In einer weiteren Zuspitzung des Handels- und Technologiestreits zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China hat die US-Regierung unter Präsident Donald Trump eine weitreichende Maßnahme ergriffen: Die Lieferung wichtiger Triebwerkskomponenten aus den USA an Chinas aufstrebenden Flugzeughersteller Comac wurde vorläufig eingestellt.
Dieser tiefgreifende Beschluß könnte insbesondere die Produktion des ambitionierten Boeing- und Airbus-Konkurrenten Comac C919, der als Symbol für Chinas luftfahrttechnische Eigenständigkeit gilt, erheblich verlangsamen. Die C919 ist bislang ausschließlich mit LEAP-1C-Triebwerken von CFM International ausgerüstet – einem Gemeinschaftsunternehmen des französischen Triebwerksbauers Safran und der US-amerikanischen GE Aerospace. Die Entscheidung Washingtons, die weitreichende Implikationen für die globale Luftfahrtindustrie hat, wird als direkte Reaktion auf Pekings jüngste Exportbeschränkungen für kritische Mineralien verstanden, die wiederum als Gegenschlag auf frühere US-Zölle interpretiert werden.
Technologischer Clinch: Eine neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt
Die jüngste Entwicklung im Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt markiert eine neue, kritische Eskalationsstufe, die strategische Hochtechnologiezweige wie den Flugzeugbau direkt betrifft. Wie die renommierte „New York Times“ am 28. Mai berichtete, umfaßt die Anweisung der Trump-Regierung nicht nur Triebwerkskomponenten, sondern auch andere kritische US-Technologien wie Halbleiter, bestimmte Chemikalien und Spezialmaschinen. Diese breit angelegten Beschränkungen zielen darauf ab, Chinas technologische Entwicklung in Schlüsselbereichen zu behindern und Washingtons Einfluß auf globale Lieferketten zu demonstrieren.
Die US-Administration begründet diesen Schritt als notwendige Antwort auf Chinas jüngste Beschränkungen für den Export kritischer Mineralien in die Vereinigten Staaten. Diese chinesischen Maßnahmen, die von Insidern als Versuch gewertet werden, die Lieferketten US-amerikanischer Unternehmen zu stören, sind ihrerseits eine Reaktion auf frühere US-Strafzölle. Obwohl einige dieser Zölle zwischenzeitlich ausgesetzt wurden, hatte China sein Embargo für kritische Mineralien nach US-Ansicht nicht in ausreichendem Maße gelockert. Das daraus resultierende „Geben und Nehmen“ von Restriktionen und Gegensanktionen führt zu einer zunehmenden Fragmentierung der globalen Handelsbeziehungen und schafft Unsicherheit für internationale Unternehmen, die auf grenzüberschreitende Lieferketten angewiesen sind.
Die Achillesferse der Comac C919: Abhängigkeit von westlichen Triebwerken
Die chinesische Comac C919 ist für Peking weit mehr als nur ein Passagierflugzeug; sie ist ein Symbol für Chinas technologischen Aufstieg und den Anspruch, ein eigenständiger Akteur im globalen Luftfahrtmarkt zu werden. Das Mittelstreckenflugzeug soll direkt mit den etablierten Modellen Airbus A320 und Boeing 737 konkurrieren. Die nun verhängten US-Beschränkungen treffen die C919 jedoch an ihrer Achillesferse: der Triebwerksversorgung. Bislang ist die C919 ausschließlich auf die LEAP-1C-Triebwerke von CFM International angewiesen. CFM International ist ein 50:50-Joint-Venture zwischen dem französischen Triebwerkshersteller Safran Aircraft Engines und der US-amerikanischen GE Aerospace. Da essenzielle Komponenten für die LEAP-Triebwerke aus den Vereinigten Staaten stammen, kann eine US-Exportbeschränkung die gesamte Lieferkette für diese kritischen Antriebssysteme unterbrechen.
