Reisen in Zeiten von Corona: Mit Bürokratie das Virus bekämpfen

Einreiseformulare müssen in vielen Ländern ausgefüllt werden (Foto: Robert Spohr).
Einreiseformulare müssen in vielen Ländern ausgefüllt werden (Foto: Robert Spohr).

Reisen in Zeiten von Corona: Mit Bürokratie das Virus bekämpfen

Einreiseformulare müssen in vielen Ländern ausgefüllt werden (Foto: Robert Spohr).
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Meine Paßnummer kann ich längst auswendig. Das ist keiner freiwilligen Lernübung geschuldet, sondern dem banalen Mobilitätsbedürfnis in Europa, nämlich im Jahr 2020 (und 2021) per Flugzeug von A nach B zu kommen. Fliegen ist plötzlich zum Gott-sei-bei-uns vieler national-populistisch angehauchter Politiker geworden, die das Virus als willkommenen Anlass benutz(t)en, um Grundrechte durch die Hintertür auszuhebeln.

Im Mai 2020 kam ich mit Lufthansa aus Frankfurt in Wien an. Erster Lockdown, kaum Flüge, aber Gründerzeitstimmung unter Bürokraten. Im Flugzeug wurden 2 Zettel ausgeteilt, welche auszufüllen waren und angeblich wieder eingesammelt wurden. Auf beiden Formularen wurden Daten abgefragt, die ohnehin im Paß oder der Flugbuchung stehen: Namen, Adresse, Geburtsdatum, Paßnummer, Ablaufdatum des Passes. Keines der Formulare wurde eingesammelt. Im Gatebereich waren sodann Polizisten und Beamte des Gesundheitsministeriums positioniert, die die Ankommenden abfertigten. Ich war bei einem Mitvierziger im verschwitzten Ruderleiberl an der Reihe. In rüdem Ton erklärte er, dass ihn die Zettel aus dem Flugzeug nicht interessieren und ich müsse ein neues Formular ausfüllen. Gut 100 Passagieren ging es ebenso. Auf einem Tisch, ca. 2 x 1 m, lagen die ‚Zettel zum Glück‘ bereit und die wenigen Kugelschreiber gingen durch die Hände aller Passagiere. Gemäß der Anleitung ‚Wie stecke ich mich richtig an‘ war von Abstand halten logischerweise keine Spur, da der gut 10 x 10 m große Raum eben nicht zuließ, dass sich 100 Passagiere mit Abstand anstellen konnten. Zurück beim schwitzenden Beamten an seinem Pult erfuhr ich dann, dass ich auf dem Formular ‚Quarantäne‘ ankreuzen und unterschreiben müsste. Ich erklärte ihm auf Basis der Verordnung, dass dies für mich aufgrund der Ausnahmeregel nicht zutreffen würde und zeigte ihm das entsprechende Schreiben der Wirtschaftskammer. Lapidare Antwort: ‚Se unterschreibn oder i loss sie ned einreisn!‘ Es wurde dann lauter und meine Drohung mit dem Rechtsanwalt und dem Hinweis, dass österreichischen Staatsbürgern die Einreise nicht verwehrt werden darf, liess nun auch die bis dahin ruhig umherstehenden Polizisten unruhig werden und letztlich wurde der cholerische Kollege vom Virus-Ministerium auf die Aussichtslosigkeit seines Agierens hingewiesen. Wiener Gastfreundschaft vom Feinsten und meine ersten Kontakte mit den Virus-Zetteln. Nach gut 3 Wochen erfolgte immerhin eine Entschuldigung seitens des Ministeriums.

Auf vielen weiteren Flügen innerhalb Europas waren zwar nie wieder derart unfreundliche Gestalten wie am Flughafen Wien anzutreffen. Es zeitigte sich jedoch eine inflationäre Zunahme von auszufüllenden Formularen. Alles im Sinne der Gesundheit, wie FlugbegleiterInnen mehr oder minder glaubhaft versuchten, dem fliegenden Fußvolk entgegen zu säuseln. Da die Zettel so gut wie nie eingesammelt wurden, weder im Flugzeug noch bei Ankunft, beschlich mich bald der Verdacht, dass mich die Formulare vielleicht gar nicht vor der Ansteckung durch Corona schützen würden? Möglicherweise will einfach nur wer wissen, wer und wann von A nach B fliegt. Aber warum um alles in der Welt werden die Zettel dann nicht eingesammelt?

