UK-Ermittler kritisieren Lauda-Flugbegleiter

Airbus A320 (Foto: Pixabay).
Airbus A320 (Foto: Pixabay).

UK-Ermittler kritisieren Lauda-Flugbegleiter

Airbus A320 (Foto: Pixabay).
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Am 1. März 2019 wurde die OE-LOA, betrieben von Lauda, am Flughafen Stansted nach einer Fehlfunktion des linken Triebwerks evakuiert. Die britischen Unfallermittler üben in ihrem Bericht erhebliche Kritik an den Abläufen an Bord und kommen zum Schluss, dass die Evakuierung nicht notwendig war.

Besonders heftig wird die Entscheidung zur Evakuierung, die von der Senior Flugbegleiterin ohne Rücksprache mit dem Cockpit, getroffen wurde, kritisiert. Die Ermittler schreiben in ihrem Bericht auch, dass mangelnde Kommunikation und mangelnde Erfahrung vorliegen würden. Der Kapitän habe die Anweisung gegeben: „Attention Crew: On Station“. Genau diesen Befehl will die Kabinenchefin allerdings nicht gehört haben. Sie hielt über das Intercom Rücksprache mit einer anderen Flugbegleiterin, die geschockt und verängstigt gewesen sein soll. Im Anschluss gab die SFA den Befehl zur Evakuierung. Eine Rücksprache mit dem Kapitän gab es laut dem Bericht jedoch nicht.

Mangelnde Erfahrung der Kabinencrew

Hinsichtlich der Erfahrung der Senior-Flugbegleiterin kritisiert die Behörde, dass diese im Mai 2017 die Qualifikation als Junior-Flugbegleiterin erlangte. Aufgrund der Insolvenz ihres damaligen Arbeitgebers flog sie zwischen Dezember 2017 und März 2018 nicht. Bereits im Mai 2018 absolvierte sie die Ausbildung zum Senior und schloss diese positiv ab. Die Behörde merkt hierzu an, dass die Vorerfahrung möglicherweise mangelhaft gewesen sein könnte.

Als riskant stuften die Unfallermittler ein, dass das rechte Triebwerk zum Zeitpunkt der Räumung der Maschine noch einige Minuten in Betrieb war und die Flugzeugführer angegeben haben, dass diese überrascht waren plötzlich Passagiere rund um den Airbus A320 zu sehen. Eine Anweisung aus dem Cockpit habe es nicht gegeben, werden die Piloten im Bericht zitiert.

Herbe Kritik hagelt es auch an der Art und Weise wie die Fluggäste die OE-LOA verlassen haben. Hierbei habe die Kabinenbesatzung Empfehlungen der EASA missachtet und diese nicht daran gehindert den Airbus A320 über die Rutschen samt Handgepäckstücken zu verlassen. Zwar habe es eine entsprechende Durchsage gegeben, doch wollen diese viele befragte Passagiere nicht gehört oder wahrgenommen haben. Die britische Behörde weist ausdrücklich darauf hin, dass Nachschulungsbedarf bei Lauda besteht und hat diesbezügliche Empfehlungen ausgesprochen. Allerdings räumen die Unfallermittler auch ein, dass im Nachgang klar war, dass die Evakuierung nicht notwendig war, jedoch nach dem Grundsatz „Safety First“ grundsätzlich richtig war, da zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ohne jeden Zweifel Gefahr für die Crew und Passagiere ausgeschlossen werden konnte. Die Art und Weise wie die Durchführung erfolgte steht jedoch in der Kritik.

Der Umstand, dass das rechte Triebwerk noch in Betrieb war während unmittelbar daneben Passagiere über die Rutsche das Flugzeug verlassen haben, ist ein Umstand, den die britischen Ermittler schwer kritisieren. Auf speziellen Aufnahmen wird auch darstellt, dass die Handgepäckstücke die Evakuierung gar behinderten und die Fluggäste beim Verlassen der möglichen Gefahrenzone verlangsamt haben.

