Rechtsschutz: HG Wien kassiert Uniqas “Ausnahmesituationsklausel”

Firmenzentrale der Uniqa Versicherung in Wien (Foto: Uniqa Group).
Firmenzentrale der Uniqa Versicherung in Wien (Foto: Uniqa Group).

Rechtsschutz: HG Wien kassiert Uniqas “Ausnahmesituationsklausel”

Firmenzentrale der Uniqa Versicherung in Wien (Foto: Uniqa Group).
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Viele Fluggesellschaften verschleppten nach Beginn der Corona-Pandemie die Erstattung nicht nutzbarer Tickets. Wer eine Rechtsschutzversicherung mit Allgemeinem Vertragsrechtsschutz hat, dachte auf der sicheren Seite zu sein. Doch einige Assekuranzen wurden kreativ und wollten sich mit fadenscheinigen Ausreden vor der Deckung drücken. Dem schob nun das Handelsgericht Wien einen Riegel vor.

Der Verein für Konsumenteninformation klagte im Auftrag des Sozialministeriums gegen einen der größten Anbieter Österreichs, die Uniqa-Versicherung. Grund dafür war, dass es laut VKI im Frühjahr 2020 vermehrt zu Beschwerden gekommen ist, dass das Unternehmen im Bereich Rechtsschutz die Deckung verweigert haben soll und sich dabei auf eine „Ausnahmesituationsklausel“ berufen haben soll.

Andere Versicherer versuchten sich ebenfalls zu drücken

Die Uniqa war hier kein Einzelfall, denn Aviation Direct liegt ein Fall vor, in dem eine andere Assekuranz im Mai 2020 die Deckung für rechtliches Vorgehen gegen Laudamotion GmbH ablehnte. Der Fluggast hatte ein Return-Ticket für Mitte April 2020, das im Jänner 2020 gebucht wurde, jedoch konnte dieses mangels Flugbetrieb nicht angetreten werden. Lauda erstattete das Geld nicht, sondern der Chat-Kundenservice band dem Konsumenten einen besonderen „Bären“ auf: Pro Monat könne man aus Kapazitätsgründen maximal 10.000 Flugscheine erstatten. Der Passagier hatte aber kein superbilliges Ticket, sondern bezahlte für seine Reise pro Person etwa 250 Euro.

Dem Lauda-Kunden platzte der Kragen und er ersuchte seine Rechtsschutzversicherung um Deckung, da alle Versuche – auch per Einschreiben mit Rückschein – nicht zur Rückzahlung führten. Die böse Überraschung kam dann von der Assekuranz: Abgelehnt, denn aufgrund behördlicher Anordnungen hätte Lauda nicht fliegen können. Das war absoluter Unsinn, denn es gab zu keinem Zeitpunkt ein Flugverbot zwischen Österreich und Deutschland. Die wahre Frechheit liegt aber im Detail: Die Klausel, auf die sich das Unternehmen berufen hatte, besagt, dass im Falle behördlicher Zwangsumsiedlungen nach Reaktorunfällen kein Deckungsschutz besteht. Corona soll also ein radioaktiver Super-Gau ala Tschernobyl sein? Der verärgerte Kunde schrieb dann einen gepfefferten Beschwerdebrief – per Einschreiben mit Rückschein – an den CEO dieser Versicherung. Plötzlich ging alles ganz schnell: Die Person erhielt von der Assekuranz eine Überweisung in der Höhe von 500 Euro für sich und seine Ehefrau. Zwei Wochen später kugelte ein Brief ein, in dem man schrieb, dass man „in diesen schweren Zeiten sofort helfen will“ und sich „aufgrund des niedrigen Streitwerts zu einer 100-prozentigen Prozesskostenablöse entschieden“ habe. Es folgten noch viele Floskeln, dass man die Kunden jetzt nicht im Stich lässt, aber auf den stümperhaften Ablehnungsversuch ging man in keinem Wort ein.

HG Wien kassiert Uniqas „hoheitliche Anordnungen“-Klausel

Zurück zur Klage des VKI gegen die Uniqa-Versicherung: Die Klage des VKI richtete sich gegen eine diesbezügliche Klausel der Uniqa Österreich Versicherungen AG. Laut dieser Bestimmung besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen “in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“ „Solche oder inhaltlich ähnliche Klauseln sind in der Rechtsschutzversicherungsbranche üblich“, erläutert Barbara Bauer, zuständige Juristin im VKI.

Das HG Wien beurteilte diese Klausel jetzt als gröblich benachteiligend. Nach Auffassung des Gerichts kann die Klausel nur so interpretiert werden, dass sämtliche Zusammenhänge mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung davon erfasst sind. Es kann aber nicht jeder noch so ferne Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung für einen Risikoausschluss ausreichend sein, da es sonst zu unangemessen großen Lücken im Versicherungsschutz kommen würde.

Zudem ist die Klausel aus mehreren Gründen intransparent: Einem durchschnittlichen Verbraucher wird nicht klar ersichtlich, ob unter „hoheitlichen Anordnungen“ nur Gesetze oder auch Verordnungen und Richtlinien, Bescheide, Erläuterungen, Erlässe etc. zu verstehen sind. Unklar bleibt auch, ob Empfehlungen der Regierung (wie etwa eine Empfehlung des Außenministeriums, auf nicht notwendige Auslandsreisen zu verzichten) davon erfasst sind und ob dies nur für hoheitsrechtliche Anordnungen von österreichischen Behörden oder auch jene von ausländischen Behörden gilt. Zudem ist das in der Klausel verwendete Wort „Ausnahmesituation“ nicht eindeutig genug. Es bliebe im Einzelfall dem Versicherungsgeber überlassen, den Begriff der Ausnahmesituation zu definieren. Somit ist es dem Verbraucher nicht möglich, die Tragweite der Klausel zu durchschauen. Die Klausel ist daher unwirksam.

„Die COVID-19-Pandemie stellt den Versicherern keine Blankoermächtigung für Rechtsschutzablehnungen aus“, kommentiert Barbara Bauer das Urteil. „Konsumenten, die Rechtsstreitigkeiten wegen COVID-19-bedingter Absagen von Veranstaltungen oder Reisen haben, dürfen nun wieder auf Deckung durch die Rechtsschutzversicherer hoffen.“ Das gegen Uniqa ergangene Urteil erster Instanz ist noch nicht rechtskräftig.

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