23. Mai 2021: kurz vor dem Einflug in den litauischen Luftraum wurde der Ryanair-Flug FR4978 nach Minsk umgeleitet – viele Stimmen sprachen von einer Entführung des regimekritische weißrussische Journalist Raman Pratassewitsch durch den weißrussischen Staat. Einen Tag darauf sperrte Großbritannien den Luftraum für weißrussische Flugzeuge und die Europäische Union folge einen Tag später. Das Flugverbot traf vor allem die Belavia. Doch es könnte jetzt noch härter kommen.
Belavia, die Nationalfluggesellschaft Weißrusslands, betreibt eine Flotte bestehend aus 33 Flugzeugen. Einige davon fliegen exklusiv für die Regierung des Landes. Doch aufgrund des Flugverbotes der Europäischen Union stehen diverse Flugzeuge am Boden. Folgende Boeings sind in der Flotte: drei B737-300, zwei B737-500, neun B737-800, eine B737-800BBJ, eine B737-8 und eine B767-300ER. Von Embraer hat Belavia fünf E175, sieben E195 und drei neue E195-E2, während eine einzelne VIP-CRJ200 (Challenger 850) vom ehemaligen kanadischen Hersteller Bombardier noch in Weißrussland fliegt.
Die EU-Mitgliedsstaaten Litauen, Polen, Lettland und Estland konnten beobachten, dass Belavia vermehrt Flüge zwischen der Türkei und Minsk anbietet. Sie glauben, dass damit eine neue Migrationsroute via Weißrussland nach Litauen und Polen eröffnet wurde. Erst kürzlich gab es Berichte über ebensolche Flüchtlingsflüge mit Iraqi Airways zwischen dem Irak und Minks. Deshalb fordern die erwähnten Staaten nun strengere Maßnahmen gegenüber Weißrussland und damit auch Belavia.
Vor allem Litauen macht Druck. “Wir müssen sicherstellen, dass keine europäischen Unternehmen am Menschenschmuggel beteiligt sind, weder direkt noch indirekt. Beispielsweise jene europäischen Unternehmen, die Flugzeuge an die sonst sanktionierte Belavia verleasen”, schreibt Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis an den EU-Spitzendiplomaten Josep Borrell.
Viele Leasinggesellschaften haben ihren Sitz im steuergünstigen Irland. Etwa die Hälfte der weltweit geleasten Flugzeuge werden von irischen Firmen verwaltet. Aviation.direct hat in der Belavia-Flotte fünf Vertragsunternehmen gefunden, die direkt oder indirekt den Sitz in Dublin haben.
- AerCap (1x B737-300, 2x B737-500, 3x E195-E2)
- Nordic Aviation Capital (4x E175, 3x E195)
- SMBC Aviation Capital (1x B737-800)
- Thunderbolt Aircraft Lease (1x B737-800)
- WNG Capital (1x B737-800)
Würden alle oben erwähnten Flugzeuge eingezogen, würde sich die Flotte der Belavia praktisch halbieren. Auch dürften dann die US-amerikanischen Leasinggesellschaften Air Lease Corporation, Altavair und Merx Aviation Finance ihre Flugzeuge zurückbeordern.
„Alle in Irland ansässigen Flugzeug-Leasingunternehmen sind sich der Verpflichtungen bewusst, die unter das internationale Luftrecht fallen“, sagte ein Sprecher des irischen Verkehrsministeriums. „In diesem Zusammenhang würden die irischen Flugzeugleasinggesellschaften sicherstellen, dass sie alle internationalen Sanktionen vollständig einhalten, sollten sie ins Spiel kommen.“
Ob nun diese Firmen angewiesen werden, ihre Flugzeuge von Belavia einzufordern, ist noch nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass es ein schwieriges internationales Rechtsverfahren werden würde. Wenn Belavia immer pünktlich die Leasingraten begleicht, sehen Leasinggeber wenig Anlass bei diesem die Flugzeuge einzufordern.