung überschattet.
Bereits im Vorfeld zeigte sich, dass das Interesse an Böhmermanns Tournee nicht überall ungebrochen ist. War sein letztes Konzert in Wien vor zwei Jahren restlos ausverkauft, füllten sich dieses Mal nur etwa 3.700 (Steh)-Plätze – in einer Halle, die auf weit größere Zuschauermengen ausgelegt ist. Ganze Sitzplatzbereiche und Oberränge wurden mit schwarzen Vorhängen abgehängt, um die Leerstellen zu kaschieren. Wo sich sonst dicht gedrängtes Publikum aneinanderreiht, herrschte überraschend viel Bewegungsfreiheit. Die fast geisterhafte Atmosphäre setzte einen ungewollten Kontrapunkt zu Böhmermanns eigentlich energiegeladenem Konzept.
Musikalische Vielfalt ohne erzählerische Kohärenz
Böhmermanns Konzept, politische Satire mit einer breiten musikalischen Palette zu verbinden, ist ambitioniert – doch genau hier lag ein zentrales Problem des Abends. Das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld, das ihn auf der Tour begleitet, beherrscht eine Vielzahl von Genres. Rap, Flamenco, Folklore, Big-Band-Jazz und elektronische Elemente wechselten sich in rasantem Tempo ab. Doch statt einer dramaturgisch durchdachten Darbietung wirkte das Programm oft zusammenhangslos. Einzelne Lieder funktionierten für sich, doch als Gesamtwerk fehlte eine erkennbare Struktur.
Schon der Einstieg mit „Böhmermann ist schuld!“ und dem nachfolgenden „Faschismus is back“ ließ erkennen, dass politische Botschaften im Vordergrund stehen würden. Doch wo früher spitzfindige Satire und gezielt platzierte Provokationen für Aufmerksamkeit sorgten, schien diesmal vieles eher routiniert abgespult. Besonders auffällig: Der sonst für seine überspitzte Mimik und Gestik bekannte Böhmermann wirkte phasenweise müde und uninspiriert.
Verhaltene Satire: Wo blieb der Biss?
Einer der größten Kritikpunkte des Abends war die relative Zurückhaltung in der politischen Satire. Während Böhmermann früher durch pointierte Kommentare und unerschrockene Provokationen auffiel, blieb er in Wien überraschend zahm. Zwar konnte er sich einige Spitzen gegen die österreichische Innenpolitik nicht verkneifen – etwa seine Bemerkung, dass das Land auch nach vier Monaten ohne Regierung „systemschadenfrei“ funktioniere –, doch wirklich scharfe Analysen oder gar Tabubrüche blieben aus.
Gelegentlich blitzte sein gewohnt scharfsinniger Humor auf, etwa als er die Tränen des ehemaligen österreichischen Außenministers Alexander Schallenberg als „eisgekühlt, nach Reue und Hoffnungslosigkeit schmeckend“ beschrieb. Doch solche Momente waren rar gesät. Vieles wirkte eher wie eine müde Wiederholung altbekannter Muster, die kaum neue Impulse setzten.
Musikalische Inszenierung: Spektakel ohne Seele?
Trotz der inhaltlichen Schwächen hatte das Konzert durchaus aufwendige Inszenierungen zu bieten. So rappte Böhmermann bei „Herz und Faust und Zwinkerzwinker“ mit Autotune und Sonnenbrille, zog sich für eine Performance die Kapuze tief ins Gesicht und schwebte in Engelsgestalt von der Decke herab. Der humorvolle Einsatz von „Gott“, der immer wieder aus dem Off sprach, sollte offenbar eine narrative Klammer bilden – doch auch dieses Element wirkte letztlich eher wie ein loses Gimmick ohne dramaturgische Durchschlagskraft.
Musikalisch überzeugte vor allem das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld, das seine Klasse mit präzisen Arrangements und Vielseitigkeit unter Beweis stellte. Doch auch hier blieb die Frage, ob die aufwendige musikalische Darbietung nicht letztlich über inhaltliche Schwächen hinwegtäuschen sollte.
Zwischen Müdigkeit und Konzeptlosigkeit: Ein enttäuschender Abend?
Warum konnte Böhmermann mit „Eisern Ehrenfeld“ in Wien nicht wirklich überzeugen? Liegt es an einer gewissen Konzeptlosigkeit, die sich durch das Programm zieht? Oder ist es schlichtweg die Erschöpfung eines Künstlers, der sich zwischen Fernsehshows, Tourneen und anderen Projekten aufreibt?
Fakt ist: Die großen Highlights blieben an diesem Abend aus. Während seine satirischen Einlagen zuweilen laue Reaktionen hervorriefen, konnte auch die musikalische Darbietung nicht alle Erwartungen erfüllen. Die Zuschauer, die gekommen waren, belohnten Böhmermann mit Applaus – doch wirklich euphorisch wirkte das Publikum nicht.
Ob sich der Satiriker für die kommenden Auftritte in Berlin, Hamburg und Essen neu motivieren kann, bleibt abzuwarten. Fest steht: Der Wiener Abend hat gezeigt, dass ein großer Name allein nicht ausreicht, um einen wirklich großen Abend zu garantieren.