Im europäischen Fernbusmarkt gibt es aufgrund der Dominanz von Flixbus nur noch wenig Wettbewerb. Ein paar verbliebene Mitbewerber wie Regiojet versuchen dem Branchenriesen die Stirn zu bieten. Doch wie schlägt sich das bulgarische Unternehmen Union Ivkoni, das beispielsweise zwischen Österreich und Deutschland seine Dienstleistungen anbietet?
Von der Bundesrepublik ausgehend erlebt Europa seit gut zehn Jahren einen regelrechten Fernbusboom. Was zuvor, abgesehen von Staaten mit kaum vorhandener Eisenbahnstruktur, noch als „Gastarbeiter-Busse“ verschmäht war, ist mittlerweile im intermodalen Verkehrssystem nicht mehr wegzudenken. Step by Step hat sich Flixbus zum Quasi-Monopolisten gemausert. Es gibt nur noch wenige Anbieter wie Blablacar Bus, Regiojet und eben Union Ivkoni, die versuchen dem Branchenriesen die Stirn zu bieten. Während sich die Franzosen und die Tschechen positiv hervorheben, hat eine Testfahrt auf der Strecke Wien (Erdberg)-München (ZOB) einen völlig konträren Eindruck hinterlassen.
Mehrtägige Fernbusfahrt: Von Sofia nach London
Laut österreichischem Verkehrsministerium hält Union Ivkoni unter anderem die Konzession für eine mehrmals wöchentlich angebotene Fernbuslinie von Sofia nach Liverpool und zurück. Eine ausgesprochen lange Strecke, bei der sich Reisende gleich mehrere Tage im Bus befinden. In der Praxis werden die meisten Kurse „kurzgeführt“ und enden bzw. starten in London, was jedoch immer noch eine enorm lange Strecke ist. Es können aber auch nur Teilstrecken, beispielsweise Wien-München, genutzt werden. Aufgrund der vollständigen Liberalisierung in Deutschland findet dort auch innerdeutsche Beförderung statt. In Österreich ist das nicht der Fall, da Union Ivkoni hier auf einer internationalen Konzession fährt und somit nicht innerösterreichisch, wohl aber international, befördern darf.
Die gebuchte Testfahrt war preislich ungefähr ident mit dem Mitbewerber Flixbus. Ein wenig ungewöhnlich erschien dagegen, dass für die Verbindung Wien-München die Preise in bulgarischen Lewa ausgezeichnet und kassiert wurden. Auch ist man hinsichtlich der Sprache nicht konsequent, denn teilweise sind die Dokumente sowohl auf Bulgarisch (kyrillische Schrift) als auch auf Englisch. Eben aber nur teilweise, denn gelegentlich hat man auf die „internationale“ Übersetzung vergessen. Der Buchungsvorgang an sich ist recht einfach, wenn auch nicht so komfortabel wie bei Fluggesellschaften oder beim Konkurrenten Flixbus. Man erhält automatisch einen Sitzplatz zugewiesen, aber das ist eher sinnbefreit, wie sich auf der Testfahrt zeigte.
Im Internet finden sich auf gängigen Bewertungsportalen äußerst unterschiedliche Bewertungen zu Union Ivkoni. Diese stechen zum Teil außergewöhnlich positiv, aber auch partiell fast unglaubwürdig negativ heraus. Leider sollte sich herausstellen, dass die Erfahrungsberichte dann doch nicht ganz so abwegig sind wie sie auf den ersten Blick wirkten.
Nicht auf der Anzeigetafel des VIB zu finden
Um 1 Uhr 30 Lokalzeit sollte es ab dem so genannten „Vienna International Busterminal“, das sich unter einer Autobahnbrücke befindet und den Reisenden so ziemlich alles, aber keinen Komfort oder gar zu nächtlicher Stunde beheizte Warteräume und/oder Toiletten bietet, losgehen. Die Betonung liegt auf sollte, denn kurz davor schickt Union Ivkoni ein E-Mail, dass der Bus um zirka eine halbe Stunde verspätet ist. Nun gut, wer schon mal mit der Deutschen Bahn unterwegs war, sieht das relaxed, hat aber ein Zwicken im Bauch „da kommt noch was“. Doch allein das Auffinden der richtigen Haltestelle gestaltete sich nicht gerade einfach, denn die Busverbindung mit Ziel London von Union Ivkoni war weder auf den Screens, der Homepage noch auf den Aushangfahrplänen des VIB angeführt. Unerfahrene Reisende wären spätestens ab diesem Zeitpunkt nervös geworden, denn Personal gibt es zu dieser nächtlichen Stunde am VIB keines.
