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Streit um Rückerstattung von Boeing-Anzahlungen für Comair vor Gericht

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Der US-amerikanische Flugzeugbauer Boeing hat ein Bundesgericht in den Vereinigten Staaten aufgefordert, einen Antrag des Nachlaßes der insolventen südafrikanischen Fluggesellschaft Comair (South Africa) abzuweisen. Comair hatte Boeing sanktionieren wollen, weil das Unternehmen angeblich ein entscheidendes „Comfort Letter“ gelöscht habe, das der Fluggesellschaft die Rückerstattung ihrer Anzahlungen für den Kauf von Boeing 737-8 Max Flugzeugen zugesichert haben soll. Boeing argumentiert, daß ein solches Schreiben nie existiert habe und die Löschung von Dokumenten Teil der üblichen Unternehmensverfahren gewesen sei.

Die am 12. Mai 2025 beim US-Bezirksgericht von Washington in Seattle eingereichte Antwort Boeings bezieht sich auf die Klage von Comair, die im Februar 2023 eingereicht wurde. Darin fordert der Nachlaß von Comair 83 Millionen US-Dollar Schadenersatz von Boeing wegen Betrugs und Vertragsbruchs im Zusammenhang mit dem Kauf von acht Boeing 737 Max Flugzeugen. Comair hatte Boeing mehr als 45 Millionen US-Dollar an Vorauszahlungen für sieben Boeing 737-8 geleistet sowie die vollständige Zahlung für eine im Februar 2019 gelieferte Maschine erbracht. Comair stornierte die Bestellung jedoch nach dem weltweiten, 20 Monate dauernden Grounding des Typs infolge zweier tödlicher Abstürze. Boeing weigerte sich, die Vorauszahlungen für die sieben nie gelieferten Flugzeuge zurückzuerstatten.

Boeing bestreitet Existenz des „Comfort Letters“

Der Fall von Comair stützt sich maßgeblich auf das angebliche „Comfort Letter“, das angeblich von Boeing-Mitarbeiter Rob Faye versandt wurde. Der Nachlaß der Fluggesellschaft behauptet, dieses Schreiben habe eine rückerstattungsfähige Anzahlung zugesichert. Boeing bestreitet jedoch die Echtheit des Schreibens und verweist auf mehrere Unregelmäßigkeiten. So habe Comair neun Monate benötigt, um das Schreiben vorzulegen. Als es schließlich eingereicht wurde, trug es das Datum des 18. Januar 2024, mehr als zehn Jahre nach dem Datum, an dem Comair es ursprünglich erhalten haben will. Diese Inkonsistenz weckte Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit des Schreibens. Zudem besagt das Schreiben selbst, daß die Anzahlung im Kaufvertrag „nicht rückerstattungsfähig“ sei, was der Argumentation von Comair widerspricht, Boeing habe eine rückerstattungsfähige Anzahlung versprochen. Nach einer gerichtlichen Anordnung zur Vorlage weiterer Dokumente zeigten die Metadaten von Comair, daß das Schreiben im Januar 2024 erstellt wurde und nicht zu dem von Comair behaupteten Zeitpunkt. Darüber hinaus räumte Comair ein, seinen E-Discovery-Dienstleister angewiesen zu haben, Metadaten zu überschreiben, was Bedenken hinsichtlich der Integrität der Dokumentenproduktion aufwarf.

Boeing verteidigt seine Praktiken zur Aufbewahrung von Dokumenten und erklärt, daß das Unternehmen eine Standardrichtlinie für die Datenlöschung verfolge. Dokumente ausscheidender Mitarbeiter würden innerhalb von 30 Tagen gelöscht, es sei denn, es liege eine Anordnung zur Aufbewahrung im Hinblick auf einen Rechtsstreit vor. Als die wichtigsten Boeing-Mitarbeiter, die in den Kauf durch Comair involviert waren, Ron Dubois und Rob Faye, das Unternehmen in den Jahren 2015 bzw. 2018 verließen, habe keine solche Anordnung bestanden, da kein Rechtsstreit absehbar gewesen sei. Boeing argumentiert, daß es zum damaligen Zeitpunkt keine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Daten gegeben habe, zumal Comair seine Klage erst 2023 einreichte, mehrere Jahre nach dem Ausscheiden der Mitarbeiter und den ersten Unfällen im Zusammenhang mit der Max. Comair hingegen argumentiert, daß Boeing eine Klage bereits 2012 hätte erwarten müssen, basierend auf angeblichem Betrug bei der Entwicklung und dem Verkauf der Boeing 737 Max. Boeing hält dies für unzumutbar.

Streit um irreführende Darstellungen und MCAS-Offenlegung

Im Kern des Antrags von Comair auf Sanktionen steht der Vorwurf, Boeing habe betrügerische Falschdarstellungen gemacht. Comair verweist auf eine Präsentation aus dem Jahr 2013, in der Boeing die Integration der Boeing 737 Max in bestehende Flotten erörterte. Boeing verteidigt diese Aussage als zukunftsgerichtet und spekulativ und betont, daß sich die Max zu diesem Zeitpunkt noch in der Entwicklung befand und dies keine betrügerische Falschdarstellung darstellen könne.

Zusätzlich bestreitet Boeing die Behauptung, es habe Comair wichtige Informationen über das MCAS-System vorenthalten. Boeing beteuert, daß MCAS sowohl der FAA als auch Comair bereits 2012 offengelegt wurde und daß zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags im Jahr 2013 keine Mängel im System bestanden hätten, die eine Offenlegung erfordert hätten. Boeing argumentiert ferner, daß Comair keine Beweise dafür vorgelegt habe, daß einer der wichtigsten Boeing-Mitarbeiter wußte, daß seine Aussagen falsch waren, was ein notwendiges Element für den Nachweis von Betrug nach dem Recht des Staates Washington darstellt. Boeing hält fest, daß Comair nicht nachgewiesen habe, daß die an der Kommunikation beteiligten Mitarbeiter Kenntnis von den angeblichen Problemen hatten, die sie angeblich nicht offengelegt hätten.

Zusammenfassend argumentiert Boeing, daß der Antrag von Comair auf Sanktionen ein strategischer Schachzug sei, um den OEM daran zu hindern, die Schwächen in den Betrugsvorwürfen anzusprechen. Der Flugzeugbauer ist der Ansicht, daß die rechtlichen und faktischen Argumente von Comair unzureichend und fehlerhaft seien. Der Fall wird fortgesetzt.

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