Lockheed Martin F-35 (Foto: U.S. Air Force photo by Master Sgt. Donald R. Allen).
Redakteur
Letztes Update
Give a coffee
Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee einladen.
Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.
Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Hinweise wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.
Ihr
Aviation.Direct-Team

Preisstreit um Kampfjets: Die Schweiz und die Vereinigten Staaten ringen um die Kosten für F-35-Lieferungen

Werbung

Ein unerwarteter Zwist belastet derzeit die Beziehungen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Im Mittelpunkt des Disputs steht der Preis für die von Bern bestellten 36 F-35-Kampfflugzeuge.

Während die schweizerische Regierung unter der Annahme handelte, die Jets seien zu einem Festpreis von rund sechs Milliarden Franken (etwa 6,4 Milliarden Euro) erworben worden, vertritt die US-amerikanische Behörde Defense Security Cooperation Agency (DSCA) nun eine abweichende Auffassung. Dieser Konflikt droht, die im Jahre 2022 getroffene Beschaffungsentscheidung, welche bereits in Europa und der Schweiz für erhebliche Kontroversen sorgte, neu aufzurollen und stellt die Verläßlichkeit internationaler Rüstungsgeschäfte in Frage.

Die umstrittene Wahl des F-35: Ein Blick zurück

Die Entscheidung der Schweiz, im Rahmen des Rüstungsprogrammes „Air2030“ 36 Kampfflugzeuge des Typs F-35 „Lightning II“ von der Vereinigten Staaten zu beschaffen, hatte bereits im Jahre 2022 hohe Wellen geschlagen. Die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd hatte die Wahl des amerikanischen Jets gegenüber den europäischen Anbietern, dem Eurofighter „Typhoon“ und dem französischen Mehrzweckkampfflugzeug Rafale, entschieden verteidigt. Ihre Hauptargumentation basierte auf der vermeintlichen Kostengünstigkeit des F-35. In einer vielbeachteten Erklärung hatte Amherd betont, es habe „nicht anders entschieden werden können“, da der F-35 im Vergleich zu seinen europäischen Konkurrenten als die wirtschaftlichste Option hervorgegangen sei. Diese Einschätzung stützte sich auf eine umfassende Evaluation durch die schweizerische Beschaffungsbehörde Armasuisse, welche die Offerten der verschiedenen Hersteller genau unter die Lupe nahm.

Die Argumente für den F-35 waren vielfältig. Neben dem Anschaffungspreis wurden auch die Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer und die Systemleistung berücksichtigt. Die F-35 wurde als das Flugzeug mit dem größten Potenzial für zukünftige Entwicklungen und als dasjenige angesehen, welches die besten Voraussetzungen für eine effektive Luftraumüberwachung und Luftverteidigung der Schweiz biete. Das amerikanische Flugzeug, ein Produkt des Herstellers Lockheed Martin, überzeugte die schweizerischen Gutachter insbesondere durch seine fortschrittliche Tarnkappentechnologie, seine Sensorausstattung und seine Vernetzungsfähigkeiten, die es ihm erlauben, Informationen mit anderen Systemen in Echtzeit auszutauschen. Dies sollte die Überlebensfähigkeit der schweizerischen Luftwaffe in einem modernen Konfliktumfeld signifikant erhöhen.

Dennoch löste die Entscheidung, die europäischen Hersteller zu übergehen, in politischen Kreisen und in der Öffentlichkeit erhebliche Diskussionen aus. Kritiker monierten die Abkehr von einer europäischen Lösung und die damit verbundene Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Befürchtet wurden nicht nur politische Implikationen, sondern auch Risiken in Bezug auf Technologiehoheit und Wartung. Diese Debatte ist noch immer im Gange, und der jetzige Preisstreit könnte sie erneut entfachen.

Der Kern des Konflikts: Festpreis versus Kostensteigerung

Der zentrale Punkt des nun entflammten Disputs ist die Vertragsnatur des Kaufes. Der schweizerische Bundesrat (die Regierung) hat nun erneut betont, daß im Liefervertrag ein Festpreis vereinbart worden sei. „Dieser Festpreis wurde durch Gutachten verschiedener Anwaltskanzleien und auch durch die US-Botschaft in Bern öffentlich bestätigt“, teilte der Bundesrat mit. Ein Festpreisvertrag ist in der Regel eine Vereinbarung, bei der der Verkäufer einen einzigen Gesamtpreis für das gesamte Projekt festlegt, unabhängig von den tatsächlich anfallenden Kosten. Dies bietet dem Käufer eine hohe Planungssicherheit und schützt ihn vor unvorhergesehenen Kostensteigerungen.

Die US-amerikanische Defense Security Cooperation Agency (DSCA) vertritt hingegen eine andere Auffassung. Die DSCA, eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, ist für die Abwicklung von Waffengeschäften im Rahmen des Foreign Military Sales (FMS)-Programmes zuständig. Sie dient als Vermittler zwischen ausländischen Regierungen und amerikanischen Rüstungsunternehmen. Die DSCA habe ihre Auffassung kommuniziert, daß es sich aus ihrer Sicht um ein „Mißverständnis“ handle, und daraufhin einen neuen, höheren Preis genannt. Die genaue Höhe der von der DSCA geforderten Mehrkosten wurde vom Bundesrat nicht bekanntgegeben, jedoch legen die Gründe für die Forderung eine nicht unerhebliche Summe nahe.