Vom Bus des Unternehmens Union Ivoni war um 2 Uhr 00 Lokalzeit auch nichts zu sehen. Also dann mal das Unternehmen kontaktieren. Telefonisch ging überhaupt nichts, denn dort wurde man von einer Bandansage auf eine Nummer verwiesen, die man per WhatsApp anschreiben sollte. Immerhin und das ist auch der einzige positive Aspekt dieser Busfahrt: Es kam binnen einer Minute eine kompetente Antwort, die besagte, dass der Bus sich bereits in Wien befindet und in Kürze da sein wird. War er dann auch und zwar um 2 Uhr 45 und zwar nicht im Busbahnhof, sondern direkt davor, wo die Fahrgäste ein- und aussteigen sollten.
Busfahrer verwandeln Passagierraum in eine „Räucherhöhle“
Der Empfang durch die beiden Busfahrer zeigte sich absolut ungewöhnlich. Die Fahrkarten wollte man gar nicht sehen oder gar scannen, vielmehr war man damit beschäftigt zu tratschen und dabei im Bus eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Dementsprechend stank es in diesem Fahrzeug wie in alten Zeiten in einem Raucherabteil oder einem Wirtshaus. Bis zur Ablöse dieser beiden Lenker sollte es sich fortsetzen, dass diese subjektiv empfunden im Bus während der Fahrt Kette geraucht haben.
Wer nun meint, ja man muss eben damit rechnen, wenn man mit einem bulgarischen Unternehmen fährt. Nein, das muss man nicht. Viele Flixbus-Fahrten werden von Subs aus diesem Land durchgeführt und dort zeigt sich ein solches Verhalten nicht. Was sagt eigentlich das österreichische Verkehrsministerium zur Rechtslage, denn immerhin gilt in der gesamten EU absolutes Rauchverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln?
„In Linienfahrzeugen gilt sowohl in Österreich als auch grenzüberschreitend für Fahrgäste und Fahrer ein Rauchverbot ohne Ausnahmen (auch für ausländische Unternehmen). Gemäß § 8 Z 4 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr, BGBl. II Nr. 47/2001 idF BGBl. II Nr. 129/2018, ist es den Fahrgästen untersagt in Linienfahrzeugen zur rauchen. Dies gilt für jede Art von Linienverkehr, also auch für grenzüberschreitende Linienverkehre (§ 1 leg. cit.) oder ausländische Unternehmen. Das Rauchverbot für den Fahrer ist in § 3 Z 4 der Kraftfahrliniengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 45/2001, normiert und gilt ebenfalls für alle Linienverkehre. Ausnahmen von diesen beiden Bestimmungen gibt es nicht“, so eine Sprecherin.
Ohne Toilette von Sofia nach London
Das eingesetzte Fahrzeug verfügte übrigens abweichend vom Branchenstandard über keine Toilette und genau dies sollte für einige Fahrgäste noch zu einem erheblichen Ärgernis werden. Dass man einen Reisebus ohne Bord-WC zwischen Sofia und London oder gar Liverpool einsetzt, ist schon sehr ungewöhnlich. Dann macht man eben WC-Pausen für die Reisenden. Selbstverständlich, sollte man meinen. Wenn man denn die Stopps an Orten einlegen würden, an denen es Toiletten gibt. Das ist an einer geschlossenen Tankstelle irgendwo in einem Dorf kurz vor Linz wohl nicht der Fall. So kam es wie es kommen musste, die Reisenden waren gezwungen ihre Notdurft hinter einem Amazon-Locker zu verrichten.
