Michael Kerkloh (Foto: Flughafen München).
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Michael Kerkloh: „Wenn das Produkt erfolgreich ist, zieht die Konkurrenz schnell nach“

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Fast zwei Jahrzehnte lang stand Michael Kerkloh an der Spitze des Flughafens München und ist –zumindest offiziell – in den Ruhestand getreten. Doch endet mit dem Pensionsantritt die Faszination Luftfahrt? Bei ihm definitiv nicht.

Der einstige Spitzenmanager sitzt im Aufsichtsrat der Lufthansa und setzt sich daneben für verschiedenste Projekte der Branche, darunter das Aviation Event, ein. Im Gespräch mit Aviation.Direct spricht der Luftfahrtfachmann unter anderem darüber warum seiner Meinung nach flexible Tickets dauerhaft bleiben werden, die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Branche und warum sich die Produkte von Lowcostern und Netzwerk-Carriern auf der Kurz- und Mittelstrecke zunehmend angeglichen.

Aviation.Direct: Herr Kerkloh, Sie haben gefühlt ein Jahrhundert Erfahrung in der Luftfahrt und waren jahrelang Chef des Münchener Flughafens. Wie schätzen Sie die Nachfrage bzw. die Entwicklung für den Sommer 2022 ein?

Michael Kerkloh: Wenn wir die Passagierpsychologie einblicken könnten, dann hätte es die Branche natürlich viel leichter. Viele Faktoren können die Buchungslage beeinflussen, beispielsweise verursachte die Ukraine-Krise einen Einbruch. Ich glaube, dass diese auch eine Vertrauenskrise ist, denn viele Menschen verhalten sich abwartend. Das ist auch verständlich. Die Touristik ist davon weniger betroffen, denn der Sommertourismus findet überwiegend in andere Himmelsrichtungen statt. Allerdings werden viele Regionen auch den Wegfall von Touristen aus Russland und der Ukraine verkraften müssen. In Deutschland und der EU wird es sicherlich einen Rebound-Effekt geben, aber ich bin skeptisch was die bisherigen Prognosen anbelangt. Der Sommer 2022 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit stärker als im vergangenen Jahr, denn der Wunsch wieder mobiler zu sein ist groß, aber das Level des Sommers 2019 wird dieses Jahr nicht erreicht werden. Vertrauen und Sicherheit ist wichtig. Es muss am Ende insgesamt zurückkommen.

Aviation.Direct: Welchen Impact wird Ihrer Meinung nach die Ukraine-Krise auf den touristischen Verkehr im Sommer 2022 haben?

Michael Kerkloh: Das lässt sich derzeit noch nicht seriös beurteilen. Standard-Sommerziele wie Mallorca werden mit Sicherheit bleiben, aber alles was sich so drum herum entwickelt, hängt stark von den politischen Entscheidungen der Ferienländer ab. Beispielsweise war im Vorjahr Griechenland der große Gewinner, denn man hatte tatsächlich mehr touristische Ankünfte als vor der Pandemie. Einigen Märkten könnte der Wegfall der Touristen aus Russland stark zu schaffen machen und andere Orte sind bereits jetzt so stark nachgefragt, dass die Kapazitäten knapp werden könnten.

Aviation.Direct: Im Zuge von Corona gab es auch das Comeback flexibler Tickets ohne Extrakosten. Wird das Ihrer Meinung nach so bleiben?

Michael Kerkloh: Ich glaube, dass flexible Umbuchungsmöglichkeiten auch der Schlüssel zum Erfolg sind. Und warum? Ganz einfach, weil es Vertrauen auf dem Markt schafft, wenn man im Falle des Falles umbuchen und/oder stornieren kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein Ticket bucht, das ohne Gebühren geändert werden kann, falls am Zielort etwas ist oder aber sich einfach die Reisepläne geändert haben, ist viel höher. Airlines, die auf Umbuchungsgebühren verzichten, verzeichnen einen besseren Absatz als jene, die es eben nicht anbieten. Meiner Meinung nach könnte es sich zum Standard entwickeln, dass die Tarife dauerhaft in gewissem Maße flexibel bleiben. Für einen seriösen Anbieter gehört es dann einfach dazu, dass man sich so verhält und dann ist es vielleicht auch ein USP für Airlines und Veranstalter.

Aviation.Direct: Und was würden Sie buchen? Lieber flexibel oder lieber fix festgenagelt?

Michael Kerkloh: Ich bevorzuge und empfehle die Flexibilität.

Aviation.Direct: Auf der Kurz- und Mittelstrecke werden in der Economy-Class die Unterschiede zwischen Netzwerk-Airlines und Lowcostern immer geringer. Paid-Catering breitet sich immer weiter aus. Woran liegt diese Entwicklung?

