In Ungarn sorgt ein Dekret der Orban-Regierung für Aufregung, denn obwohl ein Gericht einen für Donnerstag geplanten Streik der Fluglotsen bewilligt hatte, wurde dieser von der Staatsführung untersagt. Die Arbeitnehmervertreter sind der Ansicht, dass sich Viktor Orban und seine Minister über Gerichtsurteile hinwegsetzen würden.
Der ungarische Ministerpräsident steht außerhalb Ungarns immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik, denn wiederholt gab es massive Angriffe gegen den Rechtsstaat und die Medienfreiheit. Auch gilt der Kurs von Orban als EU-feindlich, jedoch ist das von ihm geführte Land gleichzeitig einer der größten Netto-Empfänger von Geldern aus den vielen Töpfen der Europäischen Union. Jean-Claude Juncker bezeichnete während seiner Amtszeit als EU-Kommissionspräsident den ungarischen Politiker Viktor Orban gar als Diktator.
„Es ist eine Bankrotterklärung der ungarischen Regierung, dass sie sich mit Hilfe einer Regierungsverordnung über ein Urteil des Arbeitsgerichtes hinwegsetzt. Das Urteil besagt, dass der für Donnerstag diese Woche geplante Streik der ungarischen Fluglotsinnen und Fluglotsen für bessere Arbeitsbedingungen rechtens gewesen wäre. An gerichtlichen Entscheidungen darf nicht gerüttelt werden, auch in Ungarn nicht“, so Daniel Liebhart, Vorsitzender des Fachbereichs Luftfahrt der Gewerkschaft Vida, die sich mit ihren ungarischen Kollegen solidarisch zeigt.
Das Orban-Regime untersagte in der am Montagabend mittels Dekret herausgegeben Verordnung auch künftige Lotsenstreiks. Liebhart hält das Vorgehen der Orban-Regierung für eine Erinnerung an „Diktaturen dunkler Vergangenheit“ und weist darauf hin, dass die ungarische Regierung sich in eine laufende Verhandlung eingemischt hat, die durch nationales Recht und internationale Verträge und Gremien geregelt ist. Die Regierung habe die vom ungarischen Parlament in Zusammenhang mit der Pandemie erteilte rechtliche Befugnis missbraucht, ist Liebhart empört und kündigt weitere Schritte an.
„Wenn dieses Vorgehen Schule macht und akzeptiert wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis andere Regierungen folgen. Ungarn ist ein Rechtsstaat, und in einem Rechtsstaat muss Recht Recht bleiben. Für die Kolleginnen und Kollegen ist die Situation sehr belastend. Wer täglich mit der Angst lebt, morgen aufgrund von Befindlichkeiten einzelner Mächtiger auf der Straße zu stehen, kann seine Arbeit nicht gut machen. In Berufen, in denen weitreichende Entscheidungen in Millisekunden getroffen werden müssen, könne eine solche Kultur negative Auswirkungen mit sich bringen. Ein Fluglotse muss aber jederzeit in der Lage sein, in unvorhergesehene Situationen schwierige Entscheidungen zu treffen. Dem Vorgehen der ungarischen Regierung muss auf EU-Ebene dringend ein Riegel vorgeschoben werden“, so Liebhart, der auf ein rasches Einschreiten der Europäischen Union hofft.