Sommer: Endlich auch ein Urlaubsziel von Augen. Madeira. Man braucht einen PCR-Test zur Einreise, den man mitbringen kann oder direkt bei Ankunft machen muss. Letzteres hat allerdings eine Quarantäne zur Folge. Also zum Hausarzt, um wohlfeile EUR 138,- in Nase und Rachen herumfummeln lassen und mit Testergebnis freudig das Flugzeug bestiegen. Im Flugzeug (mit Zwischenlandungen in Frankfurt, Madrid und Lissabon) insgesamt 7 Zettel ausgefüllt und 1 QR-Code generiert. Die Zettel wurden allesamt nicht eingesammelt, der QR-Code berechtigte immerhin zur flotten Einreise in Spanien.

Bei Ankunft in Funchal (Madeira) dann mein erster Zugang in die Tiefen der Virologie: Mein Test wäre ungültig, da dort nur ‚RT-PC‘ stehen würde. Es müsste aber ‚RT-PCR‘ stehen. In der Tat fehlte das ‚R‘ am Testausdruck des bis dahin einzigen Labors in Salzburg. Ein neuer Test war notwendig. Die EUR 138,- habe ich umsonst in eine beschleunigte Einreise investiert.

Mittlerweile habe ich 25 Tests in 9 Ländern gemacht: Österreich, Deutschland, Island, Mexiko, Portugal, Türkei, Kapverden, Kenia und Tansania. Nirgendwo sind die Tests so teuer wie in Österreich! In allen genannten Ländern sind meist eigene Covid-Teststationen eingerichtet, in der Regel in eigenen Zelten vor den jeweiligen Krankenstationen. In Österreich? Hier kommt mein Hausarzt noch immer ins Freie und wird der Abstrich im Innenhof des Gemeindebaus abgenommen. Mit jeder Menge Zuschauern und bei jedem Wetter. Datenschutz? Arztgeheimnis?

Abstand halten?

Was bald nach Beginn der Pandemie auffiel, war der inflationäre Gebrauch von Aufklebern, die auf ‚Abstand halten‘ hinweisen sollten. Besonders auf Flughäfen wurden Gänge und Wartebereiche damit zugepflastert. 1,5 m Abstand wurde damit suggeriert – aber halt! Wenn so ein Passagier von einem anderen 1,5 m Abstand halten soll, stehen ihm 1,77 m² an Standfläche zu (die Körpermasse jetzt gar nicht mitgerechnet). Macht bei einem Airbus 319 mit seinen 136 Fluggästen immerhin satte 240 m² Wartefläche. Es muß das Gate A63 in DUS gewesen sein, wo ich letztendlich auf rund 70 m² freie Wartefläche gekommen bin. Abstand halten? Mit Aufklebern ja, in der Praxis aber nicht möglich. Spannend wurde es oftmals in den letzten Monaten, wenn man mit einer der zahlreichen Canadair-Jets der LH-Tochter Cityline unterwegs war. Während das charmante Dosen-Feeling während des Fluges keinerlei Ansteckungsrisiko bedeuten soll, sollten wir Passagiere dann Teil eines mehr als skurrilen Aussteige-Erlebnisses werden: Reihe für Reihe wurde ausgestiegen, um sich dann im vollgestopften Flughafenbus wiederzufinden, wo man im Aerosol-Nebel des Nebenmanns/der Nebenfrau zum Terminal geschunkelt wurde. Dort angekommen, wurde man dann mit Propaganda zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes berieselt, wiewohl in den Gängen ohnehin mittlerweile gähnende Leere herrscht.

Betritt man das Terminal nach dem Bus-Deboarding, wird es zumindest am Flughafen München aktuell eher martialisch: Bei meinem letzten Inlandsflug von BER nach MUC in einem Canadair-Jet mit gut 50 Paxen an Board standen im Eingangsbereich satte 14 Polizisten Spalier – die meisten davon mit MP bewaffnet. ‚Wollen’s jetzt das Virus wegballern?‘ waren meine ersten Gedanken. Meine zweiten Gedanken waren dann eher, dass wir wohl mitten in einem Polizeistaat unterwegs sind, da die Herren und Damen in Uniform weder grüßten noch kontrollierten (was auch?). Sie waren vermutlich nur da, um einzuschüchtern. ‚Du sollst nicht fliegen‘ als 11. Gebot der Corona-Diktatoren.