Der Bus fuhr bis zur deutschen Grenze wiederholt aus unerklärlichen Gründen von der Autobahn ab und blieb mitten im Nirgendwo stehen und Personen sind ein- bzw. ausgestiegen. Laut Verkehrsministerium sind auf dieser Strecke nur zwei Haltestellen konzessioniert. Eine in Linz und die andere in Salzburg. Klar gekennzeichnet, denn selbst dafür gibt es genaue Vorschriften. Doch dorthin ist der Bus überhaupt nicht gefahren, sondern hat an gänzlich anderen Punkten gestoppt. Für die Fahrgäste gab es keinerlei Auskünfte wie lange man nun stehen würde und ob sich zum Beispiel ein WC in der Nähe befindet.
Alles ist geregelt – selbst wie eine Bushaltestelle auszusehen hat
„Zuständig für die Erteilung von Berechtigungen/Konzessionen eine bestimmte Kraftfahrlinie zu betreiben ist im grenzüberschreitenden Verkehr das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und zwar die Oberste Kraftfahrlinienbehörde (Abteilung IV/St4). Wenn es sich um Kraftfahrlinien im EU/EWR-Bereich handelt ist die Rechtsgrundlage für die Erteilung der Berechtigung eine Linie zu betreiben die Verordnung (EG) Nr. 1073/2009: Genehmigungsbehörde ist die Behörde des Ausgangs- oder Ziellandes der Linie, wobei mit transitierten Ländern mit Haltestellen das Einvernehmen herzustellen ist. Hinsichtlich der Kraftfahrlinie Sofia – London ist anzumerken, dass es keine intern. Linie Sofia-London der Fa. Union Ivkoni ood. gibt. Jedoch werden 4 internationale Linien zwischen Varna-Liverpool von der Fa. Union Ivkoni ood betrieben: Varna-Liverpool BG-Gen. Nr. 000479/1[1] vom 21.10.2020 bis 21.10.2025, Varna-Liverpool BG-Gen. Nr. 000559/1 vom 26.04.2023 bis 26.04.2028, Varna-Liverpool BG-Gen. Nr. 000487/1 vom 11.11.2020 bis 11.11.2025 und Varna-Liverpool BG-Gen. Nr. 000492/1 vom 25.11.2020 bis 25.11.2025“, so eine Sprecherin des österreichischen Verkehrsministeriums. „Jeder dieser Linien bedient die folgenden 3 Haltestellen in Österreich zu unterschiedlichen Fahrzeiten: Wien, VIB Erdberg, Linz, Industriezeile, Salzburg, P&R Süd Fernbusse. Bei jeder dieser Linien wurde in Österrreich das vorgeschriebene Ermittlungsverfahren durchgeführt und da im Verfahren keine Einwände getätigt wurden war die Zustimmung gemäß den Verfahrensvorschriften der obzitierten EU-Verordnung zu erteilen. Die Konzessionen wurden ebenfalls nach diesen Verfahrensvorschriften von der bulgarischen Genehmigungsbehörde erteilt“.
Doch wie muss eigentlich eine Fernbushaltestelle gekennzeichnet sein? Welche Infrastruktur muss vorhanden sein. Die zweite Frage ist recht simpel: Gar keine. Dazu die Sprecherin des Verkehrsministeriums im Detail: „Die Kennzeichnung von Haltestellen in Österreich ist verpflichtend und detailliert festgelegt. Haltestellen in Österreich sind grundsätzlich genehmigungspflichtig. Die Aufnahme/das Absetzen von Fahrgästen ist nur an genehmigten Haltestellen zulässig. Die Kennzeichnung von Haltestellen in Österreich ist einerseits durch § 34 Kraftfahrliniengesetz, BGBl. I Nr. 203/1999 idF BGBl. I Nr. 203/2023 geregelt (Kennzeichnungspflicht, Sichtbarkeit, Verantwortlichkeit des Unternehmers) und andererseits in der Kraftfahrliniengesetz-Durchführungsverordnung , BGBl. II Nr. 45/2001, (u. A. gelber, grünumrandeter Kreis mit einem grünen „H“ in der Mitte, sichtbare Anbringung, Bezeichnung der Haltestelle). Des Weiteren sind Haltestellen in Österreich gemäß § 33 Kraftfahrliniengesetz genehmigungspflichtig. Zuständig für diese Genehmigung ist der/die jeweilige Landeshauptmann/-frau. Eine Konzession bzw. Berechtigung Kraftfahrlinien zu betreiben gilt immer nur für die in der Konzession/Berechtigung definierte Strecke samt der darin enthaltenen/genehmigten Haltestellen. Ein Abweichen von dieser Strecke oder die Aufnahme/das Absetzen an nicht genehmigten Haltestellen wäre eine Pflichtverletzung des Berechtigungsinhabers“.