Chinas Luftfahrtindustrie arbeitet zwar intensiv an eigenen Alternativen, doch diese sind noch nicht vollständig einsatzbereit. Das einheimische Turbofan-Triebwerk CJ-1000A, entwickelt von der Aero Engine Corporation of China (AECC), hat zwar seit 2023 Flugtests absolviert und im Frühjahr 2025 die Zulassung der chinesischen Luftfahrtbehörde CAAC erhalten. Dies ist ein wichtiger Meilenstein für die chinesische Eigenentwicklung. Doch die Serienproduktion des CJ-1000A für die C919 und dessen vollständige Integration und Freigabe für den kommerziellen Linienbetrieb erfordern noch umfangreiche weitere Tests, Zertifizierungsschritte und den Aufbau robuster Produktionskapazitäten. Dies ist ein langwieriger Prozeß, der typischerweise Jahre in Anspruch nimmt. Bis dahin bleibt Comac bei der C919 auf die Komponenten aus dem Westen angewiesen, was die jüngste US-Maßnahme zu einem unmittelbaren Problem für die Produktionspläne des chinesischen Flugzeugherstellers macht.
Unmittelbare Folgen und strategische Reaktionen in Peking: Forcierung der Importsubstitution
Die unmittelbaren Auswirkungen der US-Blockade auf Comac sind noch nicht vollständig absehbar. Der chinesische Flugzeughersteller hat sich bislang nicht öffentlich zu den Berichten geäußert. Es ist denkbar, daß Comac über einen gewissen Vorrat an bereits gelieferten Triebwerken und Komponenten verfügt, der eine kurzfristige Weiterführung der Produktion ermöglicht. Dieser Puffer könnte jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum ausreichen. Die Hoffnung in Peking dürfte sein, daß sich die Handelsstreitigkeiten und technologischen Auseinandersetzungen zwischen China und den USA in der Zwischenzeit so weit entspannen, daß der Fluß von Schlüsselkomponenten wieder wechselseitig aufgenommen werden kann.
Langfristig jedoch dürften die jüngsten Ereignisse als ein massiver Motivationsschub für China wirken, seine Programme zur „Importsubstitution“ mit noch größerer Vehemenz voranzutreiben. Das Bestreben Pekings, sich im Flugzeugbau und anderen strategischen Hochtechnologiesektoren von ausländischen Einflüssen und Abhängigkeiten zu befreien, ist seit Langem ein Kernbestandteil der nationalen Industriepolitik, manifestiert unter anderem in Initiativen wie „Made in China 2025“. Die aktuelle Situation verdeutlicht die Anfälligkeit dieser ambitionierten Pläne, solange kritische Komponenten nicht vollständig im eigenen Land produziert werden können. Die erzwungene Autarkie wird nun voraussichtlich mit noch mehr politischen und finanziellen Mitteln verfolgt werden, um die Lücken in der heimischen Lieferkette zu schließen und Chinas Stellung als unabhängige Luftfahrtmacht zu festigen. Dies könnte zu erheblichen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktionskapazitäten für eigene Flugzeugmotoren, Avionik und andere komplexe Systeme führen.
Historische Parallelen: Das russische Beispiel der MS-21 und die Lehren für China
Beim Blick auf die Situation in China fühlen sich Beobachter in Rußland an das eigene Schicksal erinnert. Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine Ende Februar 2022 verhängten die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder umfassende Exportbeschränkungen für Luftfahrtkomponenten gegen Rußland. Dies traf insbesondere das ambitionierte Passagierflugzeugprojekt MS-21, das ursprünglich auf westliche Triebwerke wie die amerikanischen Pratt & Whitney PW1400G angewiesen war. Die Sanktionen zwangen Rußland dazu, die Entwicklung seines eigenen PD-14-Turbofans massiv zu beschleunigen.
Das russische Beispiel zeigt, daß eine erzwungene Importsubstitution zwar technologische Unabhängigkeit ermöglichen kann, jedoch zu erheblichen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führt. Die Webseite „aviation21.ru“ kommentierte hierzu, daß das russische Triebwerk zwar die ausländische Einheit ersetzen und die Fortsetzung des Importsubstitutionsprogramms ermöglichen konnte, wodurch der Beginn der Serienproduktion und der Betrieb des Flugzeugs in einer vollständig „russifizierten“ Form im nächsten Jahr sichergestellt werden können. Es wird jedoch nicht verschwiegen, daß die westlichen Sanktionen das MS-21-Programm um Jahre zurückwarfen. Diese Erfahrung in Rußland dient China als warnendes Beispiel und gleichzeitig als Motivation, die eigene technologische Souveränität im Luftfahrtbereich noch entschlossener voranzutreiben, um ähnliche Rückschläge in der Zukunft zu vermeiden. Der Fall Comac C919 und die russische MS-21 spiegeln somit globale Machtverschiebungen und den Kampf um technologische Vormachtstellung wider, der sich auf strategisch wichtige Industrien auswirkt.