Testen?

Klar ist testen wichtig, um bei positivem Ausgang nicht andere anzustecken. Im Alltag und in einfacher Form sicherlich die nächste Zeit unverzichtbarer Wegbegleiter. Aber vor dem Reisen? AUA und LH haben dies erfolglos versucht. Die Auslastung der jeweiligen Flüge sank ins Bodenlose. Nur wer den Kontakt zum Kunden verloren hat, kann an solche Maßnahmen glauben. Ein Ticket um 1.000,- oder mehr zu kaufen und dann vor dem Abflug festzustellen, dass man nicht fliegen darf? Mit diesem Unsicherheitsfaktor wollte man ernsthaft wieder Flugzeuge füllen? Aktuell probiert es KLM gerade mit Testpflicht vor dem Abflug – weil ein Test nicht genug ist, müssen es gleich zwei sein: Ein PCR- und Schnelltest. Die Auslastung der wenigen Flüge sinkt dadurch dramatisch. Zuletzt in der Embraer von Amsterdam nach München saßen mit mir noch weitere 17 Passagiere im Flieger.

Für eine Reise auf die Kapverden im Jänner waren insgesamt 4 Tests notwendig und 16 x mußten im Flieger Formulare ausgefüllt oder Online-Anmeldungen gemacht werden (MUC – TLS – LIS – RAI; VXE – LIS – AMS – MUC sowie 3 Insel-Flüge).  

Auf unserer Rückreise aus Honduras im Dezember via San Salvador (SAL) – Toronto (YYZ) nach Frankfurt (FRA) wurden wir als österreichische Staatsbürger in Toronto genötigt, die deutsche Online-Registrierung auszufüllen. Alle Erklärungen, wir wären nur im Transit, fruchteten nichts. Erst als wir vor den Augen der Dispatcherin verzweifelt und am Ende nicht erfolgreich versuchten, in das 5stellige Feld der Postleitzahl unsere 4stellige österreichische Postleitzahl einzutragen, war sie überzeugt, dass uns dieses Formular nicht vor Corona bewahren wird und wir konnten auf das Ausfüllen verzichten.

Fazit:

Die Planlosigkeit vieler Regierungen, mit der Pandemie umzugehen, hat auch die Flugindustrie voll erwischt. Wildgewordene Bürokraten verewigen sich gerade mit Klein-Klein-Vorschriften, ständig neuen Formularen und laufend geänderten Reisevorgaben. Fluggesellschaften tun ihr übriges dazu, indem sie die Regelungen auch noch widerstandslos und teilweise an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten (Abstandsregeln im Flughafenbus) umzusetzen versuchen. Gleichzeitig suggerieren alle Fluggesellschaften, dass Fliegen nicht ansteckend sei. Ein kommunikativer Widerspruch. Die Distanz zum Kunden hat mittlerweile dazu geführt, dass man allen Ernstes glaubt, mit Tests am Gate die Anzahl der Fluggäste wieder nach oben zu bringen. Das wird in 100 Jahren nicht gelingen – noch dazu, wenn man dann monatelang auf Erstattung warten muß. Corona ist die Chance, dass Fluggesellschaft das Verhältnis zum Kunden radikal überdenken. Dazu bräuchte es einen Schulterschluss gegenüber der Bürokratie. Denn erst wenn man als Fluggesellschaft den letzten Flug durchgeführt hat, wird man erkennen, dass Bürokraten keine Flugtickets kaufen …

Autor:
Dieser Gastkommentar wurde von Gunther Pitterka verfasst.

Gunther Pitterka (52) ist Eigentümer und Geschäftsführer der Salzburger EisenbahnTransportLogistik GmbH mit Sitz in Salzburg und Niederlassung in Freilassing sowie Geschäftsführer der gruppeneigenen Eisenbahn-Verkehrsunternehmen S-Rail und K-Rail, ebenfalls mit Sitz in Salzburg bzw. Freilassing (174 Mitarbeiter, Jahresumsatz ca. EUR 75,0 Mio.). Kunden-, Mitarbeiter- und Geschäftspartner-Termine sowie Termine auf diversen Behörden machen regelmäßig Reisen zwischen Österreich und Deutschland erforderlich. Fernreisen fallen in die Kategorie ‚Hobby‘.

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