Linkes Triebwerk war vor der Übergabe an Lauda defekt

Das Triebwerk (SN: 697283) ist seit 2007 im Einsatz. Es wurde seit der Auslieferung an eine indonesische Fluggesellschaft nicht ausgewechselt. Die Ermittler schreiben, dass im Zuge der Rückgabe an den Leasinggeber zahlreiche Defekte festgestellt wurden, was zu seiner Entfernung und anschließenden Reparatur in einer Motorüberholungsanlage in Indonesien führte. Während des Reparaturvorgangs werden das IGV und VSV-Betätigungsringe geteilt, um die obere Hälfte des HPC-Gehäuses (vorderer Stator) um zwei beschädigte HPC-Klingen zu ersetzen. Dies beinhaltete die Demontage der Verbindung Verbindungen an den IGV- und VSV-Betätigungsringen. Nach Abschluss der Reparatur wurden in Indonesien keine weiteren Defekte festgestellt. 

Die britischen Ermittler stellten auch fest, dass die Fluggesellschaft Lauda nach der Übernahme der Maschine am 22. Dezember 2018 keine weiteren Wartungsmaßnahmen am linken Triebwerk durchgeführt hat: „Der Betreiber nahm das als OE-LOA registrierte Flugzeug am 22. Dezember 2018 in Empfang. Bis zum Unfall wurden keine Wartungsarbeiten am linken Triebwerk durchgeführt, außer der routinemäßigen Ölnachfüllung, und es gab keine relevanten Mängel im technischen Protokoll. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte der Motor seit der Motorreparatur 513 Betriebsstunden und 220 Zyklen angesammelt.“

In der Analyse fassen die Ermittler wie folgt in Sachen Triebwerk zusammen: Der linke Motor hatte einen geschlossenen Fehler infolge der Freigabe mehrerer HPC-Schaufeln der Stufe 1. Die Schaufelfehler wurden durch Rissverlauf aufgrund von HCF mit endgültigem Versagen aufgrund von Zugüberlastung verursacht. Mehrere andere Klingen zeigten ebenfalls eine Ermüdungsinitiierung im Schwalbenschwanz der Klinge. Die Ermüdungsfehler an den freigesetzten Schaufelbruchoberflächen stimmten mit dem Versagen aufgrund eines bekannten aerodynamischen Anregungsphänomens überein, das aus einem IGV / VSV-Zustand außerhalb des Zeitplans resultiert und Spannungen in der Schaufel erzeugt, die über der Konstruktionsgrenze liegen. 

Ein IGV-Hebelarm wurde als vom Verbindungsglied am IGV-Betätigungsring getrennt befunden und hätte den Anreiz für die aerodynamische Erregung geliefert. Im Vergleich zu anderen Schaufelfreisetzungsereignissen, die sich aus einem unsachgemäßen Eingriff der IGV / VSV-Hebelarme mit dem Verbindungsglied ergeben, zeigte ESN 697283 eine geringe Ausfallzeit. Die Größe der Anregungskraft und damit die Zeit bis zum Versagen hängt davon ab, inwieweit die betroffene Schaufel außerhalb des Zeitplans liegt (der Winkel zwischen ihr und den anderen Flügeln). Die Tatsache, dass der Hebelarm vollständig vom Verbindungsglied gelöst war und sich die Schaufel daher frei bewegen konnte, könnte die vergleichsweise geringe Zeit bis zum Ausfall beeinflusst haben. Die Freigabe der HPC-Schaufeln der Stufe 1 führte zur Trennung aller IGVs, und die von den Flügeln ausgeübten Kräfte wären über die Hebelarme in den Betätigungsring übertragen worden. Das Fehlen von Schäden am abgetrennten Hebelarm zeigt an, dass er vor und nicht infolge des Motorschadens vom Verbindungsglied getrennt wurde. Die Verbindungsglieder des IGV-Betätigungsrings wurden während der letzten Motorreparatur entfernt und wieder zusammengebaut, und es ist wahrscheinlich, dass zu diesem Zeitpunkt eine Fehlmontage des Hebelarms aufgetreten ist. 