Michael Kerkloh: Da geht es in erster Linie um die Kosten. Netzwerk-Carrier haben im Vergleich mit Billigfluggesellschaften eine viel höhere Komplexität und damit auch höhere Kosten. In der Vergangenheit hat man das Geld mit den Langstreckenflügen gemacht, aber das ist momentan nicht im Umfang, den wir vor der Corona-Pandemie kannten, möglich. Geld muss trotzdem verdient werden und die Netzwerk-Carrier haben eine gewisse Lernkurve gemacht und sich von den Konzepten der Lowcoster einiges abgeschaut. Die Geschäftsmodelle unterscheiden sich weiterhin stark, denn der Billigflieger ist auf Beförderung von A nach B spezialisiert und die Kunden erwarten sich auf einem einstündigen Flug auch nicht sonderlich viel. Bei einer längeren Reise von A über B nach C wird schon mehr fürs Geld erwartet. Die Frage ist: Was kann und will man den Passagieren bieten? Es geht schon in die Richtung Mehrwert, aber gegen Aufpreis und nicht mehr inklusive. Beispiele hierfür sind Paid-Catering, aber besonders die Premium-Economy-Class. Abgesehen von ein paar Amerikanern hätte vor zehn Jahren niemand gedacht, dass dieses einmal richtig gut funktionieren würde Aber letztlich ist es in der Luftfahrt wie in anderen Branchen doch immer so: Es gibt einen First -Mover (Southwest in USA, Ryanair in Europa) der dann von seinen Mitbewerbern beobachtet wird. Wenn das Produkt erfolgreich ist, zieht die Konkurrenz schnell nach.

Aviation.Direct: Lange haben Sie den Flughafen München geleitet, sind jedoch seit einiger Zeit Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied. Sind Flughäfen zu teuer?

Michael Kerkloh:  Flughafenentgelte sind in meinen Augen Infrastrukturkosten und somit ein Teil des gesamten Aufwands des Luftverkehrs. Über die Höhe kann man natürlich streiten, jedoch wird oft übersehen, dass an vielen Flughäfen diese Kosten staatlich reguliert sind. Die Airport-Betreiber haben (schon aus Eigeninteresse) ihr Infrastruktur – Kostenmanagement in den letzten Jahren deutlich verbessert. Sie wissen, daß sie nur als Systempartner gemeinsam wettbewerbsfähig sein können. Für die Airlines ist der mit Abstand größte Kostentreiber derzeit der Treibstoff. Viele Fluggesellschaften haben sich mit Hedging-Geschäften absichern können, aber zu welchem Preis können Airlines nach dem Ablauf der Verträge ihr Kerosin einkaufen? Das bereitet derzeit vielen Managern Kopfzerbrechen und derzeit ist nicht absehbar wie sich der jetzt schon hohe Ölpreis weiterentwickeln wird. Er wiird aber auf absehbare Zeit nicht sinken.

Aviation.Direct: In München wurde der Transrapid nie gebaut. Die Luftfahrt wird immer wieder als „Klimasünder“ gebrandmarkt. Derzeit befinden sich alternative Antriebe in der Entwicklung und SAF wird auch salonfähig. Wie schnell muss die „Energiewende“ in der Luftfahrt gehen?

Michael Kerkloh: Es muss so schnell wie möglich gehen, aber realistisch gesehen: Der Umstellungsprozess wird noch viele Jahre dauern und ist unheimlich teuer. Flugzeuge werden meiner Meinung nach auch in 20 Jahren noch wie heute angetrieben werden, jedoch dann mit einem hohen SAF-Anteil. Eventuell schafft man es auch komplett auf SAF umzustellen. Die aktuelle Triebwerksgeneration hat keine Probleme mit synthetischen Treibstoffen, aber das Problem liegt in meinen Augen wo ganz anders. Wie klimaschonend ist es, wenn derzeit die Primärenergie für die Produktion nachhaltiger Treibstoffe fossil ist und auf längere Zeit bleibt? Außer einigen Referenzanlagen steht man da erst am Anfang. Bis 2030 soll der SAF-Anteil (erst) 10 % betragen. Die Aufgabe ist daher gewaltig, der Anteil der Erneuerbaren muss massiv im Rahmen einer weltweiten Standortpolitik ausgebaut werden liegen. Ohne eine incentivierende staatliche und supra-staatliche Hilfe werden wir die gesteckten Ziele unserer Industrie nicht erreichen. Alternative Antriebstechnologien wie Wasserstoff und Elektroantrieb brauchen noch sehr lange, bis sie der Großluftfahrt zu Verfügung stehen.

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