Sophia Gorgi (Rosalia), Jaye Simmons (Maria), Myrthes Monteiro (Anita) (Foto: Marco Sommer / Volksoper Wien).
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West Side Story in der Wiener Volksoper – Klassisches Musical in neuem Gewand

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Die Inszenierung von Leonard Bernsteins West Side Story in der Wiener Volksoper, unter der Regie von Lotte de Beer, verspricht eine zeitgemäße Interpretation des weltberühmten Musicals. Dennoch wirft diese Neuinterpretation Fragen zur Balance zwischen Tradition und Innovation auf.

Mit ihrer Premiere am 27. Januar 2024 wurde eine Inszenierung präsentiert, die sich sowohl durch mutige künstlerische Entscheidungen als auch durch Kritik an ihrer Umsetzung auszeichnet. Das Stück wird regelmäßig aufgeführt – die Termine finden sich auf der Homepage der Wiener Volksoper. Dieser Artikel beleuchtet die Inszenierung aus theaterwissenschaftlicher Perspektive, mit besonderem Augenmerk auf Dramaturgie, Bühnenbild und Darstellerführung.

Minimalistisches Bühnenbild und symbolische Räume

Das Bühnenbild, entworfen von Christof Hetzer, weicht deutlich von der originalen Atmosphäre der New Yorker Straßenschluchten ab. Es dominiert ein minimalistischer Ansatz: düstere Mauern und nur wenige Versatzstücke prägen die Szenen. Die Wahl, den urbanen Kontext der Handlung stark zu abstrahieren, hat polarisiert.

Die Inszenierung erschafft eine „Nicht-Ort“-Ästhetik, die universelle Konflikte betont, zugleich jedoch die spezifische New Yorker Lokalkolorit fast völlig tilgt. Ein pastellfarbenes Haus, das während der Traumsequenz „Somewhere“ auftaucht, wurde von Kritikern als deplatziert und kitschig empfunden, da es den ernsthaften Ton der Szene unterbricht und die narrative Kohärenz stört.

Die Choreographie: Abkehr vom Original

Eines der markantesten Elemente der West Side Story ist die von Jerome Robbins entworfene Choreographie, die hier von Bryan Arias ersetzt wurde. Während Arias’ Ansatz respektable Energie und Präzision zeigt, fehlt es den Tanzszenen laut Kritik an der emotionalen Wucht und Virtuosität des Originals.

Besonders die ikonischen Kämpfe zwischen den Gangs wirken weniger mitreißend, was den Spannungsbogen der Inszenierung schwächt. Arias’ Choreographie erscheint technisch solide, aber dramaturgisch ungenügend in ihrer Verknüpfung von Musik und Bewegung.

Dramaturgie und Figurenzeichnung

Die Inszenierung fokussiert stark auf die Hauptcharaktere Maria und Tony, gespielt von Jaye Simmons und Anton Zetterholm. Simmons überzeugt durch ihre stimmliche Präsenz und die glaubhafte Verkörperung jugendlicher Verliebtheit, während Zetterholm als Tony etwas blass bleibt.

Kritik erntete die Inszenierung auch für die Darstellung der Nebenfiguren, wie Anita, deren Bedeutung in dieser Version stark reduziert wurde. Myrthes Monteiro, die Anita spielt, bleibt unauffällig, obwohl diese Rolle oft als emotionales Herzstück des Musicals betrachtet wird. Nur Nicolaus Hagg als zynischer Detective Schrank und Axel Herrig als empathischer Doc stechen aus dem Ensemble hervor und verleihen ihren Figuren eine beeindruckende Tiefe.

Musikalische Umsetzung

Unter der Leitung von Ben Glassberg blieb die musikalische Aufführung der Wiener Volksoper dem Original treu. Bernstein’s unverkennbarer Stil, eine Mischung aus Jazz, klassischer Musik und lateinamerikanischen Einflüssen, wurde technisch präzise, aber emotional zurückhaltend interpretiert. Die bekannte Partitur, die Klassiker wie „Tonight“ und „Maria“ umfasst, entfaltet ihre volle Wirkung nur teilweise. Kritiker bemängelten, dass die Inszenierung die musikalische Dynamik nicht vollständig mit der Handlung und den emotionalen Höhepunkten verbindet.

West Side Story an der Wiener Volksoper ist ein Beispiel dafür, wie eine moderne Interpretation eines Klassikers die ästhetische Tradition und Innovation auszubalancieren versucht. Die Reduktion auf symbolische Räume und die Abkehr von Robbins’ Choreographie sind mutige Entscheidungen, die jedoch nicht immer überzeugend wirken. Während die musikalische Darbietung und die Leistung einzelner Darsteller überzeugen, bleibt die Inszenierung insgesamt hinter den Erwartungen zurück. Sie illustriert die Herausforderungen, ein Werk, das so tief in der kollektiven Vorstellung verankert ist, neu zu denken und dabei den Kern seiner Wirkung zu bewahren.

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