Pause – aber wie lange eigentlich?
Die beiden kettenrauchenden Busfahrer wurden an der geschlossenen Haltestelle durch eine Lenkerin, der man zugute halten muss, dass ihr Fahrstil bedeutend angenehmer war als jener ihrer beiden Kollegen und sie den Mercedes-Bus so gekonnt und professionell gelenkt hat, dass man – abgesehen von dem Motorengeräuschen – fast nicht bemerkt hat, dass man fährt. Als Fahrerin eine absolute Spitzenkraft.
Allerdings menschlich kompliziert, denn es wurde an einer – diesmal geöffneten – Tankstelle eine Pause eingelegt, die sie nutzte um den Bus nachzutanken. Die Fahrgäste haben aber erst auf Nachfrage erfahren wie lange der Bus denn stehen bleibt und das brüllend im Kasernenhofton. So sollte es dann weitergehen, denn während dem „Headcount“, den sie gewissenhaft durchgeführt hat und die gezählte Personenanzahl mit der Fahrgastliste abgeglichen hat, war sie keinen Deut freundlicher. Dies setzte sich nach der obligatorischen Polizeikontrolle nahe dem Walserberg fort. Die deutsche Bundespolizei wurde fündig und hat einen Fahrgast ohne Reisedokumente „kassiert“, sprich seine Reise endete.
Bundespolizei entfernte Fahrgast ohne Reisepass/Personalausweis
Etwas eigentümlich mutete die Vorgehensweise der deutschen Bundespolizei in einem anderen Aspekt an. Personen, die einen deutschen Reisepass oder Personalausweis vorzeigen konnten, wurden vor dem Bus auf die eine Seite gebeten und jene mit ausländischen Papieren, darunter auch österreichische, durften sich auf der anderen in einer Reihe aufstellen. Deren Papiere wurden im Wachzimmer näher unter die Lupe genommen, die deutschen Staatsbürger durften wieder in den warmen Bus, der dank der Bemühungen der Busfahrerin nicht mehr so stark nach Zigarettenrauch roch.
Mit einem Fahrgast weniger an Bord, weil von der deutschen Bundespolizei vorläufig festgenommen, ging es dann weiter nach München ZOB. Eine Ansage, dass man sich in München befindet, gab es von der Fahrerin natürlich keine. Auch wurde kein WC-Stopp eingelegt, so dass einige Reisende nach der Ankunft wie der geölte Blitz zur kostenpflichtigen Toilette des Busbahnhofs gerannt sind. Selbst das ärgerte die Fahrerin, so dass sie brüllte, dass man gefälligst warten soll bis die Koffer ausgeladen sind. Wenn man aber ohnehin keinen dabei hatte, war man einfach nur froh von diesem Bus weg zu sein. Übrigens: Dank der unerklärlichen Irrfahrten in Österreich summierte sich die Verspätung dann auf weit über zwei Stunden. Man schaffte es also die Fahrzeit so ganz ohne Stau derartig „aufzublasen“ und niemand weiß warum.
Dem Betreiber Union Ivkoni wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Das Unternehmen hat innerhalb der gesetzten Frist nicht auf eine entsprechende Anfrage von Aviation.Direct reagiert. Somit ist es leider nicht möglich in diesem Artikel die Sichtweise bzw. Erklärungen des bulgarischen Unternehmens darzustellen.