Die entsprechende ESM-Aufgabe enthält Anweisungen für eine Sichtprüfung, um die ordnungsgemäße Installation der Hebelarme zu überprüfen. Die Fehlmontage wurde jedoch vom Wartungspersonal während der Installation des IGV-Verbindungsglieds, der Sichtprüfung oder während anderer Wartungsarbeiten in unmittelbarer Nähe des Hebelarms nicht festgestellt. Bei fortschreitendem Zusammenbau des Motors ist es unwahrscheinlich, dass der abgetrennte IGV-Hebelarm leicht erkannt werden konnte, da er durch die externen Schläuche, Rohre und Halterungen verdeckt worden wäre. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass Motorläufe nach der Wartung einen nicht ordnungsgemäß montierten IGV-Hebelarm entdeckt haben.

Die Zeit zwischen der Motorreparatur und der anschließenden Untersuchung und das Fehlen von besonders denkwürdigen Informationen über die Installation der Verbindungsglieder führten dazu, dass nur begrenzte Informationen zu den Faktoren verfügbar waren, die möglicherweise zu einer Fehlmontage des IGV-Hebelarms beigetragen haben. Der Motorenhersteller erklärte, dass er die unvollständige Installation von Komponenten als „häufigen kompetenzbasierten Fehler“ betrachte. Zusätzliche Schulungen oder Überarbeitungen der Wartungsdokumentation haben sich in der Regel als unwirksam erwiesen, um eine unsachgemäße Installation der Komponenten zu verhindern. Im Allgemeinen können solche Vorkommnisse nur durch Entwurfslösungen oder einen fehlertoleranten Entwurf von Anfang an zuverlässig verhindert werden. Der Motorenhersteller hat diese Aspekte berücksichtigt und festgestellt, dass die Hinzufügung weiterer Anweisungen im ESM wahrscheinlich keine wirksame Minderung darstellt. Die Minderung oder Eliminierung der Möglichkeit eines nicht ordnungsgemäß montierten IGV / VSV-Hebels würde eine Neukonstruktion des Motors erfordern, die aufgrund der geringen Auftrittsrate nicht als machbar erachtet wird. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass der begrenzte Raum, die Konzentration beweglicher Teile und die Motortemperaturen in der Nähe der IGV / VSV-Betätigungsringe die Installation eines Plakats ausschließen würden, um die korrekte Montage der IGV / VSV-Verbindungsglieder hervorzuheben. 

Der Motorenhersteller stellte auf einer Konferenz für alle Bediener im Juni 2019 zum Thema unsachgemäße IGV / VSV-Hebelarmmontage und deren Folgen vor und veröffentlichte in seiner monatlichen Veröffentlichung „Fleet Highlites“ einen Artikel, der allen CFM-Betreibern und zugelassenen Überholungseinrichtungen zur Verfügung steht Januar 2020. Dieses Thema soll auch bei Gesprächen mit Vertretern des Außendienstes zur Weitergabe an Betreiber und Überholungseinrichtungen hervorgehoben werden. Derzeit gibt es außer einer Sichtprüfung keine andere Möglichkeit, eine falsche Hebelarmbaugruppe zu erkennen. Der Motorenhersteller hat kürzlich ein HPC-Leistungsanalysetool implementiert, mit dem Verschiebungen der HPC-Effizienz erkannt werden können. Relevante Warnungen des Analysetools werden den Bedienern mitgeteilt. Zwar gibt es derzeit nicht genügend Erfahrung mit dem Analysewerkzeug, um festzustellen, ob sich die Auswirkungen eines falsch montierten Hebelarms als erkennbare Verschiebung der Motorleistung manifestieren könnten, doch der Motorenhersteller beabsichtigt, diese Möglichkeit mit zunehmender Erfahrung mit dem Werkzeug zu bewerten.“

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