Kanada erwägt derzeit, seine Entscheidung zum Kauf von 88 F-35-Kampfjets von Lockheed Martin zu überdenken. Diese Entwicklung folgt auf diplomatische Spannungen zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten unter der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump. Verteidigungsminister Bill Blair gab am 14. März 2025 bekannt, daß sein Ministerium aktiv nach Alternativen sucht, die möglicherweise in Kanada montiert werden könnten.
Im Jahr 2022 hatte Kanada beschlossen, 88 F-35-Kampfjets für rund 19 Milliarden kanadische Dollar (ca. 14,15 Milliarden Franken) zu erwerben, um die veralteten F/A-18-Flugzeuge zu ersetzen. Dieser Entscheid folgte auf ein Auswahlverfahren, bei dem europäische Konkurrenten wie der Eurofighter Typhoon und die Dassault Rafale unterlagen. Die Entscheidung für die F-35 wurde damals als Zeichen für einen verstärkten Zusammenhalt mit den Bündnispartnern Norad (Nordamerikanische Luftverteidigung) und Nato gewertet.
Die aktuellen Überlegungen, Alternativen zum F-35 zu prüfen, könnten erhebliche Auswirkungen auf die Modernisierungspläne der Royal Canadian Air Force (RCAF) haben. Der Verteidigungsminister betonte, daß die Möglichkeit, diese Flugzeuge in Kanada zu montieren, besonders attraktiv sei, da sie der heimischen Industrie zugutekommen könnte. Schwedens Rüstungsunternehmen Saab hatte zuvor versprochen, im Falle eines Zuschlags sein Modell JAS 39 Gripen in Kanada montieren und warten zu lassen.
Obwohl Kanada bereits eine Anzahlung für die ersten 16 F-35A-Flugzeuge geleistet hat, deutet Blairs Aussage darauf hin, daß die RCAF möglicherweise nicht die vollständige Beschaffung von 88 Flugzeugen wie ursprünglich geplant fortsetzen wird. Dies könnte dazu führen, daß Kanada eine gemischte Flotte unterhält, die F-35s mit einem alternativen Flugzeug kombiniert.
Kanadas Neubewertung folgt einem Muster der Skepsis unter Verbündeten hinsichtlich des F-35-Programms. Am 13. März 2025 gab Portugals Verteidigungsminister Nuno Melo bekannt, daß sein Land ebenfalls seine Pläne zur möglichen Ablösung der alternden F-16-Flotte durch F-35s überdenkt, obwohl noch keine Bestellung aufgegeben wurde. Melo betonte die Notwendigkeit, Optionen zu prüfen, die europäische Produktion berücksichtigen und wirtschaftliche Vorteile für Portugal bieten.
Kanadas Beziehung zum F-35-Programm war in der Vergangenheit wechselhaft. Im Jahr 2010 verpflichtete sich die damalige Regierung unter Premierminister Stephen Harper zum Erwerb von 65 F-35As für 8,6 Milliarden Dollar, ohne ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Diese Entscheidung entsprach Kanadas Status als Level-III-Partner im Joint Strike Fighter (JSF)-Programm, nachdem es etwa 613 Millionen Dollar zu dessen Entwicklung beigetragen hatte.
Jedoch stand Justin Trudeaus Wahlkampagne 2015 im Zeichen der Rücknahme dieser Beschaffung. Trudeau kritisierte den Mangel an Wettbewerb und versprach die Auswahl einer kostengünstigeren Alternative, die besser zu Kanadas Verteidigungsbedürfnissen passe. Nach seinem Amtsantritt annullierte seine Regierung formell die Bestellung, behielt jedoch Kanadas Partnerschaft im JSF-Programm bei.
Im Jahr 2017 startete Kanada das Future Fighter Capability Project (FFCP), um einen Ersatz für die alternden CF-18 Hornets zu finden. Der Wettbewerb umfaßte zunächst Boeings F/A-18 Super Hornet, Airbus‘ Eurofighter Typhoon, Dassaults Rafale und Saabs Gripen. Allerdings zog sich Dassault Aviation 2018 zurück, wobei CEO Eric Trappier auf unüberwindbare Sicherheitsbeschränkungen verwies, die durch Kanadas Mitgliedschaft in der Five Eyes-Geheimdienstallianz auferlegt wurden. 2019 folgte Airbus mit der Begründung, daß die Bedingungen der Ausschreibung zugunsten von Lockheed Martin verzerrt schienen.
Ende 2021 wurde auch Boeings Super Hornet von Public Services and Procurement Canada aus nicht offengelegten Gründen disqualifiziert, wodurch nur noch zwei Bewerber übrig blieben: Lockheed Martins F-35 und Saabs Gripen. Am 28. März 2022 bestätigte Kanada die Auswahl des F-35 und verwies auf dessen Interoperabilität mit NORAD- und NATO-Streitkräften.
Die neuesten Entwicklungen kommen inmitten zunehmender diplomatischer Spannungen zwischen Ottawa und Washington. Trumps Rückkehr ins Weiße Haus war geprägt von kontroversen Aussagen, einschließlich Überlegungen, Kanada möglicherweise zum 51. US-Bundesstaat zu machen, sowie erneuten Handelsstreitigkeiten. Diese Spannungen scheinen die Entscheidungen über Rüstungsbeschaffungen zu beeinflussen, wobei Kanada nach Alternativen sucht, die größere inländische industrielle Vorteile bieten.
Sollte Kanada letztendlich vom F-35 abrücken, würde dies eine bedeutende Verschiebung in seiner Verteidigungsstrategie signalisieren. Historisch gesehen waren die beiden Länder in Luftoperationen eng aufeinander abgestimmt. Das North American Aerospace Defense Command (NORAD), eine binationalen Organisation zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada, ist verantwortlich für die Sicherung des Luftraums beider Nationen unter Verwendung eines mehrschichtigen Verteidigungssystems, das Satelliten, boden- und luftgestützte Radare sowie Kampfflugzeuge umfaßt.
Eine Entscheidung, ein nicht-amerikanisches Kampfflugzeug in Kanadas Flotte einzuführen, könnte logistische und Interoperabilitätsherausforderungen mit sich bringen, insbesondere in Bezug auf gemeinsame Operationen und die Verteidigungskoordination mit der US-Luftwaffe.
Es bleibt abzuwarten, welche Schritte Kanada in den kommenden Monaten unternehmen wird. Die Entscheidung, Alternativen zum F-35 in Betracht zu ziehen, spiegelt die sich verändernde geopolitische Lage und das Bestreben wider, die heimische Verteidigungsindustrie zu stärken.