Laudamotion: Stansted-Vorfall nun vor dem EuGH

Airbus A320 von Lauda Europe (Foto: Jan Gruber).
Airbus A320 von Lauda Europe (Foto: Jan Gruber).

Laudamotion: Stansted-Vorfall nun vor dem EuGH

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Der Europäische Gerichtshof muss sich mit dem Laudamotion-Triebwerksdefekt und der anschließenden Evakuierung der damaligen OE-LOA befassen. Der Vorfall ereignete sich am 1. März 2019 auf dem Flughafen London-Stansted. Eine Österreicherin verklagt das Unternehmen, da sie aufgrund des Zwischenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hat.

Die britischen Unfallermittler kritisierten in ihrem Abschlussbericht die ehemalige österreichische Fluggesellschaft heftig. Unter anderem wurde vorgeworfen, dass es der verantwortlichen Senior-Flugbegleiterin an Vorerfahrung gemangelt habe. Ihre Beförderung fand nach weniger als einem Jahr Praxis statt. Auch ist die Behörde der Ansicht, dass die Räumung der Maschine nicht notwendig war und obendrein Anweisungen des Kapitäns missachtet wurden. Die Piloten waren gar überrascht, dass plötzlich Passagiere rund um die Maschine zu sehen waren. Da jedoch das noch funktionierende Triebwerk nicht abgeschaltet war, jedoch die Evakuierung eingeleitet wurde, wurde ein Passagier laut Gerichtsunterlagen „mehrere Meter durch die Luft geschleudert“. Die Dame zog vor Gericht.

Eine Insassin der OE-LOA erlitt durch den Vorfall eine posttraumatische Belastungsstörung und reichte Klage beim Bezirksgericht Schwechat (Geschäftszahl: 17 C 1014/19z-7) ein. Die beklagte Laudamotion GmbH hielt es für nicht notwendig der Ladung des Gerichts nachzukommen, so dass die erste Instanz ein Versäumungsurteil erlassen hat. Bedingt durch die Abwesenheit wurde dem Standpunkt der klagenden Partei vollinhaltlich entsprochen. Das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat ist mit dem 12. November 2019 datiert.

Laudamotion “schwänzte” erste Gerichtsverhandlung

Offenbar wurde der Geschäftsleitung von Laudamotion die Tragweite des Säumnisurteils klar, denn dem Fluggast wurde eine hohe Summe Schadenersatz zugesprochen. Auch können sich daraus kostspielige Haftungen für Folgeschäden ergeben. Dagegen erhob die ehemalige Fluggesellschaft das Rechtsmittel der Berufung, so dass der Fall vor dem Landesgericht Korneuburg unter der Geschäftszahl GZ 22 R 39/20w-14 verhandelt wurde. Aus dem mit dem 7. April 2020 Urteil geht hervor, dass in der zweiten Instanz die Laudamotion GmbH obsiegte und somit die Klage abgewiesen wurde.

Damit war die Angelegenheit aber nicht beendet, denn die Klägerin erhob das Rechtsmittel der Revision und der Fall ist nun unter der Geschäftszahl 2Ob131/20h vor dem Obersten Gerichtshof anhängig. Das österreichische Höchstgericht legte nun Fragestellungen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor. Das Verfahren ist bis zum Einlangen der Beurteilung des EuGH ausgesetzt.

Der Oberster Gerichtshof ist der Ansicht, dass es sich um eine durchaus knifflige Frage handelt, denn nach österreichischem Recht würde Laudamotion auch für rein psychische Schäden haften. Im Abkommen von Montreal ist aber die Rede von Haftung für Körperverletzungen. Genau aus diesem Punkt will die beklagte Laudamotion die geforderten Heilungskosten von 4.353,60 Euro und Schmerzengeld von 2.500 Euro nicht bezahlen, geht aus den Gerichtsunterlagen hervor. Die Klägerin begehrt darüber hinaus auch, dass Laudamotion für sämtliche Folgeschäden haftet. Genau dies könnte für die ehemalige Fluggesellschaft äußerst kostenintensiv werden.

Die nachstehenden Fragestellungen legte der OGH dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor:

„1. Ist eine durch einen Unfall verursachte psychische Beeinträchtigung eines Reisenden, die Krankheitswert erreicht, eine „Körperverletzung“ im Sinn von Art 17 Abs 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossen, am 9. Dezember 1999 von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet und durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Steht Art 29 des genannten Übereinkommens einem Anspruch auf Schadenersatz entgegen, der nach dem anwendbaren nationalen Recht bestünde?“

Der Oberste Gerichtshof stellte weiters fest:

„4.4. Nach österreichischem Recht haftet der Schädiger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch für die Folgen rein psychischer Beeinträchtigungen, wenn diese Krankheitswert aufweisen, also behandlungsbedürftig sind (OGH 2 Ob 99/95; 1 Ob 91/99k). Das gilt insbesondere für eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung (OGH 2 Ob 120/02i). In diesem Fall hat der Schädiger nach allgemeinen Grundsätzen sowohl die materiellen Schäden (insbesondere die Heilungskosten) zu ersetzen als auch ein angemessenes Schmerzengeld zur Abgeltung des immateriellen Schadens zu zahlen.

5. Zur ersten Vorlagefrage:

5.1. Art 17 Abs 1 MÜ sieht (in der deutschen Fassung) den Ersatz jenes Schadens vor, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder „körperlich verletzt“ wird. Diese „Körperverletzung“ wird in den (dem Gericht zugänglichen) authentischen Sprachfassungen des Übereinkommens als „bodily injury“, „lésion corporelle“ und „lesión corporal“ bezeichnet. Frage 1 ist darauf gerichtet, ob dieser Begriff auch psychische Beeinträchtigungen erfasst, die zwar Krankheitswert haben, aber nicht Folge einer Verletzung des Körpers im engeren Sinn sind.

5.2. Art 17 Abs 1 MÜ stimmt, soweit hier relevant, im Wesentlichen mit Art 17 des Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (in der Folge: WA) überein. (a) Das ergibt sich zwar nicht aus der (nicht authentischen) deutschen Fassung von Art 17 WA, die wie folgt lautet: „Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt wird, wenn der Unfall, durch den der Schaden verursacht wurde, sich an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.“

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