Deutschland hat mittlerweile wieder große Teile des Globus mit Reisewarnungen belegt. Eigentlich wollte man sich von der Praxis der pauschalen Warnungen verabschieden, jedoch sind derzeit nur noch 60 Staaten ohne diesen von der Bundesrepublik aufgestempelten Makel.
Vor der Corona-Pandemie bedeuteten Reisewarnungen im Regelfall, dass eine ernsthafte Gefahr in Sachen Sicherheit oder gar für Leib und Leben bestehen kann. Zu Beginn der Krise sprach die Bundesrepublik eine pauschale Reisewarnung für den gesamten Globus aus. Fälschlicherweise haben einige Massenmedien berichtet, dass Auslandsreisen nicht erlaubt wären. Das war zu keinem Zeitpunkt der Fall, jedoch waren viele Einreise- und Quarantänebestimmungen so streng, dass Nicht-Staatsbürgern das Betreten des Ziellands fast unmöglich war. Obendrein waren vielerorts Beherbergungsbetriebe behördlich geschlossen.
Im Oktober 2020 verabschiedete sich Deutschland von der pauschalen Reisewarnung. Im weiteren Verlauf schaffte man dann die Kategorien „Risikogebiet“ und „Hochinzidenzgebiet“ ab und führt nur noch „Hochrisikogebiete“ und „Virusvariantengebiete“. Allerdings sind die beiden „neuen“ Einstufungen stets mit einer Reisewarnung verbunden.
Offiziell heißt es, dass die Sieben-Tages-Inzidenz keine Rolle mehr spielt, jedoch ist in jüngerer Vergangenheit zu beobachten, dass diese offenbar weiterhin das Hauptkriterium ist. Beispielsweise sind in Österreich die Belagszahlen in den Krankenhäusern äußerst gering, jedoch ist die Sieben-Tages-Inzidenz, die keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Gesundheitszustand zulässt, hoch. Unabhängig davon landete Österreich wieder auf der Liste der „Hochrisikogebiete“ und die damit verbundene Reisewarnung wurde ausgesprochen.
Mittlerweile hat die Bundesrepublik dermaßen viele Staaten auf ihre „rote Liste“ gesetzt, dass schon fast wieder von einer pauschalen Reisewarnung die Rede sein kann. Weltweit stuft Deutschland nur noch 60 Länder nicht mit diesem Merkmal ein. Oftmals sind aber die Gründe schwer bis gar nicht nachvollziehbar, denn punktuell sind auch Gebiete betroffen, die in Sachen Corona deutlich besser dastehen als Deutschland.
Viele Tour Operator nehmen Reisewarnungen nicht mehr ernst
Die wahre Problematik liegt aber wo ganz anders, denn vor der Pandemie war es normal, dass im Falle von Reisewarnungen Pauschalreisen kostenfrei storniert und/oder umgebucht werden konnten. Auch viele Fluggesellschaften zeigten sich kulant und haben zumindest die Änderung des Flugtermins ermöglicht. Mittlerweile sehen das immer mehr Reiseveranstalter gänzlich anders, denn argumentiert wird eben, dass die Reisewarnungen, die manchmal keulenartig ausgesprochen werden, nur schwer bis gar nicht nachvollziehbar sein sollen.
Alltours preschte als erster deutscher Tour Operator vor und gewährt keine kostenlosen Buchungsänderungen bzw. Rücktritte bei Reisewarnungen mehr. Es sei denn ein kostenpflichtiges Flexi-Paket wurde im Zuge des Kaufs der Pauschalreise dazu genommen. Klammheimlich kopieren immer mehr Reiseveranstalter dieses Modell und weigern sich ebenfalls strikt im Falle von Reisewarnungen Stornos kostenlos durchzuführen. Selbstredend: Natürlich gibt es kostenpflichtige Pakete, die zumindest die Umbuchung ermöglichen sollen.
Unter dem Strich steht, dass Reisewarnungen mittlerweile die abschreckende Wirkung verloren haben und sowohl von der Touristikbranche als auch von vielen Reisenden nicht mehr ernst genommen werden. Allerdings gibt es ein Problem, das von vielen Urlaubern nicht bedacht wird: Im Kleingedruckten von Reiseversicherungen gibt es oftmals Klauseln, die jeglichlichen Deckungsanspruch ausschließen, wenn man in ein Gebiet, das mit einer Reisewarnung belegt ist, reist. Im Falle des Falles kann das fatale finanzielle Konsequenzen haben, denn man bleibt auf sämtlichen Kosten, die man eventuell bei der Assekuranz hätte einreichen können, sitzen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei fast allen Versicherungen der Grundsatz gilt, dass der Versicherungsschutz nur dann entfällt, wenn zum Zeitpunkt der Einreise in das Zielland bereits eine Reisewarnung bestand. Wird diese während dem Urlaub ausgesprochen, so besteht so gut wie immer Deckungsschutz. Also: Vor einer Reise in ein Gebiet mit Reisewarnung unbedingt das Kleingedruckte einer eventuellen Versicherung genau lesen.
Auch Versicherungen kassieren extra
Einige Anbieter von Reiseversicherungen haben das Wort „Reisewarnung“ mittlerweile auch als Geschäftsmodell entdeckt, denn gegen einen saftigen Aufpreis verzichten manche Assekuranzen auf den sonst üblichen Ausschluss. Gelegentlich finden sich Formulierungen wie „Corona-Reisewarnungen“. Damit will man sich offensichtlich absichern, dass Leistungspflicht in Gebieten mit „echten Warnungen“, sprich wegen politischer Instabilität, Bürgerkriege und dergleichen, entstehen könnte.
Auch wenn Geimpfte und Genesene aus Hochrisikogebieten kommend derzeit nicht in Quarantäne müssen, sollten diese bedenken, dass mögliche Einschränkungen im Bereich von Reiseversicherungen auch für diese gelten. Die Klauseln sind nämlich nicht an den „Grünen Pass“, sondern an Reisewarnungen geknüpft.
Unter dem Strich steht, dass Deutschland die aktuelle Praxis der Einstufung in Hochrisikogebiete überdenken sollte, denn die Privatwirtschaft hat diesen Umstand mittlerweile als Geschäftsmodell entdeckt. Das ist für Konsumenten nicht nur finanziell teurer, sondern durchaus riskant, wenn Reisewarnungen aus wirklich wichtigen Gründen ausgesprochen werden und sich Tour Operators dann querlegen, weil ein teures Flexi-Paket fehlt. So verrückt das klingt, aber es gibt viele Menschen, die lange auf einen Urlaub gespart haben und bevor das Geld weg ist, fliegt man dann in eine echte Problemregion. Und es gibt tatsächlich zahlreiche Staaten, in denen es sehr instabil ist oder unberechenbare Militärjunta herrschen, jedoch gleichzeitig sind es beliebte Urlaubsgebiete.