Der innerdeutsche Luftverkehr hat sich auch Jahre nach der Corona-Pandemie noch nicht vollständig erholt. Während internationale und touristische Strecken teils sogar über das Vorkrisenniveau hinausgewachsen sind, bleibt der Binnenmarkt zurück. Strukturelle Probleme, hohe staatliche Abgaben und ein schwindendes Flugangebot belasten den Standort Deutschland.
Mehr als fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie steckt der innerdeutsche Luftverkehr weiter in der Krise. Zwar erholen sich internationale Flugverbindungen, insbesondere in touristische Zielgebiete, dynamisch, doch das Angebot auf innerdeutschen Strecken stagniert. Besonders gravierend ist der Rückgang bei dezentralen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Diese haben laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) lediglich rund 20 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 erreicht.
Während Linienflüge über die großen Drehkreuze Frankfurt und München wieder in größerem Umfang angeboten werden, sind Direktverbindungen zwischen kleineren deutschen Städten nahezu verschwunden. Diese Entwicklung hat spürbare Folgen für die Erreichbarkeit vieler Regionen und erschwert insbesondere den Geschäftsreiseverkehr, wie Unternehmen zunehmend beklagen.
Wettbewerbsnachteil durch staatliche Abgaben
Ein zentrales Hemmnis sieht die Branche in der Belastung durch staatlich verursachte Kosten. Die Luftverkehrsteuer, die Sicherheitsgebühren sowie die Gebühren für die Flugsicherung zählen in Deutschland zu den höchsten in Europa. Dies verringere nicht nur die Attraktivität des innerdeutschen Flugverkehrs, sondern auch die des Standortes Deutschland insgesamt.
Nach Einschätzung des BDL sind die durch staatliche Eingriffe verursachten Zusatzkosten im Jahr 2025 erneut um 1,2 Milliarden Euro gestiegen. Airlines sehen sich dadurch gezwungen, ihre Angebote zu reduzieren oder gänzlich aufzugeben. Der wirtschaftliche Druck trifft dabei vor allem kostensensitive Low-Cost-Carrier.
Rückzug internationaler Fluggesellschaften
Die Konsequenzen dieser Rahmenbedingungen sind bereits deutlich sichtbar. So hat die irische Fluggesellschaft Ryanair angekündigt, ihren Flugbetrieb in mehreren deutschen Städten vollständig einzustellen, darunter Dortmund, Dresden und Leipzig. Auch in Hamburg werden die Kapazitäten drastisch reduziert. Insgesamt wird dadurch die Zahl der verfügbaren Sitzplätze um fast zwei Millionen pro Jahr sinken.
Zuvor hatten bereits andere Airlines wie Easyjet ihr Engagement in Deutschland stark zurückgefahren. Die britische Fluglinie hatte in Berlin ein umfangreiches innerdeutsches Streckennetz aufgebaut, das sich jedoch nicht als wirtschaftlich tragfähig erwies. Auch Eurowings, eine Tochter der Lufthansa, hat das innerdeutsche Angebot nach der Übernahme von Teilen der ehemaligen Air Berlin deutlich verkleinert.
Forderung nach Reform der Luftverkehrsteuer
Angesichts der angespannten Lage fordert der BDL eine Neuausrichtung der Luftverkehrsteuer. Konkret schlägt der Verband vor, die Steuer bei innerdeutschen Hin- und Rückflügen nur noch einmal zu erheben. Derzeit wird die Abgabe pro Flugsegment fällig, was bedeutet, daß ein einfacher Hin- und Rückflug mit doppelter Steuer belastet wird – eine Regelung, die vor allem Inlandsverbindungen benachteiligt.
Laut BDL-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sei dies ein erster Schritt, um die Wettbewerbsverzerrung zu korrigieren und Inlandsflüge wieder wirtschaftlich attraktiver zu machen. Auch politische Unterstützung aus dem Bundestag ist inzwischen zu vernehmen: Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, in dem die Rücknahme der erhöhten Luftverkehrsteuer sowie die Überprüfung weiterer Kostenfaktoren gefordert wird.
Schienenverkehr als unvollständige Alternative
Zwar wird der Luftverkehr zunehmend durch Kooperationen mit der Deutschen Bahn ergänzt – etwa über sogenannte AIRail-Verbindungen, bei denen Züge unter Flugnummern fahren –, doch Lang zufolge ist die Bahn keine flächendeckende Alternative. Verbindungen wie Berlin–München funktionierten gut, doch in Ost-West-Richtung gebe es große Defizite. Fahrten von Berlin nach Köln oder Düsseldorf etwa seien mit langen Fahrzeiten verbunden. In diesen Fällen weichen Reisende oftmals auf das Auto aus.
Zudem betont der BDL, daß es nicht um Wachstum „um des Wachstums willen“ gehe, sondern um die Sicherstellung einer ausreichenden Anbindung des Wirtschaftsstandortes Deutschland an nationale und internationale Märkte.
Luftfahrtstandort Deutschland unter Druck
Ohne substanzielle Änderungen der Rahmenbedingungen droht der Luftfahrtstandort Deutschland weiter an Bedeutung zu verlieren. Schon jetzt zeigen sich Verlagerungstendenzen: Airlines verlagern ihre Angebote ins benachbarte Ausland, wo niedrigere Kostenstrukturen und steuerliche Entlastungen gegeben sind. Flughäfen in den Niederlanden, Polen und Österreich profitieren zunehmend von deutschen Passagieren, die auf grenznahe Alternativen ausweichen.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag erste Entlastungen angekündigt, doch laut Branchenvertretern seien diese mit durchschnittlich drei Euro pro Passagier unzureichend. Gefordert wird vielmehr eine umfassende Strategie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung der nationalen Luftverkehrsinfrastruktur.
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