Die DSCA begründet die mutmaßlichen Mehrkosten unter anderem mit der „zeitweise hohen Inflation“ und „stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen“. In der Tat haben die globalen Wirtschaftsschwankungen der letzten Jahre, insbesondere die Auswirkungen der Pandemie und geopolitischer Ereignisse, zu einem erheblichen Anstieg der Produktionskosten in vielen Industrien geführt, einschließlich der Rüstungsindustrie. Rohstoffe wie spezielle Metalle und elektronische Komponenten, die für den Bau moderner Kampfflugzeuge unerläßlich sind, sowie die Energiekosten für die Produktion sind weltweit gestiegen. Dies hat bereits zu Mehrkosten und Verzögerungen bei anderen großen Rüstungsprogrammen geführt und ist ein wiederkehrendes Thema bei internationalen Beschaffungen.

Dennoch stellt sich die Frage, ob solche Kostensteigerungen bei einem angeblichen Festpreisvertrag tatsächlich an den Käufer weitergegeben werden dürfen. Festpreisverträge sollen gerade das Risiko solcher unvorhergesehenen Kosten beim Verkäufer belassen. Es ist denkbar, daß der Vertrag bestimmte Klauseln enthält, die Preisanpassungen unter außergewöhnlichen Umständen erlauben, oder daß es unterschiedliche Interpretationen der Vertragsbestimmungen gibt. Im Allgemeinen sind FMS-Verträge zwar als Fixed-Price-Verträge konzipiert, sie enthalten jedoch oft Preisanpassungsklauseln, die im Falle von Veränderungen der Material- oder Arbeitskosten aktiviert werden können. Der genaue Wortlaut des Vertrages wird hier entscheidend sein.

Diplomatische Lösung gesucht: Die Rolle der Beziehungen

Die schweizerische Regierung hat erklärt, die Angelegenheit nun auf diplomatischem Weg lösen zu wollen. Dies unterstreicht die Sensibilität des Themas und die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten. Beide Länder unterhalten traditionell enge wirtschaftliche und politische Beziehungen, und ein offener Streit über einen solch wichtigen Rüstungsauftrag könnte diese Beziehungen belasten. Eine diplomatische Lösung würde bedeuten, daß beide Seiten versuchen, durch Verhandlungen und Kompromisse zu einer Einigung zu gelangen, ohne rechtliche Schritte einzuleiten, die langwierig und kostspielig sein könnten.

Die F-35-Beschaffung ist nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisches Projekt von hoher Bedeutung für die Schweiz. Der Erwerb dieser modernen Kampfflugzeuge ist ein zentraler Bestandteil der schweizerischen Verteidigungspolitik, die darauf abzielt, die Neutralität des Landes durch eine glaubwürdige Abwehrfähigkeit zu untermauern. Eine Verzögerung oder Verteuerung des Projektes könnte die Glaubwürdigkeit dieser Politik untergraben und innenpolitische Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Vereinigten Staaten haben ebenfalls ein Interesse daran, die diplomatischen Beziehungen zur Schweiz aufrechtzuerhalten und den Ruf des FMS-Programmes als zuverlässigen Partner zu wahren. Ein langwieriger Streit über die Preisgestaltung könnte das Vertrauen anderer Länder in amerikanische Rüstungsgeschäfte erschüttern. Es ist daher wahrscheinlich, daß beide Seiten bestrebt sind, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden, die die Kerninteressen wahrt und eine Eskalation des Konflikts vermeidet. Die Verhandlungen werden wahrscheinlich darauf abzielen, die unterschiedlichen Interpretationen der Vertragsbedingungen zu klären und möglicherweise eine Aufteilung der zusätzlichen Kosten zu vereinbaren.

Globale Perspektive: F-35-Kosten und ähnliche Herausforderungen

Der aktuelle Preisstreit ist kein Einzelfall im Kontext des globalen F-35-Programmes. Das F-35-Programm, eines der teuersten und komplexesten Rüstungsvorhaben der Geschichte, war seit seiner Konzeption immer wieder mit Kostenüberschreitungen, technischen Problemen und Auslieferungsverzögerungen konfrontiert. Viele Käuferstaaten haben im Laufe der Jahre über Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Zeitplänen und Budgets berichtet. Die komplizierte Natur der Produktion, die Notwendigkeit ständiger Software-Updates und die Abhängigkeit von einer globalen Lieferkette machen das Programm anfällig für externe Faktoren wie Inflation und Rohstoffpreisschwankungen.

Länder wie Kanada, Deutschland, Belgien und Dänemark haben ebenfalls in den F-35 investiert oder erwägen dies. Jede dieser Beschaffungen ist mit spezifischen Verhandlungen und vertraglichen Vereinbarungen verbunden, die das Risiko von Kostensteigerungen auf unterschiedliche Weise verteilen. Der Fall der Schweiz könnte daher als Präzedenzfall für andere Nationen dienen, die ebenfalls von ähnlichen Preisanpassungsforderungen betroffen sein könnten oder zukünftig ähnliche Verträge abschließen wollen. Die Transparenz und die Art der Lösung dieses Konflikts werden daher nicht nur für die Schweiz und die Vereinigten Staaten, sondern auch für die gesamte internationale Rüstungsindustrie von großem Interesse sein. Es bleibt abzuwarten, wie dieser diplomatische Tanz zwischen Festpreisbehauptung und Forderung nach Inflationsausgleich enden wird und welche Lehren daraus für künftige Rüstungsbeschaffungen gezogen werden.

Werbung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Werbung