Die australische Billigfluggesellschaft Jetstar Airways, eine Tochtergesellschaft der Qantas-Gruppe, steht derzeit im Mittelpunkt einer bedeutenden Sammelklage, die das Unternehmen in eine schwierige rechtliche Position bringt.
Die Klage, die am 20. August 2024 beim Bundesgericht in Melbourne eingereicht wurde, wirft Jetstar vor, Zahlungen für stornierte internationale Flüge während der Jahre 2020 bis 2022 nicht zurückerstattet zu haben. Diese Praxis, so die Kläger, sei nicht nur gesetzeswidrig, sondern auch moralisch verwerflich. Die Anwaltskanzlei Echo Law, die diese Klage initiiert hat, sieht in Jetstars Verhalten eine klare Verletzung der Rechte von Verbrauchern, die durch australisches Recht geschützt sind.
Die Covid-19-Pandemie hat die weltweite Reiseindustrie ins Chaos gestürzt. Fluggesellschaften mussten Tausende Flüge streichen, und Reisepläne wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. In dieser Zeit hatten Fluggesellschaften die schwierige Aufgabe, ihre Kunden über ihre Rechte und Optionen zu informieren. Jetstar steht nun unter dem Vorwurf, dass es seinen Kunden keine angemessenen Rückerstattungen angeboten habe, sondern sie stattdessen auf Gutscheine verwies, die später auch verfallen sollten.
Echo Law argumentiert, dass die Reisebeschränkungen die Verträge zwischen Jetstar und seinen Kunden „vereitelt“ hätten, was nach australischem Recht bedeutet, dass diese Verträge automatisch gekündigt wurden. Die Kunden hätten daher ein Recht auf eine automatische Rückerstattung der gezahlten Beträge. Das Versäumnis von Jetstar, diese Rückerstattungen zu gewähren, stellt laut der Klage einen Vertragsbruch dar. Zudem wirft die Klage Jetstar vor, sich irreführend verhalten zu haben, indem es die Kunden über ihre Rechte täuschte und ihnen fälschlicherweise suggerierte, dass sie sich mit Gutscheinen zufriedengeben müssten.
Die rechtlichen und moralischen Implikationen
Das australische Verbraucherrecht schützt Kunden vor irreführendem und täuschendem Verhalten seitens von Unternehmen. Die Klage gegen Jetstar könnte daher weitreichende Konsequenzen haben, nicht nur für die Fluggesellschaft selbst, sondern auch für die gesamte Reisebranche. Sollten die Kläger erfolgreich sein, könnte dies zu einer Welle weiterer Klagen gegen andere Fluggesellschaften führen, die in ähnlicher Weise während der Pandemie gehandelt haben.
Jetstar betont hingegen, dass es Maßnahmen ergriffen habe, um den Kunden entgegenzukommen. So wurde das Verfallsdatum für die ausgegebenen Covid-Gutscheine aufgehoben, und die Gutscheine können mehrfach und auch für mehrere Buchungen verwendet werden. Trotzdem bleibt die Kritik bestehen, dass viele Kunden lieber eine Rückerstattung als einen Gutschein erhalten hätten, insbesondere in einer Zeit, in der die Unsicherheit über zukünftige Reisen groß war.
Die Praxis, die Rückerstattungen zu verweigern und stattdessen Gutscheine auszustellen, ist nicht nur in Australien, sondern weltweit ein kontroverses Thema. Viele Fluggesellschaften sahen sich mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert, da sie sich weigerten, den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen und stattdessen versuchten, ihre finanziellen Verluste zu minimieren. In Jetstars Fall wurde dies durch die Tatsache verschärft, dass das Unternehmen trotz des Rückgangs der Passagierzahlen und der schwierigen Marktlage weiterhin profitabel blieb.
Die Rolle der Prozessfinanzierung
Die Klage gegen Jetstar wird von Court House Capital finanziert, einem Prozessfinanzierer, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat. Die Finanzierung durch einen externen Akteur wie Court House Capital ermöglicht es den Klägern, gegen ein großes Unternehmen wie Jetstar vorzugehen, ohne die hohen Prozesskosten selbst tragen zu müssen. Dies ist besonders in Fällen von Sammelklagen wichtig, da diese oft langwierig und kostspielig sind.
Court House Capital sieht in der Klage gegen Jetstar eine Chance, für Gerechtigkeit zu sorgen und die Rechte der Verbraucher zu stärken. Für Jetstar könnte dies jedoch ein erhebliches finanzielles und reputatives Risiko darstellen, insbesondere da die Fluggesellschaft bereits zuvor aufgrund ihres Verhaltens während der Pandemie in der Kritik stand.
Trotz der aktuellen Herausforderungen ist Jetstar wirtschaftlich gut aufgestellt. Die Fluggesellschaft konnte ihren Gewinn vor Steuern im ersten Halbjahr 2023 um 84 % steigern, was auf eine starke Nachfrage nach Reisen und eine effektive Kostenkontrolle zurückzuführen ist. Mit einer Flotte von 83 Flugzeugen und einer globalen Reichweite bleibt Jetstar eine zentrale Figur in der australischen und internationalen Reisebranche.
Doch der Ausgang dieser Klage könnte die Zukunft von Jetstar und möglicherweise der gesamten Qantas-Gruppe beeinflussen. Sollte die Klage erfolgreich sein, könnte dies nicht nur zu erheblichen Entschädigungszahlungen führen, sondern auch das Vertrauen der Kunden in die Marke nachhaltig beschädigen.
In einer Zeit, in der Verbraucherrechte immer mehr an Bedeutung gewinnen und die Transparenz von Unternehmen im Fokus steht, wird der Fall Jetstar möglicherweise als Präzedenzfall für den Umgang von Fluggesellschaften mit ihren Kunden in Krisenzeiten in die Geschichte eingehen.