Im Frühjahr 2020 sorgten die Laudamotion-Geschäftsführer David O’Brien und Andreas Gruber in Sachen des gewünschten neuen Kollektivvertrags für ordentlich Wirbel, doch unmittelbar nach er Einigung der Sozialpartner verloren die beiden Ryanair-Manager plötzlich das Interesse. Der unter großem Wirbel regelrecht erpresste „neue Kollektivvertrag“ wurde niemals abgeschlossen, bestätigen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer übereinstimmend.
Rückblick: Zunächst vollführte die österreichische Ryanair-Tochter Laudamotion eine regelrechte Seifenoper rund um die Kurzarbeit und verschickte diverse, in englischer Sprache abgefasste Briefe an Regierungsmitglieder. Unter anderem forderte man, dass die Gewerkschaft Vida zur Unterzeichnung der Sozialpartnervereinbarung „angewiesen“ werden solle und drohte mit dem Gang vor den Europäischen Gerichtshof, weil man sich gegenüber Austrian Airlines diskriminiert fühlte. Die ÖGB-Teilgewerkschaft Vida wurde als Austrian-Airlines-Betriebsgewerkschaft diskreditiert. Das vorläufige Ende der Seifenoper war, dass die Vida die Vereinbarung unterzeichnete und somit Laudamotion in den Genuss der Kurzarbeit kam.
Kurzarbeit wurde einfach so beendet – Mitarbeiter gingen gar gegen die Gewerkschaft auf die Straße
Doch das Wort „kurz“ nahmen David O’Brien und Andreas Gruber wohl wörtlich, denn es dauerte nicht lange, da wurde ein neuer Kollektivvertrag gefordert. Ein Vordruck wurde an die Sozialpartner geschickt und falls dieser nicht unterschrieben wird, mache man Wien dicht und setzt das Personal auf die Straße. Es folgte die nächste Seifenoper, die sogar zwei Demonstrationen des Lauda-Personals gegen die eigene Gewerkschaft zur Folge hatte. Letztlich einigen sich die Sozialpartner auf einen Kompromiss. Zwischenzeitlich wurden einfach die Kurzarbeit beendet und die Flugzeuge demonstrativ ausgeflogen. Unmittelbar nach der Einigung wurde nochmals mit „Brieferln“ gefordert, dass bis 17 Uhr 00 ein Vordruck unterschrieben werden soll. Da platzte dann auch der Wirtschaftskammer der Kragen und angeblich soll ein Mitglied der Bundesregierung dann „Klartext“ mit Laudamotion gesprochen haben.
Die nächste Aktion des Unternehmens war dann, dass binnen sehr kurzer Frist die Mitarbeiter ihre Zustimmung zum neuen Kollektivvertrag erteilen sollten. Das wäre rechtlich überhaupt nicht notwendig gewesen, doch es hatte einen ausgefinkelten Hintergrund. Wer nicht „I accept“ antwortete, kassierte wenige Tage später die Kündigung. Primär hatte diese Maßnahme den Zweck in Einzelverträge einzugreifen und die Löhne einiger Piloten mit Einzelverträgen drastisch drücken zu können. Gleichzeitig war es gerade recht, dass man mit dem „Eisenbesen“ durch die Firma fahren konnte. Doch bei den Kündigungen unterlief dann der nächste Fehler: Diese wurden entgegen der im Firmenbuch ersichtlichen Vertretungsregelungen nur von Geschäftsführer Andreas Gruber unterschrieben. Er benötigt für rechtswirksame Dokumente jedoch die Gegenzeichnung von David O’Brien.
„Neuer KV Laudamotion“ wurde niemals finalisiert und trat überhaupt nicht in Kraft
Zwar haben die Sozialpartner eine Einigung erzielt, welche dem Personal dann als „neuer CLA“ verkauft wurde, doch anschließend riss der Kontakt zu den Sozialpartnern ab. Es kam nie zur formellen Ausformulierung des Kollektivvertrags und ein solcher wurde laut übereinstimmenden Angaben von Vida und Wirtschaftskammer auch nie abgeschlossen. Das bedeutet konkret, dass kein neuer „KV Laudamotion“ existiert, sondern weiterhin der „alte KV“ gilt. Genau dieser Umstand könnte den Nachfolger Lauda Europe Ltd finanziell teuer kommen.
