Am 9. September 2024 begann vor dem Pariser Strafgericht ein aufsehenerregender Prozess gegen mehrere hochrangige französische Militäroffiziere und leitende Angestellte des Logistikunternehmens International Chartering Systems (ICS).
Der Fall hat hohe Wellen geschlagen und wirft ernste Fragen zur Transparenz und Fairness bei der Vergabe von Verteidigungsaufträgen auf. Der Prozess, der bis zum 25. September 2024 andauern soll, ist von großer Bedeutung, da er möglicherweise weitreichende Konsequenzen für das französische Militär und seine Vergabepraxis haben könnte.
Vorwürfe der Korruption und Vetternwirtschaft
Im Zentrum der Anklage stehen schwere Vorwürfe der Korruption, Günstlingswirtschaft und Verletzung des Berufsgeheimnisses. Die Anklage richtet sich gegen acht Militärangehörige sowie zwei Führungskräfte von ICS. Der schwerwiegendste Vorwurf betrifft einen ehemaligen Stabschef des Joint Logistics Support Operations and Movement Center (CSOA), dem vorgeworfen wird, unzulässig Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen an ICS genommen zu haben. Es wird behauptet, dass dieser Offizier später von ICS angestellt wurde, was als ein Beispiel für Günstlingswirtschaft und unlautere Bevorzugung gewertet wird.
Andere Militärangehörige wird vorgeworfen, ICS ohne persönlichen Vorteil begünstigt zu haben. Die Vorwürfe beinhalten auch, dass bei der Vergabe der Lufttransportverträge persönliche Beziehungen und nicht nur sachliche Kriterien eine Rolle gespielt haben könnten.
Hintergrund und Entwicklungen
Der Fall kam erstmals 2016 ins Rollen, als der Finanzausschuss des französischen Senats Bedenken äußerte, dass das Verteidigungsministerium für strategische Lufttransporte auf private Unternehmen angewiesen ist. Der Rechnungshof stellte fest, dass ICS seine Tarife zwischen 2016 und 2017 erheblich erhöht hatte, was Zweifel an der Fairness des Vergabeverfahrens aufwarf.
Im Jahr 2017 leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung ein, die zu Durchsuchungen des Verteidigungsministeriums und der ICS-Räumlichkeiten führte. Dabei wurden Beweise für verdächtige Kommunikationsströme zwischen Militärs und ICS-Managern entdeckt. Laut AFP belaufen sich die zusätzlichen Kosten, die dem französischen Militär durch diese Unregelmäßigkeiten entstanden sind, auf etwa 16,3 Millionen Euro.
Strategische Lufttransportkapazitäten in Europa
Der Fall ist besonders brisant, da er vor dem Hintergrund eines akuten Mangels an strategischen Lufttransportkapazitäten in Europa stattfindet. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine und der Zerstörung des Antonov An-225 Mriya sind die überdimensionierten Frachtkapazitäten für die europäischen Streitkräfte erheblich eingeschränkt. Die Antonov An-124 Ruslan, ein schweres Transportflugzeug, ist nicht mehr in ausreichender Zahl verfügbar, und der Verlust der Mriya, die mit einer Tragfähigkeit von 250 Tonnen zu den größten Frachtflugzeugen gehörte, verschärft die Lage zusätzlich.
Als Reaktion auf diese Engpässe hat Airbus Defense & Space eine Übergangslösung entwickelt. Das Unternehmen hat ein selbstfinanziertes Frachtladesystem für die Airbus Beluga A300-600ST entwickelt, um übergroße militärische Ausrüstung zu transportieren. Die BelugaST, obwohl sie eine Tragfähigkeit von 35 Tonnen bietet, kann nicht mit den Kapazitäten der Antonov-Flugzeuge mithalten. Die BelugaXL, eine größere Version, bietet zwar verbesserte Kapazitäten, bleibt jedoch hinter den Leistungen der Antonov-Flugzeuge zurück.
Europäische Initiativen zur Lösung des Problems
Die NATO und die EU haben das Projekt „Strategic Air Transport for Outsized Cargo“ (SATOC) ins Leben gerufen, um eine langfristige Lösung für die Lücke im strategischen Lufttransport zu finden. Dieses von Deutschland koordinierte Projekt zielt darauf ab, die Anforderungen für eine gemeinsame europäische Lösung zu definieren und zu harmonisieren. Die erwartete Einführung möglicher Lösungen wird bis 2026 angestrebt.
Der Prozess gegen die französischen Militärs und ICS steht exemplarisch für die Herausforderungen im Bereich der Verteidigungsauftragsvergabe und der internationalen Logistik. Die Vorwürfe von Korruption und Günstlingswirtschaft sind besonders schwerwiegend, da sie das Vertrauen in die Integrität und Effizienz der Verteidigungsbeschaffungen erschüttern könnten. In einem Zeitraum, in dem strategische Lufttransportkapazitäten knapp sind und der Bedarf an verlässlichen Lösungen groß ist, könnte dieser Prozess weitreichende Konsequenzen für die französische und europäische Verteidigungsstrategie haben.