Laudamotion hinderte der Umstand, dass es keinen neuen Kollektivvertrag, der rechtswirksam abgeschlossen worden wäre, nicht daran auf die neuen Löhne, die man sich mit dem Damoklesschwert „Kündigung“ mittels „I accept“-E-Mails hat bestätigen lassen, zu bezahlen. Rechtlich gesehen ist diese Vorgehensweise möglicherweise unwirksam, da weiterhin der „alte KV Laudamotion“ gültig gewesen wäre und daher auch eingehalten werden hätte müssen. Das gilt für jene Arbeitsverträge, die auf Grundlage des KV abschlossen wurden. Personen mit Einzel-Kontrakten, die zwangsweise eine höhere Bezahlung als im Kollektivvertrag festgehalten, aufweisen müssen, könnten durch die Röhre schauen, da diese mit „I accept“ mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Ansprüche in den Wind geschossen haben könnten.
Auch wenn ein neuer Kollektivvertrag rechtswirksam abgeschlossen worden wäre, so wäre der Nachfolger Lauda Europe Ltd an diesen gar nicht gebunden, da es sich um ein anderes Unternehmen handelt. Man versuchte bei Laudamotion bzw. Lauda Europe tunlichst zu vermeiden einen klassischen Betriebsübergang durchzuführen, jedoch gibt es zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass es eben genau ein solcher war. Die Mitarbeiter mussten mit „I accept“ per Mail zustimmen, dass beispielsweise ab Mitte September 2020 ihr neuer Arbeitgeber die Lauda Europe Ltd mit Sitz in Malta ist. Diese Vorgehensweise könnte sich noch zum Bumerang entwickeln, denn es blieb für die Beschäftigten so ziemlich alles gleich. Der Lohn kommt von einem anderen Girokonto, die Uniformen, der Arbeitsort und gar die Flugzeuge, in denen der Dienst versehen wird, sind identisch.
Wird ein Betriebsübergang festgestellt, gilt der „alte KV Laudamotion“ für Lauda Europe
Wie berichtet sind in Deutschland, Österreich und Spanien arbeitsgerichtliche Klagen auf Feststellung eines Betriebsübergangs anhängig. In der Alpenrepublik wird diese von der Arbeiterkammer unterstützt und organisiert. Sollte ein „BÜ“ rechtskräftig festgestellt werden, so „erbt“ Lauda Europe Ltd. nicht nur den Betriebsrat der Laudamotion, der sich mühsam gerichtlich durchsetzen musste, sondern auch den „alten KV Laudamotion“. Dieser ist nach Ansicht der Sozialpartner weiterhin gültig und bei einem Betriebsübergang gilt dieser auch für das österreichische Personal der Lauda Europe Limited.
Die Folge daraus ist, dass dem Lauda-Europe-Personal in Wien Ansprüche auf beachtlich hohe Lohnnachzahlungen plus Bezahlung laut Kollektivvertrag Laudamotion zustehen könnten. Es ist damit zu rechnen, dass die Ryanair Group das Verfahren bis zum Höchstgericht führen wird. In vergleichbaren Fällen, zum Beispiel Austrian Air Services auf Tyrolean und Austrian Airlines auf Tyrolean, unterlag die Arbeitgeberseite. Letztlich knickte man aber ein und einigte sich mit der Arbeitnehmerseite auf sinnvolle Lösungen. Was dem Lauda-Europe-Personal in Wien jedoch blühen könnte, wenn rechtskräftig ein Betriebsübergang festgestellt werden sollte, ist wohl auch nicht schwer zu erraten. Ryanair tauscht den Operator aus und stellt die nächste Tochtergesellschaft nach Wien. Gewinnt jedoch die Arbeitgeberseite, haben die Bediensteten Pech gehabt.
Erwähnenswert ist abschließend auch, dass in Deutschland, Österreich und Spanien laut den lokalen Gewerkschaften „hunderte“ arbeitsgerichtliche Verfahren anhängig sind. In Düsseldorf und Stuttgart führen beispielsweise die Gerichte derzeit fließbandartig Güte- und Kammertermine durch. Auch in der Alpenrepublik sind weit mehr als 100 Klagen vor dem Landesgericht Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht anhängig bzw. zum Teil liegen bereits Urteile zu Ungusten der Laudamotion GmbH in erster Instanz vor.